ABDA unter Druck – Politischer Tiefschlag für Apotheker Lothar Klein, 30.11.2017 10:31 Uhr
Schlimmer hätte es kaum kommen können: Vor einem Jahr schockierte das Rx-Boni-Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) die Apothekerschaft. Jetzt versetzt das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in Auftrag gegebene Honorargutachten der ABDA einen politischen Tiefschlag, von dem sich die Apotheker womöglich noch schwerer erholen können. Die jetzt durchsickernden Zahlen bestätigen die weit verbreiteten Vorurteile über den angeblich wohlhabenden Berufsstand – das ist politischer Sprengstoff.
Auch wenn die ABDA offiziell immer noch keine Kenntnis vom 2hm-Gutachten zum Apothekenhonorar haben will – sie hat das Unheil kommen sehen. Bereits auf dem Deutschen Apothekertag in Düsseldorf Anfang September wurden dunkle Ahnungen kolportiert: Im Gutachten werde keineswegs zu lesen sein, dass das Apothekenhonorar zu niedrig bemessen sei. Das Teilwissen der ABDA kommt nicht von ungefähr. Schließlich sitzt die ABDA im vom BMWi zur Erarbeitung des Gutachtens gebildeten Beirat. Selbst wenn dort keine Details präsentiert worden sind, erfährt man schon, in welchen Richtung sich die Dinge entwickeln.
Aufmerksam registriert wurde in der Politik zudem, dass die Forderungen der ABDA nach einem Rx-Versandverbot seit Wochen nicht mehr so kraftvoll vorgetragen wurden wie noch im Wahlkampf. Bei einer Veranstaltung des Berliner „Tagesspiegels“ zu den gesundheitspolitischen Schwerpunkten der neuen Wahlperiode vermied es ABDA-Präsident Friedemann Schmidt penibel, das Rx-Versandverbot in den Mund zu nehmen. Stattdessen philosophierte er über die wachsende Bedeutung der EU. Das ließ aufhorchen.
Auch innerhalb der ABDA-Mitgliedsorgansationen machen seit Längerem Spekulationen die Runde: Wenn sich der Inhalt des 2hm-Gutachtens bestätige, dann reiche „eine Sechs vor dem Komma beim Apothekenhonorar aus“, heißt es dort verzweifelt. Nervosität breitete sich in den Regionen aus, während die ABDA offiziell schweigt.
Zuletzt preschte Gabriele-Regina Overwiening, Kammerpräsidentin von Westfalen-Lippe, mit einem eigenen Honorarmodell vor: Sie schlug vor, 50 Cent des Apothekenhonorars in einen Sozial- und Strukturtopf einzuzahlen und dann zur Sicherung der flächendeckenden Apothekenversorgung umzuverteilen. In der Politik wurde die Idee als Versuch interpretiert, das laut 2hm-Gutachten angeblich zu viel erhaltene Honorar zu retten und im eigenen Sektor umzuverteilen – immerhin ein Angebot.
Noch ist das Gutachten vom BMWi nicht abgenommen und die letzte Fassung nicht bekannt. Aber die politischen Folgen für die ABDA zeichnen sich ab: Forderungen nach zusätzlichen Honorarkomponenten wie Beratung und Medikationsmanagement dürften sich jetzt – wenn überhaupt – noch schwerer durchsetzen lassen. Auch Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gerät als vermeintlicher Apothekerfreund mit dem 2hm-Gutachten politisch unter Druck. Falls das BMG tatsächlich sehenden Auges die Honorarfrage hat treiben lassen, muss Gröhe sich der Kritik stellen, das Wirtschaftlichkeitsgebot missachtet zu haben. Zumindest gerät die letzte Honorarerhöhung von 100 Millionen Euro für Rezeptur- und BtM-Gebühren ins Blickfeld. Diese hätte nach der Logik des Gutachtens nicht gewährt werden dürfen.
Noch ist nicht erkennbar, wie die 2hm-Gutachter zur den Ansicht gelangten, dass die Apotheker jahrelang Milliardensummen zu viel als Honorar erhalten haben sollen. Möglicherweise bezieht sich die Rechnung auf die Konditionen und Rabatte des Großhandels. Dem Vernehmen nach hat die ABDA in der Vergangenheit in politischen Gesprächen immer darauf verwiesen, dass ein Teil des Großhandelshonorars den Apothekern gehört. Das könnte sich jetzt gegen sie richten.
Klar ist jedenfalls, spätestens mit der Veröffentlichung des Gutachtens werden die Krankenkassen aus der Deckung kommen. In den Führungsetagen gibt es dort ohnedies nur wenige Apothekenfreunde. Bald dürften von Kassenseite Forderungen nach Honorarkürzungen durch die Lande hallen. In den Verhandlungen über die neue Hilfstaxe werden die Kassen ebenfalls auf stur schalten.
Und auch mit Blick auf die sich abzeichnende neue bundespolitische Konstellation bei der Regierungsbildung muss sich die ABDA wappnen. Aller Voraussicht nach wird die SPD in irgendeiner Funktion eine tragende Rolle spielen. Dann könnte sich rächen, dass die ABDA im zurückliegenden Wahlkampf bundesweit gegen die SPD agitiert hat. Das haben viele SPD-Politiker nicht vergessen. Entsprechend gering dürfte dort die Neigung ausgeprägt sein, den Anliegen der Apotheker politisch entgegenzukommen.
ABDA-Präsident Schmidt steckt in einer vertrackten Position – in der vermutlich schwierigsten Lage seiner Amtszeit. Angeblich hat die ABDA ein Gegengutachten in den Schubladen liegen. Das müsste Punkt für Punkt das 2hm-Gutachten nachvollziehbar widerlegen, um aus der politischen Devise herauszukommen.