Anders als Apotheken und Pharmahersteller will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Praxen und Kliniken bei seinem Spargesetz verschonen. Doch bei den Ärzten schlagen Alarm – und rechnen vor, was sie die geplante Umstellung bei Neupatienten kosten würde: 400 Millionen Euro.
„Irritiert und alarmiert“ reagierte der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf die Vorstellung der Eckpunkte, nach denen die 2019 im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) vorgesehenen höheren Vergütungen ersatzlos gestrichen werden, mit denen die niedergelassenen Ärzte Termine für neue Patienten schaffen sollten.
„Es kann und darf nicht sein, dass am Ende das enorme Engagement der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte bestraft wird, Neupatienten zusätzliche Termine anzubieten, so wie es die Politik auch gewollt hatte. Das Vorhaben stellt sich für die Versicherten, die einen Termin erhalten wollen, auch als echte Leistungskürzung dar. Das Vertrauen der Ärzteschaft in die Politik wird damit ein weiteres Mal erschüttert“, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen.
„Es stellt sich die Frage, wie zuverlässig politische und gesetzliche Zusagen sowie Aufträge letztlich sind angesichts einer offenbar immer kürzer werdenden Halbwertszeit“, erklärte der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stephan Hofmeister.
Der Vorstandsvorsitzende des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi), Dr. Dominik von Stillfried, lieferte prompt Zahlen: „Nach unseren Berechnungen laufen die gestern vorgestellten Pläne des Ministers auf eine Kürzung des Budgets für die medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten um 400 Millionen Euro hinaus. Das entspricht dem vollständigen Leistungsbudget von rund 1650 niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten beziehungsweise Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.“
Für die vielen Patientinnen und Patienten, die sich oftmals händeringend um Termine bei Haus-und Fachärzten bemühten, sei es eine echte Leistungskürzung. „Es dürfte in der Folge nicht einfacher werden, mit einem akuten Behandlungsanliegen schnell einen Termin in einer Praxis zu erhalten, in der man bisher nicht schon in Behandlung war.“
Eine Streichung der TSVG-Neupatientenregelung würde auch den Reformplänen der Bundesregierung daher inhaltlich völlig zuwiderlaufen, so der Zi-Vorsitzende; Das Ziel, die Notaufnahmen um Akutpatientinnen und -patienten zu entlasten, würde ebenso konterkariert, wie die im Koalitionsvertrag verankerte Absicht, die medizinische Versorgung verstärkt zu ambulantisieren. „Vielmehr wird zu erwarten sein, dass sich Patientinnen und Patienten dann wieder vermehrt auch mit solchen Belangen an Kliniken wenden, die aus medizinischer Sicht einer Krankenhausbehandlung nicht bedürfen und dort knappe Ressourcen beanspruchen. Das ist Reformpolitik ad absurdum geführt.“
Die Ausgaben der Krankenkassen für die ärztliche Versorgung seien 2021 nur unterdurchschnittlich angestiegen. Die Kassen hätten sogar ein positives Finanzergebnis erzielt, wenn man den Abbau der Liquiditätsreserve zugunsten des Gesundheitsfonds ausklammere. „Auch der Gesundheitsfonds hat 2021 mit einem positiven Finanzergebnis von 1,4 Milliarden Euro abgeschlossen.“
Für 2023 erwarte der Schätzerkreis eine Ausgabenplus von 4,5 Prozent. Die Steuerschätzung der Bundesregierung gehe von einer Steigerung des Steueraufkommens gegenüber dem Vorjahr von 6,7 Prozent aus, wobei die geschätzte Steigerung des Lohnsteueraufkommens – als Indikator für die Weiterentwicklung der GKV-Einnahmenbasis – rund 8 Prozent betrage. Die Streichung von Anteilen des Versorgungsbudgets sei daher mit Blick auf Indikatoren der Wirtschaftslage der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nachzuvollziehen.
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