Interview Friedemann Schmidt

„Wir können nicht jede Apotheke retten“

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Berlin -

Immer mehr Apotheken schließen, die Apothekenzahl ist seit Jahren rückläufig. Aber woher kommt dieser Trend? Ist wirklich die wirtschaftliche Schieflage vieler Apotheken dafür verantwortlich? Reicht eine Finanzspritze, um den Trend umzukehren? Im Interview mit APOTHEKE ADHOC erklärt ABDA-Präsident Friedemann Schmidt, welche Faktoren das Apothekensterben beeinflussen und warum die Apotheker ein Warnsystem benötigen.

ADHOC: Wie dramatisch ist der Negativtrend bei der Apothekenzahl?
SCHMIDT: Es gab früher schon Zeiten, in denen die Apothekenzahl zurückging. Seit zwei Jahren erleben wir aber eine drastische Entwicklung. In den Jahren zuvor hatte es mittelfristig einen positiven Ausschlag gegeben, der durch die Möglichkeit der Filialisierung und eine gewisse Aufholjagd der neuen Bundesländer zu erklären war.

ADHOC: Wo schließen denn welche Apotheken?
SCHMIDT: Wir wissen es nicht genau, die Kammern liefern uns nur pauschale Zahlen. Wir haben ein klares Defizit, was Daten über die regionale Versorgungssituation betrifft.

ADHOC: Das ist keine gute Argumentationsbasis in Gesprächen mit der Politik.
SCHMIDT: Ich werde die Kammern bitten, künftig genauere Daten über die regionale Aufteilung der Apothekendichte zu erheben. Das langfristige Ziel muss es sein, ein Warnsystem für regionale Versorgungsengpässe zu schaffen.

ADHOC: Warum ging die Apothekenzahl in den letzten beiden Jahren so stark zurück?
SCHMIDT: Das AMNOG hat den Berufsstand innerhalb kurzer Zeit stark getroffen. Das Gesetz ist wirtschaftlich nicht zu kompensieren. Durch den Rückgang der Großhandelskonditionen und den höheren Kassenabschlag wurden wir mit 400 bis 500 Millionen Euro belastet. Das kann keine Berufsgruppe aushalten.

ADHOC: Gibt es also ausschließlich wirtschaftliche Ursachen für den Apothekenrückgang?
SCHMIDT: Nein, es ist ein unheilvoller Mix aus verschiedenen Faktoren. Auch die schrumpfende Bevölkerung macht uns zu schaffen. In einigen Regionen erleben wir einen Bevölkerungsrückgang von bis zu 30 Prozent. Da können wir nicht jede Apotheke retten. Die alternde Bevölkerung und damit zunehmende Nachfrage nach Gesundheitsdienstleistungen wirkt teilweise kompensierend, löst das Grundproblem aber nicht.

ADHOC: Ist denn wenigstens für Nachwuchs gesorgt?
SCHMIDT: Nein, auch das ist ein großes Problem. Wir beobachten einen Rückgang der Attraktivität der Selbstständigkeit. Für junge Leute sind Sicherheit und Mobilität wichtiger geworden. Hinzu kommt eine fachliche Unzufriedenheit, die den Apothekerberuf immer unattraktiver macht. Das liegt an stetig wachsender Bürokratie sowie an der Entmachtung des Apothekers, was seine pharmazeutischen Stärken betrifft.

ADHOC: Wie können die Apothekenzahlen also wieder zum Steigen gebracht werden?
SCHMIDT: Wir werden den Trend nicht umkehren und für ein starkes Wachstum sorgen können. Unsere Aufgabe ist es, den Negativ-Trend zu stoppen.

ADHOC: Und wie?
SCHMIDT: Aus finanzieller Sicht brauchen wir neben der packungsbezogenen Vergütung neue Anreize: eine tragfähige Säule, die sich an unseren inhaltlichen Stärken orientiert. Insbesondere in bevölkerungsarmen Regionen müssen Apotheker eine neue Aufgabe in der Grundversorgung übernehmen und dafür vergütet werden. Wir müssen morbiditätsorientiert arbeiten, unser Angebot an den regionalen Bedarf anpassen.

ADHOC: Mehr Geld würde also nicht reichen?
SCHMIDT: Nein. Langfristig müssen wir die Selbstständigkeit wieder attraktiver machen. Wir müssen jungen Leuten zeigen, dass es eine schöne Lebensentwicklung ist, sein eigener Herr zu sein. Auch das wird uns aber nur gelingen, wenn wir die intellektuellen Anteile des Berufes stärken.

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