ADKA: Stationsapotheker unerlässlich APOTHEKE ADHOC, 15.08.2017 14:39 Uhr
Mit „Pappkameraden“ wurde in der vergangegen Woche in Hannover gegen die verpflichtende Beschäftigung von Stationsapothekern demonstriert. Nun meldet sich die ADKA (Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker) zu Wort und hält im Gegensatz zur niedersächsischen Krankenhausgesellschaft die verpflichtende Einführung des Stationsapothekers zur Verbesserung der Patientensicherheit im Krankenhaus für unerlässlich.
„Das Gewinnstreben der Krankenhäuser darf nicht zu Lasten der Patienten gehen“, so die ADKA. „Das Krankenhaus hat die Pflicht, den Patienten die beste Behandlung und Pflege zukommen zu lassen. Nirgendwo in Europa gibt es so wenig Apotheker in Krankenhäusern wie in Deutschland!“
In Deutschland gibt es etwa 50.000 Apotheker, nur etwa 2000 sind in den Krankenhäusern angestellt. Während in Großbritannien im Durchschnitt 4,4 Apotheker pro 100 Betten im Krankenhaus beschäftigt sind, sind es hierzulande weniger als 0,4. Die verbindliche flächendeckende Einführung von Stationsapothekern sei selbst in der geplanten Übergangszeit objektiv nicht umsetzbar, so Helge Engelke, Verbandsdirektor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG). Die ADKA hält dagegen – jährlich schließen 1600 Pharmazeuten das Studium erfolgreich ab, zudem gebe es 50.000 aktive Apotheker. In drei Jahren 180 Apotheker wären nicht einmal 4 Prozent der Studienabgänger, die ein extrem hohes Interesse an klinikscher Pharmazie haben, teilte die ADKA mit.
Nach den Pflegemorden in Delmenhorst ist die Einführung des Stationsapothekers ein längst überfälliger Schritt zum Schutz der Patienten im Krankenhaus – übrigens nicht nur für Niedersachsen.
„Der Hochrisikoprozess der Arzneimitteltherapie im Krankenhaus bedarf als Fachmann den Krankenhausapotheker auf Station“, so die ADKA. Diese Forderung als aktiver Patientenschutz steht auch in den European Statements of Hospital Pharmacy, die einen breiten Konsens von Patienten über Pflegende, Ärzte und Apotheker darstellt.
Der geplante Gesetzentwurf sieht vor, dass zukünftige Stationsapotheker im Wesentlichen zu Fragen der Arzneimitteltherapie bei Aufnahme und Entlassung, der Anwendung und des Verbrauchs von Arzneimitteln und apothekenpflichtigen Medizinprodukten sowie der Einhaltung der arzneimittelrechtlichen Bestimmungen beraten. Stationsapotheker sollen die Weiterbildung zum „Fachapotheker für Klinische Pharmazie absolviert haben“.
Der Einsatz von Stationsapothekern kann zwar auch aus Sicht der Krankenhäuser die Arzneimitteltherapie-Sicherheit erhöhen und ist ein Instrument zur strukturellen Verbesserung der medizinischen Versorgung. Die mit dem NKHG in den Vordergrund gestellte Erhöhung der Patientensicherheit werde durch dieses Instrument hingegen nicht erreicht, so die NKG. „Die Überwachung des Medikamentenverbraucsh gehört keinesfalls zu den Aufgaben des Stationsapothekers“, betonte Engelke gegenüber APOTHEKE ADHOC. Man schicke einen hochqualifizierten Pharmazeuten doch nicht zum „Pillenzählen“.
Innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des geplanten Gesetzes ist in jedem Krankenhaus in Niedersachsen sicherzustellen, dass die Krankenhausapotheke in hinreichendem Verhältnis zur Anzahl der Betten Stationsapotheker als präsente Beratungsperson auf den Stationen und in den Funktionsbereichen einsetzt. Konkret: Pro 300 Betten soll es zukünftig mindestens einen Stationsapotheker geben.
Aus den Erfahrungen der europäischen Nachbarländer gilt es hier ebenso zu lernen wie aus anderen Risikoprozessen, nur präventiv lassen sich Schäden vermeiden und Risiken minimieren. „Nach dem Unfall braucht man keinen Sicherheitsgurt mehr anlegen! Daher unterstützt die ADKA als Vertretung der deutschen Krankenhausapotheker nachdrücklich die Gesetzesinitiative, die in Niedersachsen nur beispielhaft die Entwicklung für Deutschland voranbringen soll.“
Mit der Novellierung des Landeskrankenhausgesetzes zieht Niedersachsen Konsequenzen aus der Mordserie des Krankenpflegers Niels H. Er hatte an den Kliniken Oldenburg und Delmenhorst Patienten mitunter das nicht indizierte Medikament Gilurytmal mit dem Wirkstoff Ajmalin gespritzt und so lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen bis hin zum Kammerflimmern provoziert, um sie dann „heldenhaft“ zu reanimieren. Viele überlebten jedoch nicht.
Das Landgericht Oldenburg hatte den ehemaligen Krankenpfleger im Februar 2015 in fünf Fällen unter anderem wegen Mordes verurteilt. Vor Gericht hatte der heute 40-Jährige 90 Taten gestanden. Derzeit überprüfen die Ermittler sogar über 200 Verdachtsfälle in Delmenhorst und Oldenburg.