Fast zwei Jahre lang hat die ABDA „aus allen Rohren“ für das Rx-Versandverbot als politische Antwort auf das EuGH-Urteil gekämpft. Inzwischen sind die roten Karabinerhaken wieder verschwunden. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat nicht nur zum geordneten Rückzug gerufen: Jetzt soll sogar Ex-Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) für die knallharte, aber wie sich abzeichnet erfolglose Strategie verantwortlich sein.
Nach einem Bericht der Pharmazeutischen Zeitung über die Mitgliederversammlung der Apothekerkammer Sachsen sagte Schmidt, das Verbot des Rx-Versandhandels solle nicht mehr das Maß aller Dinge in der politischen Arbeit der Apotheker sein. „Mit dem Beharren auf diesem einen Thema lösen wir nicht die vielen aktuellen Probleme des Berufsstands“, zitiert die PZ Schmidt, der aber „unverrückbar an der Gleichpreisigkeit“ festhalten wolle.
Nach dem Gesetzesentwurf des ehemaligen Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe zum Verbot des Rx-Versandhandels sei die Standesvertretung „der Versuchung erlegen, die gesamte berufspolitische Arbeit auf dieses Problem zu fokussieren“. Für ihn sei dies damals auch richtig gewesen, so Schmidt im Interview mit dem ABDA-Hausblatt. Jedoch sei der Berufsstand mit seinem Kernargument der Gleichpreisigkeit öffentlich nicht durchgedrungen. Zur Erinnerung: Im Mitte Dezember 2016 legte Gröhe seinen Referentenentwurf für ein Rx-Versandverbot vor. Bereits im Ende Oktober, kurz nach dem EuGH-Urteil, hatte die ABDA mit ihrer Karabiner-Kampagne begonnen. „Wir werden aus allen Rohren schießen. Dieser destruktive Eingriff in die Rechtsordnung, in funktionierendes Gesundheitswesen muss geheilt werden“, so der ABDA-Präsident damals.
Dabei seien durch die einseitige Fokussierung auf Versandhandel die anderen Probleme eher „durchgerutscht“, sagte Schmidt laut PZ mit Blick auf wirtschaftliche Probleme kleinerer Apotheken und den Nachwuchsmangel, der inzwischen sogar in Ballungsgebieten offensichtlich sei. „Diese Probleme sind evident und verschwinden nicht, wenn das Versandhandelsverbot käme“, zitiert die PZ Schmidt weiter.
Offenbar ist Schmidts neue Botschaft nicht überall positiv aufgenommen worden. „Die Basis kocht“, fasst die Freie Apothekerschaft die Stimmung zusammen. Die ABDA vertrete bei einem Nachgeben beim Rx-Versandverbot in keiner Weise die niedergelassenen Apotheker. Der politische Wille, im Koalitionsvertrag verankert, scheine reine Makulatur. „Die Apothekerschaft als treue Wähler der CDU wird verprellt, um Aktienkurse von Investoren nach oben zu treiben und holländischen Versendern zu ermöglichen, sich aus dem Topf der Krankenkassen zu bereichern, der gefüllt wird von erarbeiteten Mitgliedsbeiträgen der deutschen Versicherten“, so die Vorsitzende Dr. Helma Gröschel.
Man sehe in Spahns Angebot eine Art „Vetternwirtschaft“ zugunsten eines holländischen Versenders. „Ein fader Beigeschmack ist da nicht von der Hand zu weisen, nach dem Motto ‚Geld regiert die Welt‘ und in diesem Fall das Kapital einer schweizerischen Aktiengesellschaft und eines saudiarabischen Investors“, so Gröschel.
Die Freie Apothekerschaft fordert, dass der Versand verschreibungspflichtiger Arzneimittel besonders aus dem Ausland gestoppt werden müsse – „aus Gerechtigkeit gegenüber den deutschen Apotheken und für den Schutz der Preisbindung dieser Arzneimittel“. Wenn die Preisunterschiede durch die deutsche Politik nicht schnellstens verhindert würden, müsse sie sich vorwerfen lassen, die ärztlichen Verordnungen und damit die Patienten direkt zu lenken – verstärkt ins Nachbarland. „Der Gesundheitsminister scheint bei seinem Angebot auch vergessen zu haben, dass die Apotheken seit 14 Jahren von der Inflation abgekoppelt sind, die sich in dem Zeitraum um rund 20 Prozent erhöht hat. So konnten sich die Krankenkassen um Milliarden bereichern. Das gilt es erst einmal auszugleichen“, so Gröschel. „Es ist ein schmutziger Deal, den die Koalition und in erster Linie die CDU mit Herrn Spahn zu verantworten hat.“
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