Kommentar

Der Arzt als Notdienstapotheker

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Berlin -

In Baden-Württemberg haben die Ärzte ihren Notdienst zentralisiert und damit ausgedünnt. Jetzt wollen sie in der Nacht und am Wochenende Medikamente abgeben, um den Patienten zusätzliche Wege zu ersparen. Die gesetzliche Vorgabe, dass sich Ärzte und Apotheker besser abstimmen sollen, wird schon zur Farce, bevor sie überhaupt verabschiedet ist. Im Zusammenspiel der Heilberufler sind die Pharmazeuten aus Sicht der Mediziner allenfalls Juniorpartner.

Laut Referentenentwurf zum GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) sollen sich Ärzte und Apotheker austauschen, um die Versorgung der Versicherten außerhalb der regulären Öffnungszeiten zu verbessern. Die Notdienste sollen besser koordiniert werden, auch um den Weg zur Apotheke kurz zu halten.

Doch offenbar haben die Ärzte gar kein Interesse am Notdienst als Gemeinwohlaufgabe. Schwerpunktpraxen, die nachts immer geöffnet sind, mögen Vorteile haben. Der Stärkung des Berufsbilds dienen sie nicht. Das gilt umso mehr, wenn sie überwiegend an Kliniken übertragen werden.

Hier liegt der eigentliche Unterschied: Ärzte haben es nicht nötig, sich aus ethischen beziehungsweise strategischen Gründen die Nacht um die Ohren zu schlagen. Viele Patienten gehen außerhalb der Sprechzeiten ohnehin direkt ins Krankenhaus – wer als Arzt seine Praxis nicht gerade in der Nähe einer Klinik hat, braucht tagsüber auch nach dem geplanten Fall der Sektorengrenze keine Konkurrenz zu fürchten.

Apotheker müssen sich dagegen immer rechtfertigen. Nur wer Allrounder für die Versorgung ist, hat eine Existenzberechtigung und verdient Privilegien wie das Fremd- und Mehrbesitzverbot. Die Politik muss aufpassen, den Argumenten der Ärzte nicht auf den Leim zu gehen: Was heute für die Patienten bequemer zu sein scheint, kann aus Versorgungsaspekten schon morgen falsch sein.

Nicht die Apotheker haben in Baden-Württemberg die Versorgung ausgedünnt – sondern die Ärzte. Und deren Logik ist genauso falsch wie gefährlich: Wenn Patienten weitere Wege zum Arzt – oder besser: zur Klinik! – haben, soll ihnen wenigstens der Gang zur Apotheke erspart werden. Wer sich dann noch selbst helfen will, der hat Pech gehabt: Ohne Arzt keine Apotheke keine Selbstmedikation im Notdienst – es sei denn, die Klinikapotheke wird in den dispensierenden Notdienst gleich mit eingebunden.

Ohnehin kann der Deckmantel des kurzen Wege nicht verhüllen, dass die Ärzte den Apothekern Kompetenzen streitig machen wollen: Wer nachts Medikamente abgibt, will dies auch tagsüber tun. Auch in der Schweiz fing der Ärger mit Zur Rose in entlegenen Tälern an. Aus gutem Grund gilt hierzulande seit Jahrhunderten: Wer verschreibt, soll nicht an der Abgabe verdienen.

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