Die ABDA fordert vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) die Schaffung einer „Ermächtigungsgrundlage“ für die Abweichung von der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) im Falle einer Pandemie. Das geht aus dem am Dienstag veröffentlichten Leitfaden der Standesvertretung hervor, in dem sie die rechtlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen der Apotheken während der derzeitigen Sars-CoV-2-Pandemie erläutert.
Was dürfen Apotheker und was nicht, um ihren Kunden im Moment zu helfen? „Zwingende arzneimittel- oder apothekenrechtliche Vorschriften gelten auch während einer pandemischen Krise“, stellt die ABDA gleich ganz zu Beginn ihres FAQs „Covid-19-Pandemie – Fragen zum Apothekenbetrieb“ fest. Allerdings betont die Standesvertretung auch, dass das nicht in Stein gemeißelt ist: Denn § 79 Arzneimittelgesetz (AMG) sieht auch die Möglichkeit vor, mittels einer Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) oder auf der Basis von Ausnahmeerlaubnissen der zuständigen Landesbehörden „nach Feststellung des Krisenfalls von arzneimittelrechtlichen Vorschriften befristet und im Einzelfall abzuweichen“. Davon habe das BMG auch bereits Ende Februar Gebrauch gemacht und damit den zuständigen Behörden der Bundesländer die Möglichkeit gegeben, abweichende Erlaubnisse zu erteilen. „Zum Teil wurde hiervon in den vergangenen Tagen Gebrauch gemacht“, so die ABDA.
Allerdings: Das gilt nur für das Arzneimittelgesetz, nicht für die Vorschriften der Apothekenbetriebsordnung. Dafür besteht nämlich keine vergleichbare „Ermächtigungsgrundlage“. Das will die Standesvertretung ändern. „Die ABDA bei der Politik angeregt, eine an § 79 Abs. 5 AMG angelehnte Ermächtigungsgrundlage im Apothekengesetz zu verankern“, heißt es dazu im Leitfaden. Das würde es ermöglichen, bestimmte Regularien der Apothekenbetriebsordnung außer Kraft zu setzen, wenn es beispielsweise schnelleren, unbürokratischeren Arbeitsabläufen in den Apotheken dienen würde.
Die sind nämlich bis ins Detail reguliert, wie der ABDA-Leitfaden erläutert. Auf 15 Seiten geht es dabei um allerlei Situationen, in die Apotheker derzeit kommen, von den richtigen baulichen Maßnahmen zum Infektionsschutz von Kunden und Mitarbeitern über verschiedene arbeitsrechtliche Fragestellung im Falle einer Infektion innerhalb des Teams bis hin zur Sonderbereichen wie der Heimversorgung. Darunter sind viele Fragen, die sich tausende Apothekenmitarbeiter derzeit stellen dürften, zum Beispiel wie sie Hamsterkäufen entgegenwirken können. Dabei sind rechtskonforme Verordnungen grundsätzlich zeitnah zu beliefern. „Dem Apotheker ist es folglich verwehrt, in die Arzneimitteltherapie der verschreibenden Person einzugreifen, indem verordnete Arzneimittel in einer von der Verordnung abweichenden Menge abgegeben werden.“ Allerdings gilt das nicht, wenn gegen gesetzlich vorgeschriebene Höchstmengen verstoßen wird.
Weniger eindeutig scheint die Lage bei Patienten zu sein, die offensichtlich hamstern: „Ob eine Bevorratung von Arzneimitteln im Lichte der Covid-19-Pandemie generell als missbräuchlich im Sinne des § 17 Abs. 8 ApBetrO anzusehen ist, ist bislang unklar, dürfte aber eher zu verneinen sein.“ Im Zweifelsfall solle das Apothekenpersonal deshalb an die Einsicht von Patienten und Ärzten appellieren. Bei der Abgabe von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hingegen haben die Apothekenmitarbeiter schon mehr Handhabe: Hier gibt die ABDA wieder, was das BMG ihr kürzlich vermittelt hat. Die Abgabe von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und apothekenüblichen Waren solle nur in bedarfsgerechten Mengen erfolgen, um Versorgungsengpässen bei Arzneimitteln vorzubeugen und im Fall von temporären Engpässen die Verfügbarkeit von betroffenen Arzneimitteln zu verlängern.
Auch das Thema Engpässe spricht die ABDA an: „Die Gefahr von Liefer- oder gar Versorgungsengpässen besteht in dieser und sich gegebenenfalls weiter zu spitzenden Krisensituation prinzipiell für jedes Arzneimittel und alle apothekenüblichen Waren.“ Deshalb sei aber aber derzeit „weder eine ungezielte noch gezielte Überbevorratung durch die Apotheken“ zu empfehlen, um insgesamt die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung nicht zu gefährden. Generell gelte, dass öffentliche Apotheken nach § 15 Abs. 1 ApBetrO Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte in einer Menge vorrätig halten müssen, die mindestens ihrem durchschnittlichen Bedarf für eine Woche entspricht.
Eine klare Absage erteilt die Standesvertretung dem Betrieb durch die Notdienstklappe: Das sei auch im Notfall nicht zulässig, denn „apothekenrechtlich ist aktuell die Bindung des Apothekenbetriebs an die Betriebsräume nicht in das Belieben des Betriebserlaubnisinhabers gestellt“. Sollten Patienten im Einzelfall der Arzneimittelabgabe über die Notdienstklappe zustimmen, sei dies zwar apothekenrechtlich unbedenklich. „Eine ausschließliche Versorgung durch die Notdienstklappe ist aber nicht möglich.“ Dies sei nur beim Betrieb während der allgemeinen Ladenschlusszeiten zulässig, um das Personal vor den Risiken durch Gewaltkriminalität zu schützen. Auch hier gelte jedoch: Was nicht ist, kann noch werden. „Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass sich bei einer Weiterentwicklung der pandemischen Krise die Gesundheitsrisiken für das Apothekenpersonal in einem Maße steigern, dass hier abweichende Interpretationen möglich sind“, so die ABDA.
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