Einstieg in Apothekenketten

Adexa fürchtet „Hauen und Stechen“ im Apothekenteam Nadine Tröbitscher, 14.06.2024 11:19 Uhr

Die „Apothekenreform“ ist ein Schlag ins Gesicht für die Apothekenangestellten, so May. Foto: Adexa
Berlin - 

Eine Reform im Apothekenwesen ist nötig, um die Arzneimittelversorgung auch in Zukunft sicherzustellen. Doch die Pläne aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) werden dies nicht erreichen, findet Adexa-Bundesvorstand Andreas May. Im Gegenteil: „Die Vor-Ort-Apotheken verdursten am ausgestreckten Arm von Minister und Krankenkassen – und werden dabei auch noch mit Herablassung behandelt und mit falschen Versprechungen vertröstet.“

Die Apothekenreform sei ein Schlag ins Gesicht für die Apothekenangestellten, so May. Die Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spielten die Apothekenberufe gegeneinander aus, PTA würden als billige „Ersatz-Filialapothekenleitungen“ verheizt und es entstünden „Zwei-Klassen-Apotheken“. Kurz um: Die Versorgungssicherheit werde gefährdet.

Dabei habe Lauterbach zum Antritt der Legislatur zugesagt, dass es keine Leistungskürzungen geben werde, auch wenn die finanzielle Lage angespannt sei. Doch genau das wird laut May passieren. Denn statt dass es Versorgungssicherheit, Wertschätzung für die Apotheke, verbesserte Löhne und Arbeitsbedingungen sowie weniger Bürokratisierung gebe, verdursteten die Apotheken vor Ort „am ausgestreckten Arm von Minister und Krankenkassen – und werden dabei auch noch mit Herablassung behandelt und mit falschen Versprechungen vertröstet“.

„Was sich ‚Honorar- und Strukturreform‘ nennt, ist bestenfalls ein Verschiebebahnhof“, so May. Mehr noch: „Im schlimmsten Fall ist es ein Einstieg in die Apothekenketten: mit ausgedünntem Personal, noch weniger Aufstiegschancen für Apotheker:innen – und mit einem vergifteten Angebot für die PTA, viel Verantwortung für wenig Geld in den Zweigapotheken zu übernehmen.“

Die Pläne seien zudem Gift für die Tarifverhandlungen. Höhere Gehälter für Apothekenangestellte ließen sich gar nicht mehr durchsetzen, wenn das ApoRG wie vorgelegt verabschiedet werde. May zeichnet ein düsteres Bild. „Dann wird es ein großes Hauen und Stechen um immer kleiner werdende Töpfe geben. Andere Branchen wie die Pharmaindustrie oder Verwaltung werden sich über neue hochqualifizierte Mitarbeitende freuen. Junge Apothekerinnen und Apotheker werden sich noch viel stärker überlegen, ob sie eine Selbstständigkeit wagen – wer könnte es ihnen verdenken?“

Positive Aspekte

Einige wenige positive Aspekte kann die Adexa dem Entwurf entnehmen. „Einige Maßnahmen gehen grundsätzlich in die richtige Richtung.“ Dazu gehört aus Sicht der Apothekengewerkschaft eine bessere Vergütung des Nacht- und Notdienstes. Dies stärke die Apotheken in der Fläche, die viele Notdienste leisteten. „Dass dieses Geld vorübergehend an anderer Stelle abgezweigt wird (nämlich bei den pharmazeutischen Dienstleistungen), geht kurzfristig in Ordnung.“ Allerdings sei dies mittel- und langfristig keine tragfähige Strategie für eine bessere Versorgung der alternden Bevölkerung. „Wie dies mit immer weniger Personal geleistet werden soll, erschließt sich mir nicht“, so May.

Als „vernünftigen Plan“ mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bezeichnet May die geplante Aufteilungsmöglichkeit der Filialleitung auf zwei Apotheker:innen.

Was fehlt dem Entwurf?

Unter anderem vermisst die Adexa ihren Vorschlag, das Festhonorar um 80 Cent pro verschreibungspflichtigem Arzneimittel zu erhöhen und das Geld in Personalkosten zu investieren. Die Berechnung der Personalzulage beruhte auf den Zahlen des Wirtschaftsberichts 2022; das Inflationsgeschehen wurde jedoch nicht berücksichtigt. Laut Berechnungen der Gewerkschaft ist für eine Lohnerhöhung in Höhe von 10 Prozent ein zusätzlicher Rohertrag von 33.200 Euro pro Apotheke nötig. Daraus ergeben sich zusätzliche Ausgaben in Höhe von rund 600 Millionen Euro, die durch den 80 Cent Zuschlag abgedeckt werden können.

Wie geht es weiter?

Im weiteren Gesetzgebungsprozess wird die Adexa die Argumente und Interessen der Angestellten mit Nachdruck vertreten. „Und wir werden unser Gesprächsangebot an den Minister erneuern, dass dieser mit Verweis auf den bisher fehlenden Referentenentwurf ausgeschlagen hatte.“

Appell an die Teams

Die Apothekenteams dürfen sich nicht auseinanderdividieren, nicht spalten lassen, appelliert May. „Nur eine gemeinsame Linie kann jetzt helfen, damit die versprochene Reform nicht die tragenden Elemente aus der Struktur schwächt oder gar ganz herauszieht. Denn was Deutschland braucht, ist eine echte Stärkung für das Apothekensystem und die flächendeckende Arzneimittelversorgung!“

PTA können und wollen nicht vertreten

May hatte zum Tag der Apotheke klargestellt: „Die PTA sind nach ihrer jetzigen Ausbildung weder in der Lage noch willens, eine Arzneimittelabgabestelle zu leiten – ich will in diesem Zusammenhang bewusst nicht von Apotheke sprechen.“ Dabei wäre die Vertretung durch PTA für ihn prinzipiell vorstellbar, wenn mit der PTA-Reform die Chance nicht vertan worden wäre. Doch Lauterbach hält am Vorhaben Apotheke ohne Apotheker fest – ohne die PTA-Ausbildung entsprechend anzupassen.

Aus Sicht von May ist der Vorschlag aus dem BMG aus mehreren Gründen keine Lösung gegen das Apothekensterben. „Die Pläne von Minister Lauterbach für Arzneimittelabgabestellen ohne eine anwesende Apothekerin beziehungsweise einen Apotheker in Präsenz sind für die PTA, die das dann übernehmen sollen, nicht mehr als eine Mogelpackung: eine ihrer derzeitigen Ausbildung nicht angemessene Verantwortung – man denke zum Beispiel auch an die damit verbundenen Haftungsfragen“, so der Chef der Gewerkschaft.