Anhörung

ABDA steht zu Grippeschutzimpfungen durch Apotheker

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Berlin -

In der gestrigen Anhörung zum Masernschutzgesetz ging es auch im die Modellprojekte zur Grippeschutzimpfung durch Apotheker und die Wiederholungsrezepte. Beide Themen hatte die Große Koalition per Änderungsantrag aus dem Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) ins Maserschutzgesetz gezogen. Nachträglich war auch die ABDA zur Anhörung eingeladen: Pharmazie-Geschäftsführerin Dr. Christiane Eckert-Lill verteidigte die Grippeschutzimpfungen durch Apotheker gegen die Angriffe aus der Ärzteschaft.

Auf eine entsprechende Frage wandte sich die Bundesärztekammer (BÄK) gegen die Möglichkeit, Schutzimpfungen durch Apotheker vornehmen zu lassen mit den bereits bekannten Argumenten: Geimpft werden müsse unter ärztlicher Aufsicht. In seltenen Fällen könne es zu Komplikationen kommen, die eine ärztliche Notfallversorgung nötig machten. Eine ärztliche Schulung reiche nicht aus, um andere Personengruppen zum eigenverantwortlichen Impfen zu befähigen.

Eckert-Lill verwies auf die Ziele des Europäischen Rates und riet dazu alle Maßnahmen auf den Prüfstand zu stellen, die die Impfquoten verbessern könnten. Vor diesem Hintergrund halte sie Modellvorhaben für Grippeschutzimpfungen durch Apotheker für sinnvoll.Man sei weit entfernt von den Zielen des Europäischen Rate bei älteren Menschen eine Impfquote von 75 Prozent zu erreiche. „Wir liegen im Bundesdurchschnitt derzeit bei etwa 50 Prozent. In Bayern und Baden-Württemberg haben eine Durchimpfungsquote von etwa 20 Prozent.“

Weltweit dürften Apotheker in mindestens 18 Ländern impfen. Neben der Grippe-Impfung könnten Apotheker in einzelnen Ländern unter anderem auch gegen Pneumokokken, HPV, MMR oder Hepatitis impfen. „Das ist schon eine ganze Palette, so weit möchte ich jetzt nicht gehen,“ sagte die ABDA-Vertreterin. In Frankreich seien in den letzten beiden Jahren in vier Testregionen über 900.000 Menschen in Apotheken gegen Grippe geimpft, in Großbritannien 1,3 Millionen und in Irland rund115.000 Menschen. Die Modellvorhaben seien daher sinnvoll und angemessen. Nachbesserungsbedarf sah Eckert-Lill bei der Anzahl der teilnehmden Apotheken. Um aussagefähige Ergebnisse zu erhalten, müsste mehr Apotheken teilnehmen können. Ein Vertreter der Ständigen Impfkommission (STIKO) unterstützte das Vorhaben ebenfalls. Es gehe um die „Absenkung der Hürden und damit der Impfhindernisse“. Mit dem Vorhaben würden „gezielte Maßnahmen“ eingeführt, um diese Hürden zu überwinden.

Die BÄK-Vertreterin gab zudem die Bedenken der Ärzte gegen die Wiederholungsrezepte zu Protokoll: Die Neuregeleung bringe keine Entlastung für die Ärzte, weil dadurch mehr und neue Medikationsfehler generiert werden könnten, wenn Chroniker für bis zu einem Jahr ihren Arzt nicht konsultieren müssten. Schließlich könnten während der Zeiträume Änderungen der Medikation nötig sein. Und auch durch die Selbstmedikation könnten „potenzielle Interaktionen, die nicht auffallen“ vorkommen.

Eckert-Lill wies darauf hin, dass laut Gesetzentwurf der Arzt auch in Zukunft darüber entscheiden soll, ob es überhaupt ein solches Wiederholungsrezept geben kann. „Der Arzt entscheidet, wie oft das Arzneimittel in der Apotheke abgeholt werden soll. Das heißt, ob ein Wiederholungsrezept ausgestellt werden soll und wie oft, verbleibt beim Arzt.“ Es gehe um eine Entlastung des Praxisbetriebs, „weil der Patient während der Gültigkeit des Wiederholungsrezeptes nur in Akutfällen den Arzt aufsuchen muss und er in der Zwischenzeit mit dem Apotheker einen Ansprechpartner hat, der ihm im Zweifelsfall dringend an den Arzt verweisen kann.“

Insgesamt befürworteten die geladenen Gesundheits- und Sozialexperten die Initiative der Bundesregierung im Kampf gegen Masern, sehen aber praktische und systematische Umsetzungsprobleme. Mit einer Impfpflicht für Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen will die Bundesregierung die Masern effektiver bekämpfen. Der Gesetzentwurf sieht einen verpflichtenden Impfschutz gegen die hochansteckende Virusinfektion in Kitas, Schulen und der Kindertagespflege vor. Vor der Aufnahme in solche Gemeinschaftseinrichtungen muss für alle Kinder künftig nachgewiesen werden, dass sie wirksam gegen Masern geimpft worden sind. Auch Mitarbeiter solcher Einrichtungen sowie medizinisches Personal müssen einen vollständigen Impfschutz nachweisen.

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände verwies auf die kommunale Relevanz der Novelle. Der Verband sprach von einem erheblichen Aufwand, nicht ermittelten Kosten und möglichen Auseinandersetzungen mit Interessengruppen, etwa impfunwilligen Eltern oder Mitarbeitern von Gemeinschaftseinrichtungen. Zu befürchten sei, dass die Last der Kontrollen und Konsequenzen bei der Einführung der Impfpflicht durch den öffentlichen Gesundheitsdienst zu schultern seien, erklärte der Kommunalverband. Zudem richte sich der Entwurf nur gegen Masern, obgleich ein Kombi-Präparat geimpft werde. Dies komme faktisch einer erweiterten Impfpflicht auch gegen Röteln und Mumps gleich. In der Anhörung hieß es, inzwischen gebe es im Ausland einen Markt für illegale deutsche Impfpässe.

Der Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) forderte „flankierende Maßnahmen“, um die Reformziele zu erreichen. Es werde ein Mehraufwand und zusätzlicher Personalbedarf in den Gesundheitsämtern entstehen. Der Ärzteverband sprach sich für ein besseres Impfmanagement, die Einführung eines elektronischen Impfausweises, die Möglichkeit der Abrechnung von Impfleistungen unabhängig von der Fachrichtung und eine verstärkte Impfberatung aus.

Begleitende Vorkehrungen verlangte auch die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Impftermine würden häufig vergessen, daher seien Erinnerungssysteme durch die Gesundheitsämter sinnvoll, ein digitaler Impfpass oder Vermerke in Impfpässen, wann die nächste Immunisierung fällig ist. Der Entwurf lasse zudem offen, wie mit Mitarbeitern umzugehen sei, die sich nicht impfen lassen wollten.

Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) erklärte, Impfungen gegen Windpocken und HPV seien ebenso wichtig wie gegen Masern und Grippe. Der Schlüssel zum Erfolg liege in der Einführung eines Impfinformationssystems (IIS), das eine direkte Ansprache der Bürger ermögliche.

Nach Ansicht des Juristen Nils Schaks ist die Reform verfassungsgemäß. Zwar stelle die Impfpflicht einen Grundrechtseingriff dar, der jedoch sachlich gerechtfertigt erscheine und verhältnismäßig ausfalle, sagte er in der Anhörung. Der Gesetzgeber habe hier einen gestalterischen Spielraum. Die Neuregelung sei auch deswegen gerechtfertigt, weil mit der Impfpflicht besonders gefährdete Personengruppen effektiv geschützt werden könnten.

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