Adexa warnt Spahn vorm E-Rezept APOTHEKE ADHOC, 19.11.2020 18:11 Uhr
Adexa warnt davor, dass die Einführung des E-Rezepts das System der Vor-Ort-Apotheken schwächen könnte. In einem offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisiert sie, dass durch die Beteiligung der Zur-Rose-Tochter eHealth-Tec an der Entwicklung des E-Rezept-Fachdienstes innerhalb der Telematikinfrastruktur (TI) „massive Interessenkonflikte vorprogrammiert“ seien.
Die Adexa blickt „mit großer Sorge auf die aktuellen Entwicklungen im Apothekenbereich“ – das teilte sie Spahn am Donnerstag in einem offenen Brief mit. Aus Sicht der berufspolitischen Interessenvertretung der rund 146.000 Apothekenangestellten in Deutschland zeichnen sich demnach zwei Problemfelder ab – nämlich „ein bestehendes und ein neues“: einerseits die ungleichen Wettbewerbsbedingungen von ausländischen Versendern und inländischen Apotheken, andererseits Verwerfungen durch die Einführung des E-Rezepts.
Mit dem VOASG werde die regulatorische Unwucht zu Ungunsten der Vor-Ort-Apotheken zwar verringert, aber keineswegs behoben – denn Gleichpreisigkeit ist nur für die GKV vorgesehen. „Und in Bezug auf künftige Verbesserungen beim Verbraucherschutz wie den Temperaturkontrollen von Arzneimitteln durch den Versandhandel ist nicht geregelt, wie und von wem dies kontrolliert werden soll.“ Tatsächlich zeigen sich auch die großen Versender bisher entspannt angesichts der neuen Vorschriften: „Die im EAMSP organisierten Versandapotheken haben die dafür notwendigen operativen Maßnahmen bereits seit Jahren umgesetzt und erfüllen die gesetzlichen Anforderungen“, erklärte erst kürzlich DocMorris-CEO Olaf Heinrich, der auch Vorsitzender des europäischen Versandapothekenverbands EAMSP ist. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir diesen Anforderungen heute und auch in Zukunft voll und ganz gerecht werden“, gab sich auch Shop-Apotheke-CEO Stefan Feltens entspannt. „Wir gehen davon aus, dass das keinen oder nur einen marginalen Einfluss auf unser operatives Geschäft haben wird.“
Mindestens genauso grundlegend ist jedoch die zweite Sorge der Adexa: „Mit der Einführung des E-Rezeptes droht die sinnvolle Trennung von Verordnung und Rezeptbelieferung aufzuweichen – und wirtschaftliche Interessen gefährden die freie Wahl der Apotheke.“ So werde der Einfluss der ausländischen Versender wird noch weiter gestärkt, die wirtschaftliche Lage von unabhängigen Vor-Ort-Apotheken hingegen geschwächt – „und damit die Versorgung der Patient*innen sowie heimische Arbeits- und Ausbildungsplätze!“ Wenn darüber hinaus bei der Telematik-Struktur des E-Rezeptes eine Tochter des Schweizer DocMorris-Mutterkonzerns Zur Rose Group den zentralen E-Rezept-Dienst mit ausgestaltet, „sind aus unserer Sicht massive Interessenskonflikte vorprogrammiert“, so die Adexa.
Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken hatte diese Kritik am Donnerstag zurückgewiesen. „Ich kann verstehen, dass in der Apothekenbranche gerade große Aufregung herrscht, aber die ist nicht berechtigt. Die Rolle von eHealth-Tec wird deutlich überschätzt“, so Leyck Dieken – unter anderem, weil der Auftrag nicht eHealth-Tec vergeben worden sei, sondern an IBM Deutschland. Die Zur-Rose-Tochter sei nur eines von mehreren Subunternehmen ohne Betriebsverantwortung, die vor allem technische Unterstützung leisten und keinerlei Gewerke aus anderen E-Rezept-Projekten ein. „Die Vorstellung, dass Zur Rose da etwas einbringt oder herüberzieht, ist also nicht zutreffend.“
Die Adexa fordert von Spahn, ausländischen Versendern weniger Einfluss auf die Arzneimittelversorgung zu gewähren. Der Minister habe zwar die Leistungen der Präsenzapotheken in der Pandemie gelobt. „Dieses Lob erscheint den Apothekenangestellten allerdings vor dem Hintergrund Ihrer Gesetzesvorhaben und der Realität des Gesundheitsmarktes kaum glaubwürdig“, so die Adexa. Spahn solle deshalb dafür sorgen, dass die Arzneimittelversorgung nicht von ausländischen Großkonzernen abhängig wird, „sondern weiter in der Hand von den heimischen Apothekenteams liegt, die hier ihre Steuern zahlen! Die der hiesigen Aufsicht unterliegen! Die sich als Heilberufler*innen verstehen! Und die nicht Gewinnmaximierung als oberstes Ziel ansehen!“
Die Gematik hatte am Montag bekanntgegeben, dass sie den Zuschlag für den Aufbau des E-Rezept-Fachdienstes an IBM Deutschland vergeben hat. Die Deutschlandtochter des US-Konzerns arbeitet dabei mit mehreren Vertragspartnern zusammen, darunter eHealth-Tec. Mehreren deutschen Bewerbern wurde eine Absage erteilt, darunter Optica, eine Tochter von Dr. Güldener, sowie Noventi und der Bertelsmann-Tochter Arvato. Auch Noventi stimmte deshalb in die Kritik an der Vergabe ein: „Wir sind über diese Vergabe an international gesteuerte Konzerne sehr irritiert und enttäuscht, weil damit die bewährten deutschen Leistungserbringer zukünftig nur noch eine wesentlich reduziertere Rolle spielen und damit der bisher so hohe Standard der deutschen Gesundheitsversorgung großen Veränderungen unterliegen wird und möglicherweise nicht mehr gewährleistet werden kann“, erklärte Vorstandschef Dr. Hermann Sommer.