Eigentlich war AdAM bereits in Vergessenheit geraten. 2016 hatte die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe vom Innovationsfonds den Zuschlag für das Arzneimitteltherapiesicherheit-Projekt (AMTS) gemeinsam mit der Barmer erhalten. Mit ihrem aktuellen Arzneimittelreport rief die Barmer das Projekt wieder in Erinnerung – auch bei Apothekern, die sich darüber wundern, dass der Berufsstand der Pharmazeuten dabei keine Rolle spielt. Zwei Apothekerinnen, Franziska Lemmer und Dr. Susann Just, von der Albert Schweitzer Apotheke in Düsseldorf schrieben sich ihren Frust von der Seele.
In einem offenen Brief an Barmer-Chef Prof. Dr. Christoph Straub machten sie ihrem Unmut Luft: „Das gibt es doch gar nicht“, so Apothekerin Just zu APOTHEKE ADHOC, „mich hat überrascht, dass die Apotheker keine Rolle spielen“. In der Albert Schweitzer Apotheke lege man besonderen Wert auf AMTS und versuche aktuell dies in der Zusammenarbeit mit einem Pflegeheim auszubauen.
„Grundsätzlich halten wir es für genau richtig, an der Stelle des Arztes als Initiator der Therapie anzusetzen und präventiv gegen ungeeignete Verordnungen vorzugehen. Fehlervermeidung vor Fehlerkorrektur. Der zusätzliche Aufwand für die individuelle Medikationsanalyse wirft jedoch die Frage auf, ob das Studienmodell wie vorgestellt in der heutigen Praxis realistisch umsetzbar ist“, so Lemmer und Just an Straub. Der durchschnittliche Arztbesuch dauere in Deutschland circa 8 Minuten. Diese Zeit müssen schon jetzt für eine umfassende Anamnese, fundierte Diagnosestellung und Therapieentscheidung ausreichen. Sowohl die Datenerfassung, die Medikationsanalyse, ihre Auswertung als auch die Erfragung weiterer Arzneimittel und der Selbstmedikation, ihrer Dokumentation und Bewertung im Rahmen der bestehenden Therapie sollten nun noch zusätzlich in der knappen Zeit des Arztgespräches erfüllt werden.
„Zeitdruck und Weißkittel-Effekt sind zudem schlechte Ratgeber für das Erinnerungsvermögen eines Patienten“, so die beiden. Im letzten Jahr seien laut dem Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) etwa gleich viele Packungen apothekenpflichtiger Arzneimittel wie verschreibungspflichtiger Arzneimittel abgegeben worden. In einer bundesweiten Untersuchung sei bei etwa jedem fünften Selbstmedikationswunsch mindestens ein Arzneimittel bezogenes Problem (ABP) identifiziert worden.
AMTS sei keine Einbahnstraße, „sondern ein sich ständig wiederholender Kreislauf, in dem der Patient an verschiedenen Stellen von unterschiedlichen, untereinander kommunizierenden Fachkräften begleitet wird“. Mögliche individuelle Einnahmefehler bezogen auf den Zeitpunkt, die tatsächlich eingenommen Dosierung oder Anwendungsfehler bestimmter Darreichungsformen könnten weder automatisiert mit der Software noch allein durch den Hausarzt im zeitlich begrenzten Gespräch ermittelt werden.
Seit 2012, noch vor dem „Aktionsplan Arzneimitteltherapiesicherheit“ der Bundesregierung, sei das Thema AMTS beim „vergessenen Partner an Ihrer Seite“ hochaktuell. „Begonnen mit der Zertifizierung von AMTS-Apotheken in Westfalen Lippe, gefolgt vom Athina-Programm in Nordrhein und ARMIN in Thüringen, bieten mittlerweile fast alle Apothekenkammern ihren Mitgliedern AMTS-Fortbildungen an“, so Lemmer und Just. Sowohl die Beratungsleistung als auch das Medikationsmanagement seien gesetzlicher Auftrag des Apothekers. „Apotheker verpflichten sich also nicht nur aufgrund Ihres Berufsbildes, sondern sind auch gesetzlich und fachlich dazu befähigt, ABPs zu erkennen und zu beheben, Medikationsanalysen durchzuführen und ihre Beurteilung zur Entscheidungsfindung an den Arzt weiter zu geben.“
Die Zusammenarbeit von Arzt, Apotheker und Patient müsse effizienter und zielführender gestaltet werden, fordern die beiden: Jeder solle dazu den Beitrag leisten, den er am besten zu leisten im Stande sei. Der Arzt bei Anamnese, Diagnose und Therapieentscheidung, der Apotheker bei der Versorgung mit Arzneimitteln sowie der Beratung rund um ihre Anwendung, und der Patient mit dem Bewusstsein und der Befähigung, alles Gute für seine Gesundheit zu tun. „Daher appellieren wir an Sie, Herr Professor Straub, das vorhandene Wissen der Apotheker als Ressource zu nutzen, die Zusammenarbeit von Arzt und Apothekern zu fördern und gemeinsam die Arzneimitteltherapiesicherheit für den Patienten zu optimieren.“
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