Abrechnungsbetrug

Aufsicht will TK prüfen

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Berlin -

Mit seinen Manipulationsvorwürfen am Risikostrukturausgleich (RSA) zu Lasten der Beitragszahler hat der Vorsitzende der Techniker Krankenkasse (TK) einen Stein ins Rollen gebracht: Jetzt schaltete sich das Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsichtsbehörde ein. Zunächst will das BVA die TK prüfen. „Das Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) wird das Bundesversicherungsamt (BVA) zum Anlass nehmen, die Techniker Krankenkasse zur Stellungnahme zu ihrem eigenen Verhalten aufzufordern“, so die Aufsichtsbehörde gegenüber APOTHEKE ADHOC. Keinen Anlass sieht das BVA, den RSA insgesamt in Frage zu stellen.

Zu den Aufgaben von Ärzten gehöre es, Diagnosen richtig und vollständig aufzuschreiben. Wenn Ärzte von Krankenkassen dazu veranlasst würden, falsche Diagnosen zu dokumentieren, „ist dies nach Auffassung aller Aufsichtsbehörden rechtswidrig und zu unterbinden“, so das BVA. Aus diesem Grund gehe man allen Fällen nach, in denen ihm entsprechendes Fehlverhalten von dem seiner Aufsicht unterstehenden Krankenkassen bekannt wird. Die Aussage des TK-Chefs, dass flächendeckend manipuliert werde, „kann das BVA nicht bestätigen“.

Verständnis zeigt das BVA für das Interesse der Krankenkassen, dass Ärzte Diagnosen vollständig und richtig dokumentieren, da die Krankenkassen die entsprechenden Behandlungskosten tragen. Inwieweit die Krankenkassen die Ärzte bei der Dokumentation beraten dürfen und wie eine solche Beratung ausgestaltet sein dürfe, sei gesetzlich „nur zum Teil geregelt“. Die Aufsichtsbehörden tauschten sich regelmäßig zu den auftretenden Problemen aus.

Mögliche Manipulationen sind für das BVA kein Anlass, denn RSA in Frage zu stellen: Auf eine Reformbedürftigkeit des RSA zu schließen, sei falsch. „Der RSA , wie ihn das BVA seit 2009 durchführt, ist vielmehr das richtige Instrument, um Risiken wie Alter, Geschlecht und Krankheit der Versicherten auszugleichen“, so die Behörde.

TK-Chef Jens Baas hatte in der FAS eingeräumt: „Es ist ein Wettbewerb zwischen den Kassen darüber entstanden, wer es schafft, die Ärzte dazu zu bringen, für die Patienten möglichst viele Diagnosen zu dokumentieren.“ Dann gebe es mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich. Für all das hätten die Kassen seit 2014 eine Milliarde Euro ausgegeben, die für die Behandlung der Patienten fehle, sagte Baas. Der Risikostrukturausgleich (RSA) weist einer Kasse Geld aus dem Gesundheitsfonds zu je nach Schwere der Erkrankung der Versicherten. Viele Kassen fordern noch in dieser Legislaturperiode eine Finanzreform.

Der GKV-Spitzenverband äußerte sich vorsichtig: „Sowohl für die Honorarentwicklung der Ärzte als auch die Verteilung des Geldes aus dem Gesundheitsfonds sind die Diagnosen sehr wichtig.“ Wenn es bei der Kodierung zu Unstimmigkeiten kommen sollte, müsste dies durch die zuständigen Aufsichten geklärt werden.

Aus Sicht des Vorsitzenden des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, hat TK-Chef Baas den Finger in die richtige Wunde gelegt. Die Thematisierung des sogenannten „Up-Coding“ sei „wichtig und mutig“. Die von Baas angesprochenen „Manipulationen“ bei der Dokumentation von Diagnosen zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen im Rahmen des RSA müssten endlich offen und vorbehaltlos diskutiert werden. „Wenn wir uns – wie zum Beispiel im Zusammenhang mit der Notfallversorgung – über Instrumente intelligenter Patientensteuerung unterhalten, dann müssen endlich auch Fehlanreize wie Schummeleien beim Morbi-RSA auf den Tisch“, so Reinhardt.

Reinhardt appellierte an die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und den GKV-Spitzenverband, vorbehaltlos in einen offenen Dialog darüber zu treten, wie ein im Grundsatz sinnvolles Instrument wie der Morbi-RSA so eingesetzt werden kann, dass nicht durch Fehlanreize dessen ursprüngliche Intention ad absurdum geführt wird. Reinhardt: „Es ist deshalb höchste Zeit, dass alle Beteiligten die Schützengräben verlassen und das Thema mit offenem Visier diskutieren.“

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) fordert die Aufsichtsbehörden auf, „solchen Vorwürfen nachzugehen“. Die Aufsichtsbehörden der Sozialversicherungsträger hätten die angesprochene Thematik in ihrer letzten Arbeitstagung im Mai 2016 beraten. „Das BMG steht mit den Aufsichtsbehörden in regelmäßigem Kontakt“, so die Auskunft.

Kein Verständnis für die Aussagen seines Kollegen hat Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands: „Dieser Rundumschlag gegen Ärzte, Aufsichten und Krankenkassen vom Chef der größten gesetzlichen Krankenkasse erstaunt alle. Meint er wirklich, dass Ärzte für zehn Euro Zusatzhonorar massenhaft Diagnosen manipulieren und damit gegen den hippokratischen Eid verstoßen?“ Wo vernachlässigten Bund und Länder ihre Aufsichtspflichten und wie sei die Behauptung zu verstehen, die TK könnte ihren Beitragssatz noch einmal um 0,3 Prozentpunkte absenken, wenn es keine Manipulationen gäbe?

„Das alles bleibt Baas' Geheimnis und will nicht so recht zur größten deutschen Krankenkasse passen, die seit Jahren ein überdurchschnittliches Mitgliederwachstum verzeichnet, einen unterdurchschnittlichen Beitragssatz erhebt und zuletzt wieder 165 Millionen Euro Überschuss eingefahren hat“, so Litsch. In Wirklichkeit sei das alles nur eine vorgezogene „Halloween-Aktion“. Tatsächlich gehe es dem TK-Chef vor allem um die Diskreditierung des RSA und Verunsicherung auf breiter Front.

Das Ziel von TK-Chef Baas sei, die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds zum Vorteil seiner Kasse zu verändern und somit in Zukunft einen günstigeren Zusatzbeitragssatz im Krankenkassenwettbewerb anbieten zu können.

Die AOK setze sich seit Jahren für ein diskriminierungsfreies Gesundheitswesen und faire Wettbewerbsbedingungen ein. „Wir fordern schon seit langem, den RSA manipulationsresistenter zu machen und einheitliche Kodierrichtlinien in der ambulanten Versorgung einzuführen“, so der AOK-Bundesverband.

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