Studie: Apotheker als Entzugshelfer Franziska Gerhardt, 19.05.2014 13:29 Uhr
Patienten, die von Medikamenten abhängig sind, schaffen mit Hilfe ihres Apothekers und Hausarztes den ambulanten Entzug innerhalb weniger Wochen. Dies ist das Ergebnis eines Modellprojekts, das die ABDA in Berlin vorgestellt hat. Fast jeder zweite Teilnehmer konnte am Ende auf entsprechende Medikamente verzichten.
An dem Modellprojekt mit dem Titel „Ambulanter Entzug Benzodiazepin-abhängiger Patienten in Zusammenarbeit von Apotheker und Hausarzt“ nahmen 46 Apotheken, 63 Hausärzte und 102 Patienten im Durchschnittsalter von 71 Jahren teil. Das Projekt wurde im Raum Hamburg und in Baden-Württemberg durchgeführt und vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) gefördert.
Die Patienten, zu rund 72 Prozent Frauen, wurden von Apothekern in Abstimmung mit dem jeweiligem Hausarzt beraten. Sie nahmen im Schnitt seit knapp zehn Jahren regelmäßig Benzodiazepine ein, mit einer Durchschnittsdosis von rund 6 mg Diazepam.
Knapp die Hälfte der Patienten (46 Prozent) konnte nach Ablauf des Projekts ganz auf Schlafmittel verzichten. Weitere 28 Prozent konnten ihre Dosis verringern. Knapp 22 Prozent brachen dagegen den Entzug selbst ab; bei knapp 4 Prozent riet der Arzt zum Abbruch.
„Das zeigt: Drei von vier teilnehmenden Patienten profitierten von der berufsübergreifenden Intervention unmittelbar“, sagte Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer.
„Mit der Zusammenarbeit von Hausärzten und Apothekern erreichen wir Patienten, die wir sonst nicht erreicht haben“, bestätigte Dr. Rüdiger Holzbach, Chefarzt der LWL-Kliniken in Warstein und Lippstadt: Knapp 60 Prozent der Patienten hätten vor dem Projekt keinen Entzugsversuch gemacht. Die Ergebnisse erwiesen sich auch als langfristig: Nach drei Monaten Nachkontrolle waren 80 Prozent der erreichten Patienten ohne Rückfall.Die ABDA will das Projekt weiter ausbauen. „Wir als Apothekerschaft werden den Krankenkassen ein konkretes Vertragsangebot zur Kostenübernahme machen“, sagte Kiefer. Die Krankenkassen sparten bei der Vermeidung der Behandlung von Stürzen als Folge einer Langzeitanwendung der Benzodiazepine Geld. Die intensivierte und strukturierte Zusammenarbeit von Apothekern und Ärzten habe in dem Modellprojekt gut funktioniert.
Benzodiazepine werden oft jahrelang eingenommen, ohne dass sich die Patienten der Risiken und ihrer eigenen Abhängigkeit bewusst sind. Dazu gehören ein erhöhtes Sturzrisiko, kognitive Störungen, die Verstärkung von Schlafapnoe, Konzentrationsschwächen und eine verminderte Merkfähigkeit. Außerdem können auch Angst- und Schlafstörungen, gegen die die Mittel eigentlich eingesetzt werden, verstärkt auftreten.