Schlammschlacht in der KBV Lothar Klein, 22.10.2016 08:52 Uhr
Nach den Skandalen um ihren früheren Chef Dr. Andreas Köhler kommt die Kassenärztliche Bundesvereinigung noch immer nicht zur Ruhe. Im Gegenteil: Jetzt tobt eine Schlammschlacht um seinen Nachfolger Dr. Andreas Gassen. Es werden interne Gutachten und E-Mails durchgestochen. Es geht um die freihändige Vergabe von Aufträgen. Jetzt drohen auch Gassen rechtliche Auseinandersetzungen an.
Letzte Woche befasste sich die Vertreterversammlung der KBV mit der Causa Gassen. Wie die Ärzte Zeitung schreibt, soll aus dem Führungszirkel heraus sogar eine Anzeige gegen Gassen vorbereitet werden. Das wäre ein Novum.
Hintergrund der neuerlichen Scharmützel sind Erkenntnisse der Innenrevision der KBV. Die Prüfer werfen danach Gassen vor, Beratungsleistungen „freihändig“ in Auftrag gegeben zu haben. Für 40.000 Euro soll Gassen „Politik-Coaching“ und ein „Coaching KBV-Krisenmanagement“ eingekauft haben. Darin ging es wohl auch darum, Gassens Vorstandskollegin Regina Feldmann ins Abseits zu schieben. Sie solle mit einer „Beschäftigungsstrategie“ isoliert werden, schlugen die Berater vor.
Ab einer Auftragshöhe von 20.000 Euro hätte Gassen aber mindestens drei Angebote einholen müssen. Laut Ärzte Zeitung hat Gassen die Rechnungen „als sachlich und rechnerisch richtig" zur Zahlung abgezeichnet, obwohl die erforderlichen Vorstandsbeschlüsse und die Prüfung durch die Rechtsabteilung nicht vorgelegen hätten. Insgesamt sollen 200.000 Euro an die Agentur „Miller & Meier Consulting“ geflossen sein.
Ins Rollen gebracht hat die Angelegenheit Feldmann. In einem Brief an Staatssekretär Lutz Stroppe hatte Feldmann dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgeworfen, es komme seiner Rechtsaufsicht nicht nach. Das sei „ein politischer Skandal“. Den Grund ihrer Empörung hatte Feldmann bereits zuvor in einer E-Mail ans BMG bekannt gemacht. Darin verlangte sie ein Verfahren gegen ihren Vorstandskollegen. „Warum wird durch die Rechtsaufsicht nicht die Befangenheit von Herrn Dr. Gassen in allen Angelegenheiten des Dienstvertrags und der Dienstwagenregelung geprüft, obwohl im Gutachten Luther ein schwerer Untreuevorwurf gegen Herrn Dr. Gassen erhoben wird?“, fragte Feldmann. Diese E-Mail landete über die FAZ in der Öffentlichkeit..
Eigentlich befasst sich das „Gutachten Luther“ auf 75 Seiten mit den Vorgängen um Ex-KBV-Chef Köhler. In der Angelegenheit laufen bereits drei Klagen des BMG und weitere Klagen der KBV. Dabei geht es um Rentenansprüche Köhlers, um Dienstwagen und um Immobiliendeals. Gassen wird vorgeworfen, an den alten Köhler-Verträgen mitgewirkt zu haben. Inzwischen stehen zusätzlich die neuen Vorwürfe gegen ihn selbst im Raum.
Gassen wehrt sich unterdessen dagegen, eigenmächtig und ohne einen erforderlichen Vorstandsbeschluss für eine politische Beratungsfirma knapp 40.000 Euro ausgegeben zu haben. „Der benannte Bericht der internen Revision ist fehlerhaft und nicht endgültig gewesen. Es ist erstaunlich und ärgerlich, dass ein Bericht, zu dem ich selber übrigens nicht befragt worden bin, von offenbar interessierter Seite 'durchgestochen' worden ist“, schimpfte Gassen im hauseigenen Deutschen Ärzteblatt.
Angesichts der Umstände ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Haussegen zwischen den beiden KBV-Vorständen schief hängt. Mehr noch: Wegen des von vielen Ärzten als unzureichend empfundenen Honorars von vier Euro für das Erstellen des neuen Medikationsplans ist auch Feldmann selbst in die Kritik geraten.
Weil es in der Berliner KBV-Zentrale „drunter und drüber“ gehe, sei dort keine vernünftige Verhandlungsführung mehr möglich, heißt es bei regionalen Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). In Berlin drehe sich alle nur noch um interne Streitigkeiten. Feldmann hat inzwischen ihren Rückzug aus der KBV-Führung bei der anstehenden Neubesetzung des Vorstandes im nächsten Jahr angekündigt. Gassen will erneut kandidieren. Da braut sich etwas zusammen.
Im BMG beobachtet man die Vorgänge in der KBV mit wachsendem Missfallen. Insbesondere will man nicht zwischen die Fronten geraten, die Dinge aber genau unter die Lupe nehmen. Ein Gesetzentwurf, um die Selbstverwaltung besser zu kontrollieren, liegt bereits vor.