Ärzte gegen Patientenverfügungsgesetz dpa, 23.06.2008 11:31 Uhr
Wenige Tage vor der Beratung im Bundestag hat die Bundesärztekammer ein Gesetz zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen abgelehnt. „Wir haben Klarheit - und diese wird durch ein Gesetz nicht noch klarer werden“, sagte Ärztepräsident Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe. Der Bundestag wird an diesem Donnerstag erstmals einen Gesetzentwurf erörtern, der grundsätzlich bindende Wirkung von Patientenverfügungen vorsieht. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) verteidigte die Vorlage. „Gerade Alte und Schwerstkranke müssen Gewissheit haben, dass ihnen einerseits medizinisch sinnvolle Maßnahmen nicht vorenthalten werden und sie andererseits keine Zwangsbehandlung dulden müssen.“
Ärztepräsident Hoppe sagte: „Patientenverfügungen sind verbindlich, wenn sie klar und eindeutig sind - und auch verbindlich, wenn der Arzt anderer Meinung ist.“ Voraussetzung sei, dass die Verfügung auf die Situation zutreffe, in der die Entscheidung zu einer Behandlung getroffen werden müsse, und sich der Patient aktuell - etwa weil er im Koma liegt - nicht äußern könne. Zudem dürfe nicht angenommen werden, der Patient habe seine Meinung geändert.
Hoppe verwies darauf, dass die Fälle zu unterschiedlich seien, um durch ein Gesetz erfasst werden zu können. „Jeder Mensch hat einen anderen Verlauf einer tödlichen Erkrankung. Jeder Mensch empfindet den Prozess der Erkrankung anders. Jede Arzt-Patienten-Beziehung ist unterschiedlich. Das durch ein Gesetz schablonenhaft zu regeln, ist nicht möglich.“ Als sinnvoll sieht Hoppe allenfalls eine Regelung zur Einschaltung der Vormundschaftsgerichte an.
Mit Patientenverfügungen können Menschen vorab festlegen, wie sie im Fall einer schweren Erkrankung medizinisch behandelt werden wollen, wenn sie zum Beispiel im Koma liegen. Dem Parlament liegt ein Gesetzentwurf des SPD-Politikers Joachim Stünker vor, der auf einem ähnlichen Vorstoß des Justizministeriums aus dem Jahr 2005 beruht. Mehr als 200 Abgeordnete unterstützen die Initiative. Es ist aber mit weiteren fraktionsübergreifenden Vorstößen zu rechnen.
Dabei gehen die Meinungen auseinander, ob die Verfügungen stets maßgeblich für die Behandlungen sein sollen. In der Politik wird bereits seit fünf Jahren über diese Frage debattiert. In der „Welt am Sonntag“ wies Zypries Überlegungen des CDU- Politikers Wolfgang Bosbach oder ihres SPD-Kollegen René Röspel zurück, die für eine Begrenzung von Verfügungen in Fällen plädieren, die nicht unumkehrbar zum Tode führen. Mit einer solchen Regelung würde der Staat dem Bürger sein Selbstbestimmungsrecht aberkennen, sagte sie. „Das geht schon verfassungsrechtlich nicht.“