Apothekenbetriebsordnung

ABDA warnt vor Apotheken-Degenerierung Patrick Hollstein, 18.11.2011 14:27 Uhr aktualisiert am 14.12.2011 16:24 Uhr

Berlin - 

66 Seiten plus Anhänge hat die ABDA zum Referentenentwurf der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) an das Bundesgesundheitsministerium (BMG) geschickt. Die Stellungnahme spricht eine deutliche Sprache und warnt vor einer Degenerierung der Apotheken. Vor allem mit der „Privilegierung von Betriebsstätten in Filialverbünden sowie der weitgehenden Aufgabe wesentlicher Ausstattungserfordernisse der Apotheken“ ist man in der Jägerstraße überhaupt nicht einverstanden.

 

Die Möglichkeit für Inhaber von Filialverbünden, einzelne oder mehrere Betriebsstätten mit reduzierter Ausstattung und eingeschränktem Dienstleistungsspektrum zu betreiben, lehnt die ABDA ab. Die vorgesehenen Regelungen stünden offenkundig im Widerspruch zur lokalen Versorgungsaufgabe.

Die Apotheker werfen dem BMG vor, mit dem Entwurf „Betriebsgrößenvorteile abweichend vom lokalen Versorgungsauftrag zugunsten von Filialbetriebserlaubnisinhabern“ zu fördern. Im Extremfall würden ohne Not drei Viertel aller Apotheken in ihrer Leistungsfähigkeit zum Nachteil der Patienten eingeschränkt. Durch den größeren Gestaltungsspielraum drohten außerdem eine Zersplitterung der Rechtslage und eine Kostenbelastung für die Aufsichtsbehörden.

Um eine Bevorzugung von Filialverbünden zu vermeiden, sollen OHG-Gesellschafter außerdem verpflichtet werden, die Hauptapotheke persönlich zu leiten.

 

 

Was das Sortiment angeht, warnt die ABDA vor einer Aufnahme von Produkten ohne Gesundheitsbezug: „Nach der Vorstellung des Verordnungsgebers umfasst das Nebensortiment der Apotheken zukünftig nahezu den kompletten Drogeriemarktbedarf und würde uferlos werden.“ Stattdessen sollte am bisherigen Katalog festgehalten werden.

Auch die Definition apothekenüblicher Dienstleistungen ist laut ABDA zu weit gefasst und sollte enger „an die Qualifikation und den Erfahrungsschatz des Apothekers beziehungsweise die Inhalte der pharmazeutischen Ausbildung“ geknüpft werden. Ein Krankheitsbezug andererseits sei etwa bei Screening-Dienstleistungen nicht nötig. Die bloße Vermittlung nicht apothekenüblicher Dienstleistungen sollte explizit verboten werden.

Die ABDA ist auch dagegen, dass der Botendienst von der Ausnahme zur Regel wird. Auch mit Zulassung des Versandhandels habe der Gesetzgeber am idealtypischen Bild der Versorgung in der Apotheke festgehalten. Die Botenbelieferung sollte deshalb nicht „als dritte Regelversorgungsform“ etabliert werden, heißt es in der Stellungnahme.

Wie bei der Belieferung von Kliniken sollen auch bei der Heimversorgung und beim Versandhandel ausschließlich Mitarbeiter der Apotheke eingesetzt werden. Derzeit haben mehrere Versandapotheken ihren Geschäftsbetrieb in Teilen ausgelagert. Versandapotheken sollen wie Apotheken vor Ort verpflichtet werden, den Patienten eine Beratung in jedem Fall anzubieten.

 

 

Bei der wissenschaftlichen Literatur sollten mindestens Arzneibuch und der Deutsche Arzneimittel-Codex/Neues Rezeptur-Formularium verpflichtend in den Apotheken vorhanden sein. Ein Qualitätsmanagementsystem soll für alle pharmazeutischen Tätigkeiten gelten, die Zertifizierung aber nicht verpflichtend sein. Den Einsatz von nichtpharmazeutischem Personal bei Defektur, Verblisterung und Parenteraliaherstellung lehnt die ABDA ab.

Bei der Gestaltung der Offizin soll nicht nur der Eindruck einer Apotheke gewahrt sein; vielmehr soll für die Kernaufgaben explizit genug Raum bleiben. Die Formulierung im Referentenentwurf hält die ABDA für wenig justitiabel. Bei der Barrierefreiheit soll es aus verfassungsrechtlichen Gründen einen Bestandsschutz geben. Gefährlich findet die ABDA die Ausnahme von „Räumen, die zum Nachtdienst genutzt werden“ von der Raumeinheit: Schließlich solle keine „Nachtdienst-Offizin“ entstehen, sondern nur die Dienstbereitschaft in einem externen Nachtdienstzimmer möglich sein.

Bei den gelockerten Substitutionsregeln an Samstagen spricht sich die ABDA gegen eine Verschärfung aus. Bislang dürfen Apotheken ab 14 Uhr jede andere wirkstoffgleiche Arzneimittel derselben Packungsgröße und Darreichungsform abgeben, laut dem Referentenentwurf erst ab 20 Uhr. Diese Verschärfung sei gerade im ländlichen Gebiet nicht gerechtfertigt.

Auf der anderen Seite ist die ABDA dafür, dass die generelle Dienstbereitschaft für Apotheken erhalten bleibt. Nach dem Willen des BMG sollen die Apotheken künftig nur noch wochentags von 8 bis 18.30 Uhr und samstags bis 14 Uhr geöffnet haben und die Dienstbereitschaft darüber hinaus die Ausnahme bilden. Aus Sicht der ABDA wäre eine solche Umkehrung nicht praktikabel: Weil Apotheker gegen ihre Dienste verwaltungsrechtlich vorgehen könnten, wäre die flächendeckende Versorgung bis zu einer letztinstanzlichen Klärung gefährdet, so das Argument.

Für Rezeptsammelstellen fordert die ABDA eine generelle Genehmigungspflicht – auch wenn sie von Versandapotheken vertrieben werden. Die ABDA hatte dem BMG schon im Vorfeld der Stellungnahme zur ApBetrO dezidierte Pläne für eine Lösung des Pick-up-Problems geliefert.