Mit seinem zweiten Corona-Gesetzespaket will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Kliniken Arzneimittelabgabeautomaten auf den Stationen testen. Das hält die Abda schon aus formalen Gründen für verfassungswidrig. Außerdem lehnt sie das Vorhaben mit Blick auf mögliche Folgewirkungen für Apotheken auch sachlich ab. Zudem bittet die Abda in ihrer Stellungnahme „dringend“ darum, die durch Corona entstandenen Probleme im Pharmaziestudium ähnlich dem Vorgehen bei Ärzten und Zahnärzten zu lösen.
Die Abda ermahnt Spahn, im zweiten Corona-Gesetzespaket nur Regelungen zu treffen, die im Zusammenhang mit der Bewältigung der Corona-Krise stehen: „Allerdings sollte insbesondere angesichts der sehr knappen Fristen in diesem Gesetzgebungsverfahren darauf geachtet werden, die geplanten Regelungen im Hinblick auf ihre tatsächliche Notwendigkeit zu überprüfen.“ Bereits nächste Woche soll das Bundeskabinett die Maßnahmen beschließen.
„Wir lehnen die geplanten Regelungen ab“, so die Abda in ihrer Stellungnahme zu den geplanten Modellversuchen mit Abgabeautomaten in Kliniken. Dazu soll das Apothekengesetz (ApoG) und die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) geändert werden. Bereits formelle Gründe sprächen gegen die Aufnahme in das geplante Gesetz. Es handele sich um einen Entwurf, der im Vergleich zu sonst üblichen Gesetzgebungsverfahren in einem sehr raschen Verfahren erstellt, erörtert und verabschiedet werden solle. Dies mache eine ansonsten übliche und erforderliche gründliche Prüfung und Diskussion der Gesetzesinhalte – sowohl durch die betroffenen Verkehrskreise als auch durch die Gesetzgebungsorgane – deutlich schwieriger. Derartige Nachteile seien nur dann akzeptabel, wenn sich die Inhalte des Gesetzes auf das konzentrierten, was unbedingt in und wegen der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ geregelt werden müsse.
„Einen solchen Zusammenhang sehen wir bei diesen Regelungen aber nicht, da sie in keiner Weise einen Bezug zur Covid-19-Pandemie aufweisen“, so die Abda. Darüber hinaus stelle sich gerade wegen des fehlenden Zusammenhangs zu anderen Inhalten des Gesetzes sogar die verfassungsrechtliche Frage, ob eine Änderung der ApBetrO in diesem Artikelgesetz überhaupt statthaft ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht dem Gesetzgeber eine „freie Formenwahl“ nicht zu.
Auch inhaltlich hat die Abda Bedenken gegen die vorgesehenen Regelungen. Sinn von Modellprojekten sei es, neue Versorgungsformen unter definierten, begrenzten und kontrollierten Bedingungen erproben zu können. Die automatisierte Abgabe von Arzneimitteln im Krankenhaus gehört nach Abda-Auffassung nicht dazu. Hiergegen spreche bereits, dass der Einsatz von Kommissionierautomaten in Krankenhausapotheken unter Überwachung durch pharmazeutisches Personal vielfach gelebte Praxis ist, validierte Verfahren nutzt und offenbar mit keinen nennenswerten Fehlerquoten behaftet sei. Die rechtlichen Vorgaben zur Aushändigung von Arzneimitteln durch das pharmazeutische Personal würden zwar dem Vernehmen nach durch die zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder unterschiedlich streng ausgelegt und angewendet, jedoch gebe es in den allermeisten Fällen aber offenbar zufriedenstellende Lösungen.
Dass es in Einzelfällen zu rechtlichen Auseinandersetzungen um die Zulässigkeit bestimmter Arbeitsabläufe in Krankenhausapotheken komme, sei grundsätzlich nichts Ungewöhnliches, erzeuge aber keinen Bedarf für ein Tätigwerden des Gesetzgebers. Sofern sich gleichwohl Anhaltspunkte für einen solchen Bedarf ergeben sollten, wären diese im Rahmen eines geordneten Verfahrens, welches „insbesondere angesichts potentieller Folgewirkungen auf andere Bereiche der Arzneimittelversorgung hinreichende Gelegenheit zur inhaltlichen Prüfung und Positionsbestimmung der betroffenen Verkehrskreise gewährt“, zu diskutieren. Abda: „Das jetzige Gesetzgebungsverfahren ist wie dargelegt nicht der richtige Ort dafür.“
Mit Blick auf die im zweiten Corona-Gesetz enthaltenen Änderung der Approbationsordnung für Zahnärzte bittet die Abda „dringend darum, entsprechende Regelungen auch für die Ausbildung der Apotheker aufzunehmen“. So seinen Abweichungen von der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) für die Zeitpunkte und die Anforderungen an die Durchführung der einzelnen Abschnitte der pharmazeutischen Prüfung sowie der Eignungs- und Kenntnisprüfung festzulegen, alternative Lehrformate vorzusehen, der Anteil der praktikumsbegleitenden Seminare bei den praktischen Übungen zu flexibilisieren sowie die Anforderungen an die Famulatur zu regeln, um die Fortführung des Studiums zu gewährleisten.
Bereits Anfang April hatte der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) in einer Sonderstellungnahme eine temporäre Änderung der AAppO für den Zeitraum der epidemischen Lage nationaler Tragweite gefordert. „Warum für fast alle Gesundheitsberufe, außer für Pharmazeutinnen und Pharmazeuten, Änderungen in der Ausbildung vorgenommen werden, um auf aktuelle Probleme zu reagieren, ist absolut unverständlich“, so Ilias Essaida, Beauftragter für Gesundheitspolitik des BPhD.
Eine solche temporäre Änderung der AAppO sei zwingend notwendig. Ergäben sich bedingt durch die epidemische Lage nationaler Tragweite Verzögerungen im Lehr- und Prüfungsbetrieb, so stelle dies unmittelbar auch eine Gefährdung für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und qualifizierter pharmazeutischer Beratung dar.
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