Die Kritik an den Gesetzesinitiativen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) reißt nicht ab. Laut dem Gesundheitspolitischen Arbeitskreises (GPA) der Mittelstands- und Wirtschaftsunion Schleswig-Holstein (MIT-SH) gelten die Reformpläne als bürgerfern, praxisfremd und lückenhaft. Die Mitglieder wollen aber auch Vorschläge für eine sinnvolle Verbesserung des Gesundheitswesens machen.
„Der Noch-Minister Lauterbach zeigt sich gegenüber all diesen Warnungen und Vorschlägen unbeeindruckt und bleibt pathologisch beratungsresistent“, heißt es in einem Report des GPA. Auch innerhalb der Ampelkoalition würden die Rücktrittsforderungen immer lauter. Lauterbachs Politik führe das Gesundheitssystem in die Insolvenz.
Der Gesundheitsökonom Professor Dr. Thomas Drabinski weist in einem Gastbeitrag für das Ärzteblatt Schleswig-Holstein auf Missstände im Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) hin: Lauterbach verspreche eine Generalüberholung des Gesundheitswesens; die vorgesehenen Maßnahmen führten jedoch nicht zu einer grundlegenden Überarbeitung des Systems. Im Gegenteil: Sie würden den bürokratischen Aufwand weiter erhöhen, ohne Ziele wie eine echte Entbudgetierung oder messbare Qualitätsverbesserungen in der Versorgung umzusetzen.
Die Attraktivität des GKV-Vergütungssystems werde durch diese „Verschlimmbesserung“ nicht erhöht und die Effektivität und Effizienz der Entscheidungen bleibe unverändert. „Gesundheitsökonomisch sind die Regelungen als ineffektiv und ineffizient zu bewerten, gesundheitspolitisch können sie eventuell als Erfolg verkauft werden – wenn man nicht so genau hinschaut und den Überschriften Glauben schenkt“, so Drabinski. Zudem würden Fachärzte im GVSG nur indirekt als Teil der ambulanten Versorgungskette betrachtet.
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat sich in einem Brandbrief an die Bundestagsabgeordneten klar gegen Lauterbachs Reformpläne ausgesprochen. Die Vorstandsvorsitzenden Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Sibylle Steiner warnen, dass die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährdet sei. Die Kritik richtet sich neben dem GVSG auch gegen das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) und die Notfallreform, die nach der parlamentarischen Sommerpause im Bundestag verabschiedet werden sollen. „Keines dieser Gesetze schafft mehr Arztzeit, geschweige denn mehr Ärztinnen und Ärzte“, so die Vorstände.
Die Ärztegenossenschaft Nord (ägNord) unterstützt diese Kritik und warnt in einem Schreiben an die schleswig-holsteinischen Landtagsabgeordneten vor Lauterbachs Reformplänen. „Als Landesregierung und Vertreter:innen des Landtages haben auch Sie eine gewisse Entscheidungs- und politische Gestaltungshoheit“, heißt es in dem Schreiben. Die ägNord kritisiert, dass die Ärzteschaft kaum in die Planung und Beratung der Reformen einbezogen worden sei, was die notwendige Strukturreform im Gesundheitswesen gefährde.
Die Ärzte fordern unter anderem die Stärkung der wohnortnahen ambulanten hausärztlichen und fachärztlichen Grundversorgung sowie die Abschaffung der Budgetierung nicht nur für Hausärzte, sondern auch für Fachärzte. „Nicht jeder von Ihnen ist Expert:in in der Gesundheitspolitik. Solidarität in der Fraktion ist nicht immer ein geeigneter Ratgeber“, betont Dr. Axel Schroeder, Vorstandsmitglied der ägNord.
Der Hartmannbund fordert die Bundesregierung auf, den ärztlichen Nachwuchs zu fördern, um die Versorgung auch in Zukunft sicherzustellen. Die Versorgungssituation sei bereits prekär und werde durch den demografischen Wandel weiter verschärft, warnt der Verband. Steigende Kosten und Personalmangel würden die Probleme des Gesundheitssystems zunehmend verschärfen. „Ein ,Weiter so‘ wird eine ungesteuerte Begrenzung der Leistungen nach sich ziehen, denn die Arbeitskraft, -zeit und die Ressourcen sind begrenzt. An dieser Wahrheit kommen wir nicht vorbei“, sagte Dr. Moritz Völker, Vorsitzender der Jungen Ärztinnen und Ärzte im Hartmannbund.
Um dies zu vermeiden, müsse die begrenzte Verfügbarkeit offen kommuniziert und gleichzeitig die Effizienz des Systems durch eine Reduzierung des Dokumentationsaufwands, einen schnellen und massiven Ausbau der Digitalisierung und eine Steuerung der Patientenströme erhöht werden.
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