Deutschlands Kassenärzte fordern als Konsequenz aus der SPD-Forderung zur „Zwei-Klassen-Medizin“ ein Ende der bestehenden Kostendeckelung bei ihrem Honorar.
„Wenn es das Ziel von uns allen ist, die Versorgung nach dem Bedarf auszurichten, gilt es, eine entscheidende Prämisse unbedingt zu verändern: Der Weg der Budgetierung von Leistungen muss verlassen werden“, sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen.
Die SPD fordert, dass sich die Versorgung nach dem Bedarf der Patienten richtet. Deshalb will sie die „Fehlanreize“ durch die heutigen Arzthonorare angehen. Gassen betonte, der Bedarf nach medizinischen Leistungen werde steigen. Die Budgetierung sei eine veraltete Idee der 90er Jahre gegen Ausweitungen von Leistungen.
70,4 Prozent der Einnahme der Arztpraxen entfielen zuletzt auf Kassen-, 26,3 Prozent aus Privatabrechnungen. Zuletzt waren 86,2
Prozent der Bevölkerung gesetzlich, 10,6 Prozent privat versichert. „Ein Arzt löst mit vergleichbarer Leistung bei einem Privatversicherten das zweieinhalb- bis dreifache des Honorars im Vergleich zu einem gesetzlich Versicherten aus“, sagt der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem. Bei Laborärzten sei es mehr als das Fünffache, bei Psychiatern weniger als das Doppelte.
Im Zusammenhang mit einer etwaigen Bürgerversicherung hatte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach das Ärztehonorar vergangenes Jahr ins Spiel gebracht. Auch ohne komplette Angleichung von privater und gesetzlicher Krankenversicherung (PKV und GKV) könnten seine Vorstellungen für die Ärztehonorare theoretisch umgesetzt werden: Ein neues, einheitliches Honorarsystem; das gleiche Einkommen für den Arzt für jeden Patienten, egal ob gesetzlich oder privat; dabei keine Honorarkürzungen für die Ärzte – als Folge keine Bevorzugung von Privatpatienten mehr.
Laut PKV-Institut würden einheitliche Preise Praxen, Kliniken, Hebammen und Physiotherapeuten einen Verlust von 12,6 Milliarden Euro pro Jahr bringen – pro Arztpraxis über 50.000 Euro pro Jahr. Soll ihnen kein Geld verloren gehen, müssten 12,6 Milliarden Euro von der GKV mehr fließen – der Beitragssatz müsse um einen Prozentpunkt steigen. Für einen Durchschnittsverdiener wären das pro Jahr über 440 Euro mehr Beitrag.
Der Kieler Gesundheitsökonom Thomas Drabinski geht allein für die Ärzte von GKV-Mehrausgaben von 8,45 Milliarden Euro und einem Beitragsanstieg um 0,6 Punkte aus. Wasem hat errechnet, was die Ärzte weniger bekommen würden, würden alle PKV-Leistungen, die es auch in der GKV gibt, nach GKV-Satz abgerechnet: 4,5 bis 5 Milliarden – um das auszugleichen, bräuchte es um rund 0,4 Punkte höhere Beiträge.
Angesichts des in der Vergangenheit oft deutlichen Einflusses der PKV auf die Politik ist eine Grundsatzreform bei den Arzthonoraren nicht unbedingt wahrscheinlich – zumal die Union eine Bürgerversicherung bereits abgelehnt hatte. Aber auch für das als nur schwer reformierbar geltende Gesundheitswesen hat es immer wieder größere Änderungen gegeben. Wasem führt etwa die Einführung der Finanzierung von Klinikbehandlungen nach Diagnosegruppen (DRG) an – oder Arznei-Prüfregeln nach tatsächlichem Nutzen per Gesetz (Amnog).
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