Die Ärztekammer Schleswig-Holstein (ÄKSH) hat das E-Rezept-Modellprojekt der Plattform eRixa zeitweise gestoppt. Der teilnehmenden Praxis wirft sie vor, gegen das Zuweisungsverbot verstoßen zu haben – eigentlich eine ureigene Domäne der Apothekerkammer. Doch die weiß davon gar nichts. Die ÄKSH verweist an das Ministerium – und dessen Darstellung legt nahe, dass sich eRixa-Betreiber Stefan Odenbach mit einer Anfrage nach Förderung selbst ein Bein gestellt hat.
In der Grundkonstellation sieht eigentlich jedes E-Rezept-Modellprojekt gleich aus: Eine oder mehrere Praxen sind mit einer oder mehreren Apotheken verbunden. Ein Modellprojekt mit 19.000 Apotheken gibt es nicht, eine Vorauswahl der teilnehmenden Apotheken ist also der Standard. Die Ärztekammer hat der Praxis von Dr. Jörg Sandmann in Travemünde nun aber genau das zur Last gelegt. „Wir haben ein Schreiben erhalten, in dem wir darauf aufmerksam gemacht wurden, dass es rechtswidrig sei, dass auf meiner Seite fünf Apotheken aufgeführt werden, an die das E-Rezept versendet werden kann“, erklärt Sandmann, der mit seiner Praxis an der Erprobung der Rezept-Plattform eRixa teilnimmt.
Hinter der Plattform steht Stefan Odenbach mit seinem Unternehmen PSO. Es bietet auf Patientenseite eine Smartphone-App für Android und iOS sowie ein Webportal im Browser. Bei Bedarf gibt es auch einen lokalen Client für Windows inklusive eines Outlook-Plugins. Welche E-Rezept-Anwendungen Apotheker und Ärzte benutzen, sei dabei unerheblich, da die Plattform den sicheren Austausch von E-Rezepten mit anderen Lösungen ermögliche, versichert Odenbach. Auf Praxis- und Apothekenseite sei ebenfalls lediglich die frei zugängliche App notwendig, um E-Rezepte zu versenden oder zu empfangen.
Der Name eRixa ist es auch, der bei Sandmann Fragen aufwirft. „Was mich stutzig gemacht hat: Wieso wird in dem Schreiben der Kammer eRixa namentlich erwähnt? Der Name steht nirgendwo auf unserer Seite! Es muss also jemand dahinterstehen, der weiß, um was für ein Projekt es sich handelt“, sagt er. „Ich habe dann die Ärztekammer angerufen und nach Ross und Reiter gefragt.“ Doch eine richtige Antwort habe er dort nicht bekommen – vielmehr sei ihm zwischen den Zeilen mitgeteilt worden, dass die Kammer auch nicht ganz begeistert sei von der Vorgehensweise. Vielmehr sei das alles auf Geheiß des Gesundheitsministeriums zustande gekommen. „Was wir zur Kenntnis kriegen, prüfen wir nur auf Rechtszulässigkeit, politisch setzen wir uns klar für die Digitalisierung ein“, sagt der Ärztliche Geschäftsführer der ÄKSH, Dr. Carsten Leffmann.
Auch Leffmann gibt sich bei dem Thema schmallippig und verweist darauf, als Kammer verpflichtet zu sein, eine solche Prüfung vorzunehmen, insbesondere wenn der Auftrag dazu aus dem Gesundheitsministerium kommt. „Es gab dort Probleme in der Rechtskonformität. Wenn man etwas Neues ausprobieren will, ist das toll, aber es muss im Einklang mit den geltenden Gesetzen stehen. Und wenn da ein Bedarf erkannt wird, ist der Gesetzgeber gefordert, die Gesetze anzupassen“, sagt Leffmann. Das Ministerium wiederum verweist darauf, von außen auf den Sachverhalt aufmerksam gemacht worden zu sein.
„Da sind wir wohl jemandem auf die Füße getreten“, sagt Sandmann. Er vermutet ein Eigeninteresse des Ministeriums dahinter. Odenbach wiederum sieht es ganz ähnlich und verweist auf einen zeitlichen Zusammenhang, der ihn ins Grübeln gebracht habe: Kurz vor dem Schreiben habe er sich von selbst proaktiv an das Gesundheitsministerium gewendet, um das Projekt dort vorzustellen und sich für eine mögliche Förderung zu präsentieren, wie er sie von der baden-württembergischen Landesregierung bereits erhielt – und kurz darauf habe sich die Kammer an Sandmann gewendet. Und tatsächlich nennt das Gesundheitsministerium keine Namen, aber: „In dem angesprochenen Fall hatte das Ministerium aufgrund einer Unterstützungs-Anfrage zu einem Projekt, wie in solchen Fällen üblich, Beteiligte des Gesundheitswesens um nähere Info erbeten. In dem Zuge hatte das Ministerium auch den Hinweis auf das Projekt mit der Bitte um Prüfung – in eigener Zuständigkeit – an die Ärztekammer geleitet“, so ein Sprecher auf Anfrage.
Dass es rechtliche Bedenken bezüglich seiner E-Rezept-Plattform gebe, weist Odenbach aber entschieden zurück. „Das hat nichts damit zu tun, dass eRiXa etwas tun würde, was nicht rechtens wäre. eRixa hält alle rechtlichen Rahmenbedingungen ein, bei uns entscheidet ausschließlich der Patient, in welche Apotheke er sein Rezept senden will“, erklärt er. „Es ging bei der Beschwerde gar nicht um eRixa im engeren Sinne, sondern um die Webseite und dass diese fünf Apotheken da konkret genannt werden. Allerdings wurde unser Pilotarzt damit ausgebremst.“
Doch der zeigt sich resolut und will sich weder von Kammer noch Ministerium einschüchtern lassen. Einer seiner Mitarbeiter habe nach Erhalten des Schreibens vorsichtshalber die Seite abgestellt. „Ich habe ihm dann gesagt, dass wir damit weitermachen. Ich werde mich doch nicht jedem Schwachsinn beugen“, sagt Sandmann. „Die Patienten sollen doch zuhause bleiben, heißt es überall. Und dann machen wir was dafür und werden auch wieder gestoppt.“ Auch er sieht keine Schuld beim E-Rezept-Projekt selbst. „Der eRiXa-Versuch hat mit dieser Geschichte eigentlich nichts zu tun. Ich verschicke ja die Rezepte an die Apotheken.“ Die Zusammenarbeit mit den Apotheken in Travemünde habe schon lange vor dem eRixa-Projekt bestanden, sei aber stets rechtskonform gewesen. Zuweiseungen oder Bevorteilungen habe es nie gegegeben – lediglich ein vorbildliches Miteinander von Arzt und Apotheker.
In seiner Stellungnahme habe er auch darauf verwiesen, dass er ja keineswegs von seiner Praxis aus nur einer bestimmten Zahl Apotheken seine Rezepte zukommen lasse, „sondern prinzipiell jede mitmachen kann“. Nur seien jene genannten Apotheken eben die, die die eRixa-App schon nutzen und damit als natürliche Partner infrage kämen. „Wenn Sie mit der App in die Apotheke gehen und die Apotheke noch gar nicht weiß, was auf sie zukommt, dann haben sie ja keinen Zeitvorteil!“ Ihm sei es schlicht darum gegangen, das Projekt auf eine praktikable Art und Weise voranzutreiben. „Ich habe da ja keinen Vorteil davon, wenn das Rezept an eine bestimmte Apotheke geht. Das Einzige, was wir wollten, ist, dass die Patienten nicht kommen müssen und nicht das Telefon blockieren.“
Sandmann sieht sich im Recht und will deshalb nicht nachgeben – im Gegenteil wolle er das Thema und vor allem die Vorgehensweise öffentlich machen. „Was mich wundert, ist, dass eine kleine Praxis in den Fokus kommt. Warum hat nicht erst das Gesundheitsamt bei mir angerufen und gefragt, was da passiert?“ Dazu hat er sich auch mit einem Brief an den schleswig-holsteinischen Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg gewendet. Was aus dem Projekt wird, steht noch in den Sternen. Sandmann will weitermachen, bis es ihm untersagt werden sollte – allein schon, weil er vom eRixa-Tool begeistert sei und es im Praxisalltag als sehr nützlich empfinde. „Ich weiß mittlerweile, dass diese ganze Digitalisierungsgeschichte ein heißes Pflaster ist“, sagt er.
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