Mediziner wollen keine Landarztquote Lothar Klein, 27.05.2016 11:57 Uhr
Der Deutsche Ärztetag hat eine „Landarztquote“ gegen den Ärztemangel abgelehnt. Nur die wenigsten Bewerber könnten schon vor ihrem Studium einschätzen, welche Fachrichtung sie später einschlagen und ob sie auf dem Land arbeiten wollten, hieß zur Begründung beim Kongress in Hamburg. „Außerdem wäre ein Vorzug von Bewerbern, die sich für eine spätere ärztliche Tätigkeit auf dem Land verpflichten, gegenüber Bewerbern, die dies noch nicht für sich entscheiden möchten, eine ungerechte Begünstigung.“
Zur Bekämpfung des Mangels an Hausärzten seien stattdessen mehr Lehrstühle für Allgemeinmedizin und eine Stärkung der Ausbildungsmöglichkeiten in Arztpraxen erforderlich. Nur jeder zweite Hausarzt findet derzeit einen Nachfolger, wenn er ausscheidet. Die größten Probleme bestehen auf dem Land. Mittlerweile trifft es aber auch sozial schwächeren Gebiete in größeren Städten.
Bei der sogenannten Landarztquote handelt es sich um den Vorschlag, angehenden Medizinstudenten, die sich verpflichten, später eine gewisse Zeit lang in ländlichen Regionen mit Ärztemangel zu praktizieren, bevorzugt einen Studienplatz zu geben.
Der Ärztetag fordert dagegen, die Vergabe von Medizinstudienplätzen nicht nur an den Abiturnoten auszurichten, sondern stärker als bisher psychosoziale Kompetenzen, soziales Engagement und einschlägige Berufserfahrung zu berücksichtigen. Ziel müsste eine Verbesserung der Ausbildung insgesamt unter Einbeziehung der Erkenntnisse aus Modellstudiengängen sein.
Notwendig seien eine praxisbezogene und interaktive Lehre, fallorientiertes Arbeiten und problemorientiertes Lernen. Auch die Einbindung Studierender und Auszubildender anderer Gesundheitsberufe sollte berücksichtigt werden, um frühzeitig klinische Abläufe und die interdisziplinäre Kommunikation miteinander zu schulen.
Der Ärztetag befasste sich auch mit den Honoraren der Chefärzte in Krankenhäusern. In einem Beschluss fordert das Ärzteparlament die Krankenhausträger auf, von vorrangig an ökonomischen Kriterien orientierten Bonuszahlungen für leitende Krankenhausärzte abzusehen: „Ökonomisierung ist dann abzulehnen, wenn betriebswirtschaftliche Parameter individuelle und institutionelle Ziele ärztlichen Handels definieren, ohne dass es eine am Patientenwohl orientierte medizinische Begründung gibt“, heißt es in einer einstimmig gefassten Entschließung des Ärztetages.
Die Mediziner fürchten, dass erfolgsabhängige Bonuszahlungen leitende Ärzte unter Druck setzen könnten, Leistungseinschränkungen oder -ausweitungen aus ökonomischen gründen zu erwägen.
Auf Initiative der Bundesärztekammer und des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte Deutschlands hat der Gesetzgeber Anfang 2016 im Sozialgesetzbuch V festgeschrieben, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) in ihren Beratungs- und Formulierungshilfen für Chefarztverträge im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer Empfehlungen zu dieser Thematik abgeben soll. Die Empfehlungen sollen sicherstellen, dass Zielvereinbarungen ausgeschlossen sind, die auf finanzielle Anreize insbesondere für einzelne Leistungen, Leistungsmengen, Leistungskomplexe oder Messgrößen hierfür abstellen.
Außerdem wählte der Ärztetag Dr. Susanne Johna zum neuen „weiteren“ Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer. Die 50-jährige Fachärztin für Innere Medizin arbeitet als Oberärztin für Krankenhaushygiene am St. Josefs-Hospital in Rüdesheim und ist Mitglied des Präsidiums der Landesärztekammer Hessen. Der Vorstand der Bundesärztekammer besteht aus den Präsidenten der 17 Ärztekammern in Deutschland sowie aus zwei weiteren Vorstandsmitgliedern.
Die „weiteren“ Vorstandsämter sind Ärztinnen und Ärzten vorbehalten, die nicht Präsidenten einer Ärztekammer und damit nicht Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer sind. Die Wahl eines neuen weiteren Vorstandsmitgliedes war notwendig geworden, weil Dr. Ellen Lundershausen, die bisher „weiteres Vorstandsmitglied“ gewesen war, im Juni 2015 zur Präsidentin der Ärztekammer Thüringen gewählt wurde.