Beim Medikationsmanagement sind die Apotheker schon in der ersten Runde abserviert worden: Nicht die Pharmazeuten, sondern die Ärzte sollen die Medikationspläne erstellen und pflegen und dafür ein zusätzliches Honorar bekommen.Nicht in der Offizin, sondern in der Praxis sollen die Fäden in Sachen Arzneimittelsicherheit zusammenlaufen, findet die Politik. Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt Dr. Thomas Lipp, Allgemeinmediziner aus Leipzig und Vorstandsmitglied im Hartmannbund, warum die Apotheker den Ärzten unterlegen sind – und warum sie aus seiner Sicht trotzdem noch hoffen können.
ADHOC: Hatten die Apotheker je eine Chance, beim Medikationsmanagement den Ärzten gleichgestellt zu werden?
LIPP: Ich kann verstehen, dass die Apotheker ihre Kompetenzen stärker in den Vordergrund rücken wollen. Was ich nicht nachvollziehen kann, ist die konkrete Forderung im Zusammenhang mit dem Medikationsmanagement. Das hat in den Apotheken schon rein fachlich nichts zu suchen: Wir haben die Befunde, wir kennen die Indikation und wir entscheiden, was die Patienten bekommen müssen. Dass ich nicht falsch verstanden werde: Die Apotheker sind Arzneimittelexperten. Sie sind aber im therapeutischen Team dem Arzt nachgeordnet und können bei der Medikation allenfalls Empfehlungen zu Varianten machen. Primärer Ansprechpartner für die Therapie ist der Arzt.
ADHOC: Die Apotheker haben es doch aber gar nicht auf die Therapiehoheit abgesehen.
LIPP: Das mag sein, aber viele meiner Kollegen fühlen sich offenbar angegriffen und fürchten, Kompetenzen zu verlieren. Wenn ich mich intern dafür einsetze, dass die Apotheker ein Mitspracherecht haben sollten – zum Beispiel bei der Wahl der Betablocker – , werde ich regelrecht „zerhackt“. Ich persönlich habe nichts dagegen, den Apothekern die gleichen Rechte bei der Medikationsberatung zu geben. Aber für viele Ärzte ist das ein rotes Tuch.
ADHOC: Waren die Apotheker naiv zu glauben, die Ärzte würden mitspielen und ihnen das Medikationsmanagement überlassen?
LIPP: Wenn die Apotheker meinen, in ärztliche Kompetenzfelder eindringen zu müssen, sind sie schlecht beraten. Die Ärzte werden nicht tatenlos zusehen, wenn sie das Gefühl haben, dass ihnen die Therapiehoheit streitig gemacht wird. Sie lassen keine „fremden Truppen“ auf ihr Terrain. Die Apotheker sollten sich aus ärztlichen Themen heraus halten, das ist bei uns Konsens. Sonst holen wir uns das Dispensationsrecht.
ADHOC: War das ABDA/KBV-Modell für die Ärzte nur ein politisches Spiel?
LIPP: Ich kann nicht beurteilen, ob es der KBV-Spitze damit ernst war oder ob es von Anfang an ihr Ziel war, die Apotheker ins Leere laufen zu lassen. Die Basis der Ärzte war nie eingebunden und kann dem Modell in weiten Teilen bis heute nichts abgewinnen.
ADHOC: Haben die Apotheker die Ärzte vielleicht verschreckt?
LIPP: Das neue Apothekerbild, das Friedemann Schmidt propagiert, finde ich persönlich grundsätzlich gut. Ich habe auch nichts gegen ein gesundes Selbstbewusstsein der Apotheker. Ihre Praxis sieht aber leider oft anders aus: Eine Beratung findet durch sie faktisch nicht statt. Viele Apotheken verkommen zu Läden und die Apotheker reichen nur die Medikamente über den Tresen. Das ist übrigens eine Entwicklung, die auch viele Ärzte kritisch sehen.
ADHOC: Sie als niedergelassener Arzt haben also ein Interesse an „starken Apothekern“?
LIPP: Ich wünsche mir ein Medikationsmanagement und nehme deshalb an ARMIN in Sachsen teil. Ich erwarte, dass mir mein Apotheken-Partner Rückmeldung gibt und sagt, wenn ich „Stuss“ verordne: Was kann ich weglassen und was nicht? Aber die Apotheker müssen auch den Mut haben, Entscheidungen zu treffen. Die wenigsten sind dazu offensichtlich bereit und bieten uns Ärzten das an.
ADHOC: Vielleicht weil die Honorierung fehlt?
LIPP: Ärzte und Apotheker sind doch beide nicht arm. Wenn wir uns um Cent-Beträge prügeln, kann ich das nicht nachvollziehen. Bei einem ordentlichen Medikationsmanagement gewinnen beide Seiten. Bei ARMIN gibt es ja jeweils 93 Euro. Ich finde, das ist eine lohnende Investition, weil dadurch das Zehnfache im System eingespart wird.
ADHOC: Wenn die Zusammenarbeit beider Berufsgruppen nur Vorteile hat, warum stehen dann nur die Ärzte im Gesetz?
LIPP: Weil sie den direkten Patientenkontakt haben. Hier gibt es den geringsten Kommunikationsverlust. Zwischen den Ärzten und den Apothekern sieht das anders aus. Das ist ja schon unter uns Ärzten oft schwierig. Solange wir die elektronische Patientenakte nicht haben, sehe ich keine Möglichkeit, dass Informationen zuverlässig untereinander ausgetauscht und gemeinsam geprüft werden. Ohne die elektronische Patientenakte machen die Medikationspläne aus meiner Sicht keinen Sinn. Sobald es aber technisch möglich ist, dass beide die Pläne prüfen, sieht die Sache ganz anders aus. Wie gesagt: Ein Vier-Augen-Prinzip kann meiner Meinung nach nicht schaden.
ADHOC: Das heißt, die Apotheker können doch noch hoffen?
LIPP: Ich bin überzeugt, dass beim Medikationsmanagement das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Am Ende werden wir Ärzte einer Beteiligung der Apotheker zustimmen. Alles andere wäre aus meiner Sicht absurd. Sonst könnten wir die Apotheken gleich abschaffen.
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