Mitte 2020 will die ABDA mit ihrem elektronischen Rezept bundesweit an den Start gehen. Zuvor soll es ab Ende 2019 eine regionale Pilotphase geben. Das geht aus der „Projektskizze zur Umsetzung einer elektronischen Muster 16-Verordnung“ hervor, die die ABDA an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geschickt hat. Herzstück des „ABDA-E-Rezepts“ soll eine eigne eVerordnungsplattform werden.
In der „Präambel“ zur Pilotskizze heißt es, das deutsche Gesundheits- und Sozialsystem stehe vor einem „tiefgreifenden Wandel“. Ein wesentlicher Katalysator dieses Wandels sei die Digitalisierung. Sie nehme zunehmend und sichtbar Einfluss auf die Gestaltung von Prozessen und Arbeitsabläufen sowie die Kommunikation sowohl zwischen den Leistungserbringern selbst als auch zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern. „Ein wesentliches Element wird dabei in Zukunft die elektronische Verordnung (eVerordnung) sein“, heißt es dort.
Im Jahr 2017 seien in Deutschland insgesamt 464 Millionen GKV-Rezepte durch die öffentlichen Apotheken beliefert worden. Die dafür notwendigen Prozesse zwischen Ärzten und Apotheken basierten auf Papierdokumenten: „Perspektivisch wird die eVerordnung die derzeit übliche analoge Verordnung ablösen.“ Diese Entwicklung werde maßgeblich von der Politik unterstützt und mit entsprechenden Gesetzesvorhaben „untersetzt“.
Die ABDA habe sich bereits im Jahr 2016 zu den Rahmenbedingungen einer eVerordnung positioniert und forciere über Beschlussfassungen im April 2018 und im Juni 2018 die schnelle Umsetzung einer Systemlösung, die verbindliche und allgemeingültige Standards für alle Marktteilnehmer vorgebe. Die konzeptionellen Ansätze seien einerseits von der Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen der Gematik geprägt. Gleichzeitig solle aber auch eine schnelle und von allen Beteiligten akzeptierte Lösung bereitgestellt werden. Über das klare Bekenntnis zur Umsetzung einer abschließenden Lösung über die Telematikinfrastruktur (TI) sei sehr schnell deutlich geworden, dass der „dafür notwendige zeitliche Rahmen eine kurzfristige Lösung konterkariert“.
Zur Umsetzung schlägt die ABDA ein Zweistufen-Modell vor: In der ersten Stufe soll die Praxistauglichkeit über ein regionales Modellprojekt für Ärzte, Apotheken und Patienten getestet werden: „Die hierfür notwendigen Vorabstimmungen mit den Ärztevertretern sind bereits erfolgt und die Arbeiten an einer Systemlösung haben begonnen.“
Die Projektskizze Stufe 1 sieht wie folgt aus: In dieser ersten Stufe erstellt der Arzt ein digitales Abbild des Rezeptes und überträgt zur Wahrung der Patientensouveränität den Inhalt der Muster 16-Verordnung als elektronischen Datensatz und/oder Image in eine Plattform. „Auf eine qualifizierte elektronische Signatur würde im Modellprojekt verzichtet werden, falls die notwendigen Komponenten kurzfristig noch nicht zur Verfügung stehen“, so die ABDA.
Die Übermittlung der eVerordnung solle wie beim Papierrezept durch den Patienten zur Apotheke erfolgen. Diese beliefert die eVerordnung und erstellt einen Abrechnungsdatensatz. Dieser Datensatz wird über den bereits etablierten Weg zu den Apothekenrechenzentren (ARZ) übertragen und mit der zuständigen Krankenkasse abgerechnet.
In der zweiten Ausbaustufe sieht die ABDA eine Übertragung der Daten über einen Konnektor an einen Fachdienst in der TI vor. Die hierfür notwendigen Komponenten der TI sollen ab dem I. Quartal 2019 für einen geplanten Feldtest zur Verfügung stehen. Der Arzt erstellt hierbei einen Verordnungsdatensatz und unterschreibt ihn mit einer qualifizierten elektronischen Signatur. Die Informationen zum Verordnungsdatensatz erhält der Patient. Als Träger des Schlüsselmaterials habe der Patient auch in der abschließenden Lösung weiterhin die Möglichkeit der freien Wahl der Apotheke und die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Rezeptdaten über eine App des Fachdienstes eVerordnung.
Der Apotheker hole sich den Verordnungsdatensatz auf der Basis der vom Patienten übermittelten Identifikationsinformationen vom Fachdienst eVerordnung und beliefere den Patienten. Nach Erstellung des Abrechnungsdatensatzes durch die Apotheke erfolgt eine Übergabe des Abrechnungsdatensatzes an das ARZ. Das ARZ wiederum rechnet dann im Anschluss gegenüber den Krankenkassen ab.
Der neue Fachdienst eVerordnung ist offenbar das Herzstück des E-Rezepts der ABDA. Darüber sollen die Ärzte ihre Rezepte bereitstellen und von dort per Patientenauftrag an die Apotheken gesendet werden. Betrieben werden soll die Plattform offenbar gemeinsam von den ARZ. Damit verblieben die Rezeptdatensätze im Hoheitsgebiet der ABDA.
Den zeitlichen Ablauf für die Einführung de E-Rezepts sieht die ABDA in der Skizze wie folgt vor: Der Projektauftrag soll am 28. August 2018 erteilt werden. Bis zum 31. Dezember sollen Architektur, Lasten- und Pflichtenheft fertig sein. Bis Ende November 2019 sollen Primärsystem- und Plattformumsetzung erfolgen.
Am 3. Dezember 2019 soll das Modellprojekt starten. Im ersten Quartal 2019 soll zudem ein Feldtest eMP/AMTS erfolgen. Im 2. und 3. Quartal 2019 ist die Übernahme der Stufe 1 Architektur in Gematik-Struktur geplant. Ab Oktober 2019 bis Mitte 2020 sollen die technischen Systeme bundesweit ans Laufen gebracht werden: „30.06.2020 flächendeckende Verfügbarkeit eVerordnung“, heißt es auf dem Zeitstrahl der ABDA-Skizze.
Für die Umsetzung in den Primärsystemen der Arztpraxen und Apotheken werden der ABDA zufolge hierbei frühzeitig alle Marktpartner (Systemhäuser und ARZ) und alle Sektoren (Krankenhäuser, Zahnärzte) einbezogen. „Dies sichert einerseits die schnelle Umsetzung technologischer Anforderungen und bietet anderseits die Chance der frühzeitigen Sicherstellung der Interoperabilität der vorgeschlagenen Lösung (Schnittstellen und Standards)“, so die Skizze.
Laut ABDA können die Patienten mithilfe des vorgeschlagenen Konzeptansatzes ihre eVerordnungen datenschutzgerecht managen und vorab in einer Apotheke ihrer Wahl bestellen: „Die Wahlfreiheit der Patientinnen und Patienten ist und bleibt gewährleistet“, so die ABDA. Durch das standardisierte und strukturierte Übermitteln der Daten sei sichergestellt, dass Interpretationsfehler vermieden würden.
Für die Leistungserbringer ergebe sich durch die Plattform eVerordnung in Bezug auf derzeit bestehende Prozesse und Abläufe ein „digitaler und effizienter Workflow“ zwischen dem verordnenden Arzt und der beliefernden Apotheke. Dies reduziere manuelle Aufwände, minimiere bürokratische Abläufe und trage zur Betrugsprävention bei. In gleichem Maße profitierten auch die Kostenträger vom Austausch strukturierter Informationen und schlankerer Prozesse.
Über eine Federführung des DAV im Gematik-Projekt eVerordnung solle gleichzeitig sichergestellt werden, dass die im Modellprojekt gewonnen Erkenntnisse und Erfahrungen als fachliche Anforderungen in den Gematik-Haushalt übernommen würden. Zudem werde dafür Sorge getragen, dass der von Standards geprägte technologische Ansatz in die Welt der Gematik migriert werden könne.
Offen ist, ob das BMG diesen ABDA-Vorschlag akzeptiert. Spahn und sein Digitalisierungschef Gottfried Ludewig (CDU) setzen beim Ausbau der Digitalisierung auf den Wettbewerb der Anbieter. Die ABDA-Lösung wäre offenbar nicht für andere Anbieter offen. Außerdem geht aus der ABDA-Skizze nicht hervor, ob dieses Modell zu den Plänen der EU-Kommission für die Einführung eines europaweiten E-Rezepts passt.
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