Der Fahrplan zur Beratung des von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegten Apothekenstärkungsgesetzes hat einen neuen Zwischenstopp erhalten: Für den 23. Mai hat das Bundesgesundheitsministerium die ABDA und andere Verbände zur internen Anhörung eingeladen. Dort kann ABDA-Präsident Friedemann Schmidt die Forderungen und Bedenken der bis zum 7. Mai abzugebenden schriftlichen Stellungnahme noch einmal persönlich zu Protokoll geben – möglicherweise seine letzte Chance. Am 2. Mai will die ABDA-Mitgliederversammlung (MV) auf einer Sondersitzung dazu beraten.
Im Anschluss an die Verbändeanhörung wird der vorliegende Referentenentwurf womöglich überarbeitet und als Kabinettsentwurf in die Ressortabstimmung geschickt. Damit sinken die Einflussmöglichkeiten der ABDA: Dann kommt auch die SPD ins Spiel und muss sich erstmals zum Apothekenstärkungsgesetz offiziell äußern. Besonders gespannt darf man auf die Reaktion des SPD-geführten Bundesjustizministerium sein. Laut Handelsblatt gibt es dort Bedenken hinsichtlich der europarechtlichen Fragen. Derzeit führt Katarina Barley (SPD) das Ministerium. Als Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl am 26. Mai wird Barley allerdings nach Brüssel wechseln, so dass voraussichtlich ein anderer Politiker zum Zeitpunkt der Ressortabstimmung im Juni das Justizministerium führen wird.
Für die Sonder-MV hat die ABDA den Mitgliedsorganisationen Beratungsvorlagen übermittelt. Darin geht die ABDA bereits auf inzwischen geäußerte Kritik am Apothekenstärkungsgesetz ein. Die ABDA verlangt eine rechtssichere Verankerung des Rx-Boni-Verbots und deutlich mehr Geld für neue pharmazeutische Dienstleistungen. Kernpunkt der Kritik ist die Streichung des § 78, Absatz 1, Satz 4. Dort heißt es, „die Arzneimittelpreisverordnung [...] gilt auch für Arzneimittel, die [...] in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht werden.“
„Gegen diese Streichung bestehen unserseits jedoch erhebliche Bedenken“, heißt es jetzt von der ABDA-Führung. Damit übernimmt sie die von zahlreichen Kammern und Verbänden vorgetragenen Kritik, die Anlass für die Einberufung der Sonder-MV war. Dem Vernehmen nach soll ABDA-Präsident Schmidt in einer Video-Konferenz des ABDA-Gesamtvorstandes im April noch keine Bedenken gegen die Streichung vorgetragen haben. Die Regelung des § 78 Absatz 1 Satz 4 AMG sei aufgenommen worden, um klarzustellen, dass die Arzneimittelpreisverordnung auch für den Versandhandel aus dem Ausland nach Deutschland gelte, heißt es jetzt in der Beschlussvorlage: „Nach unserer Auffassung bestehen die in der Gesetzesbegründung aufgeführten Gründe, die eine Erstreckung der Preisbindungsbindungsvorschriften auf ausländische Anbieter rechtfertigen, die Patienten in Deutschland mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln beliefern, fort.“
Aus ABDA-Sicht bietet das vorliegende Gesetzgebungsverfahren zudem die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber noch einmal substantiiert darlegt, warum die Vorgabe einheitlicher Apothekenabgabepreise auch für Apotheken gelten muss, die verschreibungspflichtige Arzneimittel aus dem europäischen Ausland an Patienten in Deutschland liefern: „Die Gleichpreisigkeit verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist ein integraler Bestandteil des geltenden Steuerungssystems der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung und deren Finanzierung. Einzelne tragende Elemente wie die Preisbindung von Arzneimitteln können nicht ohne Schaden für das System entfernt werden.“
Daher sei es gerechtfertigt, die Anwendung der Preisbindungsvorschriften für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht nur im Bereich des Sozialrechts, sondern generell auf Anbieter zu erstrecken, die aus dem europäischen Ausland Patienten in Deutschland mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln beliefern, schreibt die ABDA: „Aus diesen Gründen fordern wir, auf die Streichung der Regelung des § 78 Absatz 1 Satz 4 AMG zu verzichten. Zwingende Konsequenz ist dann auch, dass sich der Gesetzgeber entgegen der bisher in der Begründung des Referentenentwurfs zu Artikel 4 Nummer 3 enthaltenen Aussage klar zur Aufrechterhaltung der Gleichpreisigkeit für verschreibungspflichtige Arzneimittel positioniert.“
Auch nach einem Gutachten der beiden Apothekenrechtsexperten Dr. Elmar Mand und Prof. Dr. Hilko J. Meyer bietet „allein die Beibehaltung der geltenden Preisregelungen einschließlich des § 78 Abs. 1 S. 4 AMG, verbunden mit den flankierenden Maßnahmen des Referentenentwurfes zur Stärkung der freien Apothekenwahl, eine rechtlich wirksame Alternative zu dem im Koalitionsvertrag vorgesehene Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln“. Die Beibehaltung der Gleichpreisigkeit beseitige die Ungleichbehandlung gegenüber den ausländischen Versandapotheken zwar nicht sofort. Sie eröffne jedoch den Weg für die Bundesregierung, die Rechtfertigung der deutschen Preisbildungsregelungen für Arzneimittel in einem neuen Verfahren vor dem EuGH substantiiert vorzutragen, die gesetzgeberischen Ziele für das deutsche Preis- und Erstattungssystem fundiert darzulegen und die gesundheitspolitischen Zuständigkeiten und unionsrechtlichen Wertungsspielräume des deutschen Gesetzgebers gegen Eingriffe der EU-Organe geltend zu machen.
Nicht zufrieden ist die ABDA des weiteren mit den von Spahn angebotenen zusätzlichen 150 Millionen Euro Honorar für noch zu definierende pharmazeutische Dienstleistungen. Dazu plant Spahn einen Zuschlag von 20 Cent auf das Packungshonorar. Der Zuschlag sei so zu erhöhen, dass das Gesamtvolumen von 320 Millionen Euro (brutto) zur Verfügung steht, fordert die ABDA.
Eine Klarstellung verlangt die ABDA zudem für die vorgesehene Erweiterung des Botendienstes: Der Bote müsse immer – auch soweit Auslieferung ohne pharmazeutisches Personal erlaubt sei – zum Personal der Apotheke gehören und ununterbrochen bis zur Abgabe des Arzneimittels der unmittelbaren Weisung des Apothekenleiters unterliegen. Auch bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln müsse eine Auslieferung durch pharmazeutisches Personal erfolgen, wenn noch keine Beratung stattgefunden habe.
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