Kommentar

Abda: In einer Stunde zur nächsten Apotheke

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Berlin -

„Wir als Spitzenverband sagen, eine Apotheke muss von jedem beliebigen Ort aus höchstens innerhalb einer Stunde erreichbar sein“, erklärte Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening in einem Interview mit dem Weser Kurier. In Städten wie Bremen sei das kein Problem, in ländlichen Regionen könne das schon schwierig werden. Die Aussage ist ebenso unglücklich wie falsch. Ein Kommentar von Lilith Teusch. 

Apotheken sollen in mindestens einer Stunde erreichbar sein – diese Forderung stammt nicht von einem ahnungslosen Laien, sondern wurde von der Präsidentin der Abda selbst als Ziel für die flächendeckende Versorgung genannt. Das wirft Fragen auf!

In welchem Kontext die Aussage zu sehen ist, bleibt völlig unklar. Eine Stunde mit dem Auto? Mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Mit dem Fahrrad? Was ist mit Menschen, die kein Auto haben oder nicht fahren können, insbesondere wenn die Infrastruktur fehlt? Muss eine Apotheke innerhalb einer Stunde zu Fuß erreichbar sein? Und gilt diese Stunde für einen jungen, gesunden Menschen oder für einen Rentner mit Rollator?

Overwiening weist zu Recht darauf hin, dass die Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen in ländlichen Regionen ein großes Problem darstellt, vor allem, weil die Infrastruktur oft fehlt. Es ist aber absolut realitätsfern zu glauben, dass gerade dort Menschen einen zweistündigen Fußmarsch auf sich nehmen würden, nur um zur nächsten Apotheke zu gelangen. Also muss man wohl oder übel zu dem Schluss gekommen, dass nicht ein abstrakter Worst Case, sondern die tatsächliche Erreichbarkeit gemeint ist.

Im Notdienst gilt vielfach ein Umkreis von 20 Kilometern als zumutbar. Die CDU in Thüringen ist mit dem Versprechen der 20-Minuten-Regel für Gesundheitseinrichtungen in den Wahlkampf gezogen. Overwiening legt noch einmal das Doppelte obendrauf – und erweist den Apotheken damit einen neuerlichen Bärendienst. Ob es sich auch noch, wie behauptet, um eine offizielle Abda-Position handelt, ist ungewiss. Eine entsprechende Anfrage blieb unbeantwortet.

Immerhin: Großstädte sind überversorgt

Noch absurder wird die Forderung nach einer Stunde übrigens, wenn man sie auch auf Ballungsräume bezieht. Was passiert in Städten, in denen es oft mehrere Apotheken in kurzer Entfernung gibt, aber auch deutlich mehr Menschen auf engem Raum zu versorgen sind? Gerade in Großstädten könnten wir Dutzende von Apotheken verlieren und hätten immer noch eine Apotheke innerhalb einer Stunde. Nur die Wartezeiten könnten dann etwas aus dem Ruder laufen.

Wie man es auch dreht und wendet, die Forderung ist völlig unangemessen und suggeriert sogar, dass es noch viel Spielraum nach unten gäbe. Die einfache Forderung nach einer Erreichbarkeit innerhalb einer Stunde wird den tatsächlichen komplexen Herausforderungen einer flächendeckenden Apothekenversorgung nicht gerecht. Bei einem unbedarften Bürger wäre dies vielleicht noch nachvollziehbar, bei der Präsidentin der Abda ist eine solche unbedachte Äußerung schlichtweg nicht entschuldbar.

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