Ärzte: Biosimilar-Beratung durch Apotheker reicht nicht Tobias Lau, 11.09.2019 13:49 Uhr
Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) kritisiert den ab 2022 erlaubten Austausch von Biosimilars durch Apotheker. Patienten müssten bei der Umstellung von einem auf ein anderes Biosimilar ausführlich beraten werden, erklärte der Vorsitzende Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig am Dienstag. Ärzte könnten das leisten, Apotheker nicht. Er befürchte deshalb Nocebo-Effekte, so Ludwig.
Weil Biosimilars wie auch Generika zur Kostensenkung im Gesundheitswesen beitragen sollen, enthält das kürzlich in Kraft getretene Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) einen Passus, der deren Austauschbarkeit ermöglichen soll – doch nicht gleich, sondern in frühestens drei Jahren. Denn bevor bei einem biotechnologisch hergestellten Arzneimittel eine Aut-idem-Regelung auf Apothekenebene Anwendung finden kann, soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) klären, ob das im jeweiligen Fall möglich ist. Er wurde verpflichtet, „für die ärztliche Verordnung unverzüglich Hinweise zur Austauschbarkeit von Darreichungsformen und von im Wesentlichen gleichen biologischen Arzneimitteln [...] unter Berücksichtigung ihrer therapeutischen Vergleichbarkeit“ abzugeben.
Damit scheint der Fall eigentlich klar: Der G-BA bestätigt, dass ein Originalpräparat durch ein Biosimilar ausgetauscht werden kann, der Apotheker kann es austauschen. Ludwig kritisiert diese Regelung als Risiko für die Patienten: Wenn nicht mehr der Arzt den Wechsel verordnet, sondern der Apotheker den selbstständig bestimmen darf, könne das zu Nocebo-Effekten führen. Diese sind das Gegenstück zu Placebo-Effekten: Aufgrund einer negativen Erwartungshaltung des Patienten treten bei der Anwendung eines Arzneimittels unerwünschte Nebenwirkungen auf, die nicht durch das Arzneimittel selbst verursacht werden.
„Wenn ein Patient vom Original auf ein Biosimilar umgestellt werden soll, braucht es eine zeitaufwendige Beratung, damit der Patient über die vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit des Biosimilars informiert wird und der neuen Therapie vertraut“, so Ludwig am Dienstag bei einer Veranstaltung des Interessenverbandes Pro Biosimilars. „Vertraut er dem neuen Präparat jedoch nicht, kann es sein, dass es nicht wirkt und der Patient die Behandlung abbricht.“ Es gebe Studien, die eindeutig auf Nocebo-Effekte hinweisen, so Ludwig. „Aber wir haben keine Studien, die überzeugend belegen, dass die automatische Substitution stattfinden kann, ohne dass der therapeutische Nutzen für den Patienten beeinträchtigt wird.“ Der entsprechende Passus im Gesetz schaffe durch die Aut-idem-Regelung zwar Einsparungen in Millionenhöhe, gefährde aber die Arzneimitteltherapiesicherheit. Es handele sich deshalb um eine „nicht ausreichend durchdachte Maßnahme im GSAV“.
Die Studienlage gebe es nicht her, den Austausch dem Apotheker anzuvertrauen: Es gebe keine wissenschaftlichen Belege für eine erfolgreiche Therapieumstellung durch Apotheker. Denn alle Studien, die die Umstellung von Biosimilars beleuchteten, seien mit Ärzten durchgeführt worden. Außerdem sprächen unsere Nachbarländer gegen die Austauschbarkeit durch Apotheker: In keinem anderen EU-Land sei sie explizit erlaubt, zitiert ihn die Ärzte Zeitung.
Das ist allerdings nicht ganz richtig, wie AkdÄ und Bundesärztekammer in ihrer Stellungnahme zum GSAV vom Dezember 2018 selbst schreibt: Möglich ist die Substitution in Frankreich, Polen, den Niederlanden, Estland und Lettland. „Frankreich war das erste europäische Land, das die Substitution von Biosimilars ausdrücklich zugelassen hat“, so die Ärzte. Sie darf erfolgen, wenn der Verordner das Arzneimittel für einen therapienaiven Patienten nicht als „nicht substituierbar“ gekennzeichnet hat. Ein zweites mal darf dann allerdings nicht substituiert werden.
Die AkdÄ hatte sich gemeinsam mit der Bundesärztekammer bereits im Gesetzgebungsprozess Ende vergangenen Jahres gegen die Aut-idem-Regelung für Biosimilars ausgesprochen. BÄK und AkdÄ gehen demnach davon aus, dass eine automatische Substitution für Referenzarzneimittel und Biosimilars relativ schnell zu einer ähnlichen Versorgungssituation führen würde, wie sie bereits seit Jahren im Generika-Bereich existiert. Rabattvereinbarungen und die damit verbundene Substitutitonspflicht für die Apotheker würden dazu führen, dass „die gesetzlichen Krankenkassen und nicht mehr die Angehörigen der Heilberufe die Entscheidung treffen, welches Biosimilar die Patienten bekommen“.