Diskussion um Bevorzugung Privatversicherter

Ärzte: Kassen-Kontingent für Terminvergabe denkbar

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Berlin -

Die Kassenärzte zeigen sich unter bestimmten Bedingungen bereit, einen Teil der freien Termine durch die gesetzlichen Krankenkassen vergeben zu lassen, damit deren Versicherte schneller zu einem Termin kommen. „Wir können durchaus darüber mal nachdenken, dass die Kassen ein gewisses Kontingent der freien Termine, zum Beispiel zehn Prozent, selbst vermitteln können“, sagte der Vorsitzende der Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Hintergrund ist die Diskussion über eine mögliche Bevorzugung von Privatversicherten gegenüber Kassenpatienten.

„Aber dann muss Folgendes ganz klar sein: Ein von der Krankenkasse gebuchter Termin muss von dieser auch zu 100 Prozent vergütet werden, auch wenn der Termin dann nicht wahrgenommen wird“, machte Gassen zur Bedingung.

Er beklagte, es gebe bei Arztterminen eine Rate von teilweise 10 bis 20 Prozent, wo ein Patient nicht erscheint. „Das ist ein enormer Schaden für die Praxen – und auch für diejenigen, die verzweifelt auf einen Termin warten.“ Gassen sagte zur Frage, ob es eine Benachteiligung von Kassenpatienten gebe, er halte dies „weitgehend für ein gefühltes Problem“.

Aber auch: „Es ist nachvollziehbar, wenn sich Kolleginnen und Kollegen rational verhalten und Termine für Patienten vergeben, deren Behandlung wenigstens bezahlt wird. Bei Kassenpatienten wird im Schnitt jeder zehnte Termin nicht vergütet.“

ePA: Pünktlicher Start unwahrscheinlich

Wie auch schon andere Kassenvertreter, ist auch Gassen der Meinung, dass der bundesweite Rollout der elektronischen Patientenakte (ePA) im April nicht gelingen wird: „Minister Lauterbach will das zwar noch gern vor einem Regierungswechsel selbst verkünden. Ich gehe aber nicht davon aus, dass die ePA im April bundesweit einsatzbereit sein wird.“

Unter anderem hapert es noch an der technischen Umsetzung innerhalb des Modellprojektes: „In den Testregionen hat die Hälfte der Praxen, die mitmachen wollten, noch immer nicht die dafür nötige Software. Die Hersteller scheinen das nicht vollumfänglich hinzubekommen.“ Außerdem seien alle Sicherheitslücken zu schließen, die der Chaos Computer Club (CCC) bereits im vergangenen Jahr entdeckt hatte. „Das muss die Bundesdatenschutzbeauftragte dann auch bestätigen. Vorher kann und darf es keine verpflichtende Einführung geben.“

Wünsche an die Groko

Gefragt danach, was seiner Meinung nach in den Koalitionsvertrag gehöre, spricht Gassen die immer weiter steigenden Kassenbeiträge an. „Das darf nicht so bleiben. Die Lösung kann aber nicht heißen, bei denen zu sparen, die das Gesundheitswesen am Laufen halten. Vielmehr müssen wir uns anschauen, welche Ausgaben die Kassen tragen, die eigentlich Aufgabe des Staates sind. Da wären zum Beispiel die Krankenkassenbeiträge für Bürgergeldempfänger, was allein zehn Milliarden Euro ausmacht. Wenn das komplett aus Steuern bezahlt würde, wäre die finanzielle Lage in der Krankenversicherung schon deutlich entspannter.“

Dem Wunsch der Kassen, die Entbudgetierung bei Haus- und Kinderärzt:innen wieder rückgängig zu machen, erteilt der Ärztechef eine klare Absage. „Ich kann die Koalitionäre in spe nur warnen: Wenn sie die Sparvorschläge der Kassen bei den Praxen durchziehen, werden wir eben nur noch die Leistungen erbringen, die tatsächlich bezahlt werden. Auch das Terminangebot wird dann entsprechend angepasst werden müssen. Dann dürfte es etwa zehn Prozent weniger Termine geben. Ich glaube nicht, dass die Politik das riskieren wird.“

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