Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Untreue in Millionenhöhe gegen Verantwortliche der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Das Verfahren richte sich gegen elf Beschuldigte, sagte Behördensprecher Martin Steltner. Es gehe um mehrere Millionen Euro.
Demnach wurden am Montag Büros der KBV in Berlin durchsucht. Mails und Unterlagen seien sichergestellt worden. Das Verfahren sei Ende 2015 gegen amtierende sowie ehemalige Vorstände und leitende Mitarbeiter eingeleitet worden. Die Bundesvereinigung unterstütze die Arbeit der Staatsanwaltschaft, sagte KBV-Sprecher Roland Stahl.
Das Arbeitsgericht Berlin hat derweil über die fristlose Kündigung der ehemaligen Leiterin des KBV-Dezernats Personal und Organisation verhandelt. Die Ehefrau des früheren KBV-Vorsitzenden Dr. Andreas Köhler, hatte die Vergütung beziehungsweise das Ruhegehalt ihres Mannes zu hoch angesetzt.
Köhler hatte im November 2013, kurz vor seinem 53. Geburtstag, einen schweren Herzinfarkt erlitten und war daraufhin von seinem Amt zurückgetreten. Er war gut neun Jahre lang Vorstandschef der KBV. Im vergangenen Jahr hatte der Focus darüber berichtet, dass das Ruhegehalt Köhlers im September 2014 noch um etwa 10 Prozent angehoben worden sei – auf etwas mehr als 21.300 Euro im Monat. Regina Feldmann, die im KBV-Vorstand für die Hausärzte zuständig ist, hatte damals angeblich im Alleingang das BMG aufgefordert, das Ruhegehalt Köhlers zu prüfen.
Das Arbeitsgericht stellte nun einen „erheblichen Verstoß“ der ehemaligen Dezernatsleiterin gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten fest. Sie habe „vorsätzlich und unter Überschreitung ihrer Befugnisse ihrem Ehemann vermögenswerte Vorteile verschaffen wollen und sich damit gegenüber ihrem Arbeitgeber grob illoyal verhalten“, entschied das Gericht.
Nicht nur die Klage gegen die fristlose Kündigung, sondern auch die Schadensersatzklage wies das Gericht ab. Sie wollte einen sechsstelligen Betrag geltend machen und warf der KBV vor, die Presse in unzulässiger Weise über Interna informiert und so für eine ungünstige Berichterstattung gesorgt zu haben. Dies habe zu einer Rufschädigung geführt. Das Arbeitsgericht konnte eine solche Handlung nicht feststellen.
Erst im September hatten die Kassenärztlichen Vereinigungen Westfalen-Lippe (KVWL) und Mecklenburg-Vorpommern (KVMV) Strafanzeige gegen Andreas Köhler und den Vorsitzenden der KBV-Vertreterversammlung, Hans-Jochen Weidhaas, gestellt. Die KBV selbst hatte Medienberichten zufolge die Untreuevorwürfe untersuchen lassen.
Der KVWL-Vorsitzende Dr. Wolfgang-Axel Dryden hat die Ergebnisse zusammengefasst: „Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass Schadensersatzansprüche in Millionenhöhe bestehen, dass Pflichtverletzungen vorliegen, Vereinbarungen sittenwidrig sind, ein leider inzwischen wohl verjährter Vorwurf der Untreue im Amt besteht, pflichtwidrig Zahlungen geleistet, uneidliche Falschaussagen vor Gericht getätigt wurden etc.“
Im Dezember hat dann auch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) Strafanzeige gegen Köhler gestellt. Der Vorwurf lautet „Untreue in besonders schwerem Fall“. Das Haus von Minister Hermann Gröhe (CDU) hält Köhler vor, neben einem stattlichen Gehalt einen regelmäßig gezahlten Mietkostenzuschuss von der KBV von netto 1450 Euro im Monat erhalten zu haben. Insgesamt habe sich der Zuschuss auf rund 95.000 Euro belaufen.
Das Berliner Landgericht hat Köhler Ende Januar zur Rückzahlung der Mietkostenzuschüsse verurteilt. Die KBV hatte das Geld zurück gefordert – weil es ohne Rechtsgrund gezahlt worden sei. Das Gericht war überzeugt, dass Köhler bewusst gewesen sein müsse, dass die Zuschüsse von der Vertreterversammlung oder dem KBV-Ausschuss für Vorstandsvergütung hätten beraten werden müssen.
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