ABDA-Hauptgeschäftsführer entlastet Bellartz Alexander Müller, 10.04.2018 13:47 Uhr
Im Verfahren um die Datenaffäre des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) wurden heute ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz sowie ein Kriminalbeamter befragt. Schmitz zufolge gab es weder ein Spesenkonto für die Beschaffung von Informationen noch Unregelmäßigkeiten im Verhältnis ABDA/EL PATO. Der Mitangeklagte Thomas Bellartz war im fraglichen Zeitraum ABDA-Pressesprecher, damit war Schmitz sein direkter Vorgesetzter. Eine von der Verteidigung beantragte vorzeitige Einstellung des Verfahrens lehnte der Staatsanwalt heute ab. Allerdings stimmt er mit dem Gericht überein, dass 37 von 40 angeklagten Fällen nicht weiter verfolgt werden sollen.
Zu den Tatvorwürfen – ein Ex-IT-Mitarbeiter des BMG soll Daten aus dem Ministerium gestohlen und an Bellartz verkauft haben – konnte Schmitz nichts beitragen. Von den Tatvorwürfen habe er bis zum Öffentlichwerden nichts gewusst. Ein Spesenkonto habe es bei der ABDA nicht gegeben. Bellartz sei zwar stets gut informiert gewesen, Interna aus dem BMG, die er nicht hätte wissen dürfen, seien aber nicht dabei gewesen. Auch von Kontakten seines Pressesprechers ins BMG – abgesehen von seinem Pendant im Ministerium – sei ihm nichts bekannt.
Auch APOTHEKE ADHOC sei immer gut informiert, berichtete mehr als andere Medien, schneller und in größerer Bandbreite – und teilweise auch über Themen aus dem Umfeld der ABDA, berichtete Schmitz. „Aber da gab es nichts Auffälliges, das Rückschlüsse auf interne Informationen aus dem BMG zulassen würde.“ Über den Verordnungsentwurf zur Novellierung der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) sei auch berichtet worden, „aber das kam zeitgleich am selben Tag auch in anderen Medien“. Überhaupt sei es in der gesundheitspolitischen Szene nicht ungewöhnlich, dass Entwürfe vorab die Runde machten und teilweise auch veröffentlicht würden.
Dass ABDA-Vertreter bei einer Anhörung zur Novelle der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) 2010 eine Synopse dabei hatte, die der aus dem BMG ähnlich sah, konnte Schmitz nicht erklären. Es sei grundsätzlich üblich, in solche Gespräche mit einer Gegenüberstellung aus alten und neuen Regelungen zu gehen. „Das ist ein gängiges Arbeitsinstrument.“ Dass die BMG-Vertreter ihr eigenes Papier wiedererkannt haben wollen, habe er erst im Nachhinein aus der Berichterstattung erfahren. Interne Nachforschungen habe es nicht gegeben.
Die Richter befragten Schmitz auch umfangreich zu EL PATO, die von Bellartz mitbegründete Agentur war seinerzeit von der ABDA unter anderem für den Versand von Pressemitteilung oder der Schaltung von Anzeigen beauftragt worden. Beleglose Zahlungen „ins Blaue“ seien unter seiner Leitung nicht angewiesen worden, versicherte Schmitz. Auch im Rahmen der Sonderprüfung seien keine Unregelmäßigkeiten bei der Zusammenarbeit mit EL PATO festgestellt worden. Der Großteil des abgerechneten Volumens von 2,5 Millionen Euro in vier Jahren seien für die Agentur durchlaufende Posten gewesen, gab Schmitz zu Protokoll. Damit relativierte er frühere Aussagen, in denen stets große Zahlen kommuniziert wurden.
Dass man mit einer externen Agentur zusammenarbeite, sei nichts Besonderes. Das habe es auch davor und danach gegeben, so Schmitz. „Das ist ein übliches Instrument in unserer Arbeit, da wir nicht alles mit eigenen Kapazitäten leisten können.“ Allerdings räumte er ein, dass es eine solche Zusammenarbeit unter dem heutigen Compliance-Verständnis nicht mehr geben würde. Dass Bellartz 2011 bei der ABDA aufgehört habe, sei alleine seine Entscheidung gewesen. In diesem Zusammenhang habe man entschieden, einen kompletten Neustart hinzulegen und auch die Agentur zu wechseln.
Zuvor war bereits der Kriminalbeamte befragt worden, der seinerzeit die technische Auswertung der beschlagnahmten Rechner, Festplatten, USB-Sticks und Mobiltelefone vorgenommen hatte. Das heißt, befragt wurde er eigentlich nicht, das Gericht verlaß hauptsächlich und umfangreich aus seinem Untersuchungsbericht. Diese Ausführungen waren so technisch, dass der Staatsanwalt ersichtlich mit seiner Aufmerksamkeit zu kämpfen hatte. Er hatte auch – wie das Gericht – keine Fragen an den Zeugen.
Laut dessen Bericht wurden auf im BMG beschlagnahmten Datenträgern E-Mail-Daten gefunden, beziehungsweise gelöschte wieder hergestellt. Der angeklagte Ex-IT-Mitarbeiter des Ministeriums hat offenbar auch einen USB-Stick an verschiedenen Geräten benutzt. Seine Anwältin fragte, ob denn der Ursprung der gefundenen Dateien mit Sicherheit identifiziert werden könnte, also, ob sie auf persönlichen Laufwerken gespeichert waren oder – wie im BMG offenbar üblich – auf den öffentlich zugänglichen. Dem Ermittler zufolge sei das nicht bekannt.
Das könnte mit Blick auf die vom Gericht schon vorgenommene Einstufung der jeweiligen Informationen noch relevant werden. Denn die Staatsanwaltschaft stimmte heute einem Vorschlag des Vorsitzenden Richters zu, wonach 37 von 40 Anklagefällen eingestellt werden. Die Begründung des Gerichts: Hier soll der mutmaßliche Datendiebstahl in öffentlichen Postfächern stattgefunden haben, womit es strafrechtlich schwer als Diebstahl zu bewerten wäre.
Die Staatsanwaltschaft hat es allerdings abgelehnt, auch die übrigen Fälle gegen Auflage einzustellen. Doch nur noch diese drei angeklagten Fällen werde nunmehr weiter verfolgt. Die anderen 37 können gemäß § 154 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt werden. Das hatte auch das Gericht am vorherigen Verhandlungstag so vorgeschlagen.