„Zerfall der Arzneimittelversorgung“

Abda-Spitze nimmt zweiten Anlauf

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Berlin -

Viel zu brav, viel zu ängstlich: Mit ihrer Kommunikation zum Eckpunktepapier von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat die Abda massive Kritik einstecken müssen. Sogar von „Verrat“ war hinter vorgehaltener Hand bei den Mitgliedsorganisationen die Rede. Ein Video der Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening wurde nach wenigen Stunden gleich wieder vom Netz genommen. Im zweiten Anlauf tritt nun die gesamte Spitze umso energischer an.

Am Mittwoch hatte Lauterbach sein Eckpunktepapier über die Medien lanciert, nur Stunden zuvor hatte er Overwiening über seine Pläne in Kenntnis gesetzt. Obwohl der Minister die Apothekerschaft wieder einmal an der Nase herumführte und von seinen wesentlichen Liberalisierungsplänen nicht abgerückt ist, nahm die Abda das Papier zähneknirschend hin. Offenbar hatte man gehofft, dass man mit der angedeuteten Dynamisierung im Wege einer Verhandlungslösung wenigstens einen wichtigen Erfolg vorweisen konnte.

Doch das ging gründlich in die Hose. Vier der eher aktiveren Verbände wiesen die Vorschläge postwendend zurück, der Rest ging erst einmal irritiert auf Tauchfahrt. Erhörte Forderungen, erste Kompromisslinien, mehr Sensibilität bei der Bundesregierung? „Apotheker öffnen sich für Lauterbachs Reformideen“, titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Das kommunikative Desaster war perfekt.

Hastig wurde die am Donnerstag veröffentlichte Weihnachtsansprache von Overwiening gelöscht. In dem neunminütigen Clip hatte sie auf das Jahr zurückgeblickt, Erfolge wie die Postkartenaktion oder die Demonstrationen gelobt. Auch auf die aktuelle Lage war sie zu sprechen gekommen, die zwar nicht schön sei, aber wenigstens Licht am Ende des Tunnels zeige.

Am Donnerstag beschäftigte sich der Geschäftsführende Vorstand mit den Reformplänen, am Freitagvormittag tagte auch noch der Gesamtvorstand – und kam zu dem Ergebnis, dass man doch eher „erschüttert und verärgert“ sei. Overwiening spricht jetzt von einer „Mogelpackung“, warnt vor einem „Zerfall der Arzneimittelversorgung“. Nach außen präsentiere Lauterbach seine Pläne als Segen für kleine Landapotheken. „Schaut man sich die Vorschläge genauer an, wird klar, dass unter dieser sogenannten Reform alle Apotheken leiden würden – sowohl die Land- als auch die Stadtapotheken.“

Und weiter: „Die Apotheken brauchen eine sofort wirksame, wirtschaftliche Stärkung, sonst wird die wohnortnahe Versorgung im kommenden Jahr weiter ausdünnen. Unsere Patientinnen und Patienten würden schlechter versorgt werden, weil das Ministerium in seinen Eckpunkten Qualitätseinbußen und Honorarkürzungen in Apotheken vorsieht.“

Hubmann: Vage Zusage

Und endlich trauen sich auch Dr. Hans-Peter Hubmann, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV), und Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK) aus der Deckung. Hubmann warnt insbesondere vor den finanziellen Auswirkungen der Lauterbach’schen Pläne: „Bis auf eine vage Zusage in Sachen Notdienstpauschale enthält das BMG-Papier keinerlei sofortige Hilfen für die Apotheken. Diese sind aber zwingend notwendig, denn auch die Apotheken leiden unter der Inflation und gestiegenen Kosten.“

In fast allen anderen Bereichen des Gesundheitswesens habe Lauterbach Inflations- und Kostenausgleiche vorgenommen. „Nur die Apotheken sollen kein Recht darauf haben? Das Apothekenhonorar wurde seit 2013 nicht angepasst, zuletzt wurde es sogar gesenkt. Im gleichen Zeitraum sind die Inflation um 38 Prozent und unsere Kosten um 60 Prozent gestiegen.“ Alle vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorgeschlagenen Maßnahmen bezüglich des Honorars sollten frühestens 2025, teilweise erst 2026 und 2027 greifen. „Herr Lauterbach schiebt das Thema der chronischen Unterfinanzierung der Apotheken weiter an seine Nachfolger, nimmt sich somit weiterhin aus der Verantwortung und sieht dabei zu, wie die wohnortnahe Arzneimittelversorgung weiter ausdünnt.“

Außerdem seien die vom Ministerium vorgeschlagenen Pläne zur Umverteilung des Apothekenhonorars entgegen den Ausführungen im Eckpunktepapier finanziell nicht neutral, sondern eine weitere Kürzung der Vergütung. „Höherpreisige Arzneimittel lassen sich dann noch schwerer vorfinanzieren und werden daher von den Apotheken nicht mehr vorrätig gehalten – unabhängig vom Standort der Apotheke. Für Patientinnen und Patienten, die auf solche Arzneimittel und die entsprechende Beratung angewiesen sind, würde die Versorgung deutlich verschlechtert.“

Benkert: Kahlschlag bei Approbierten

Und Benkert zeigt sich besorgt, was die Light-Filialen angeht: „Herr Lauterbach will es ermöglichen, dass teilweise keine Apothekerin oder Apotheker in der Apotheke präsent sein muss. Es gibt keine andere Berufsgruppe, die die pharmazeutische Expertise der Apothekerinnen und Apotheker ersetzen kann. Hinzukommen Haftungsfragen, die entstehen, wenn bei Beratungen keine approbierte Fachkraft zur Verfügung steht. Und schließlich befürchten wir, dass Apotheken, die unter wirtschaftlichem Druck stehen, vielen angestellten Apothekerinnen und Apothekern kündigen, um Geld zu sparen. Das Ergebnis wäre eine deutliche Verschlechterung der Versorgung unserer Bevölkerung.“

Eine erste, vorläufige Analyse der Eckpunkte habe man bereits an alle Abgeordneten aus dem Gesundheitsausschuss des Bundestages gesendet. In den ersten Wochen des neuen Jahres seien zudem mehrere Gespräche mit den Abgeordneten geplant.

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