Kommentar

Abda am Abgrund

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Berlin -

Die Abda versucht die Reihen geschlossen zu halten, doch ausgerechnet in dieser für die Apotheken entscheidenden Phase verbaut man sich mit ungeschickten Manövern die eigene politische Arbeit. Und zwar nach innen wie nach außen. Das könnte an der offenbar extrem schwachen Aufstellung liegen. Es lodert im Apothekerhaus.

Seit der Referententwurf veröffentlicht wurde, stolpert die Abda maximal ungeschickt durch diese für die Apotheken extrem heikle Phase. Während man eine Provokation durch Proteste vermeiden will und sämtliche kritische Stimmen mit Verweis auf die erforderliche Geschlossenheit abwürgt, wird die eigene politische Kommunikation intern wie extern als fragwürdig wahrgenommen.

Zunächst wurde in der vergangenen Woche eine Stellungnahme ans Bundesgesundheitsministerium (BMG) verschickt, in der der Entwurf rundheraus abgelehnt wurde. Das Papier las sich kämpferisch, war wohl aber die richtige Botschaft auf dem falschen Weg. Nicht nur die anderen Verbände wunderten sich, auch im BMG nahm man diese undiplomatische Aktion mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis: Wie soll man mit einer Berufsvertretung sprechen, die schriftlich zu Protokoll gegeben hat, dass sie dafür nicht zur Verfügung steht? Offener brüskieren hätte man die Verantwortlichen wohl selbst mit einer Demo vor dem Ministerium nicht.

Am Dienstag dann der nächste Affront: Bei der Anhörung im BMG sollte nur ein Vertreter pro Verband teilnehmen – aus dem Apothekerhaus kamen zwei Personen, einer für die Abda und einer für den DAV. Doch weder Overwiening noch Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz ließen sich blicken, stattdessen besetzten Chefjurist Lutz Tisch und Dr. Eckart Bauer, Abteilungsleiter aus dem Geschäftsbereich Ökonomie, diesen wohl bislang wichtigsten Termin des Jahres. Einen besonders positiven Eindruck hinterließ der Auftritt auch bei anderen Teilnehmenden nicht; das BMG richtete seine Fragen dann auch lieber an andere Verbände.

Lobbystelle unbesetzt

Damit wurde eine Schwäche der Abda offen sichtbar, nämlich das fehlende politische Personal. Auf hauptamtlicher Ebene ist man für die politische Arbeit weder strukturell noch personell hinreichend aufgestellt: Zwar gibt es mehr als 120 Mitarbeitende, aber niemanden, der dezidiert für Lobbythemen zuständig wäre. Neben Schmitz und seinem Referenten Ralf Denda sind nur noch Claudia Korf, Geschäftsführerin Ökonomie, sowie Tisch und Bauer in diesem Feld aktiv. Außerdem gibt es eine Referentin für politische Kommunikation, diese ist aber in der Stabsstelle Kommunikation angesiedelt.

Schon vor mehr als einem Jahr hatte man das Problem erkannt: „Die für den Verband wichtige Nähe zur Politik und die damit verbundene Lobbyarbeit sollen ausgebaut, nachhaltiger positioniert und vorbereitend auf einen späteren Wechsel in der Geschäftsführung für die Zukunft aufgestellt werden.“

Daher wurde eine entsprechende Stelle ausgeschrieben: „Aufgaben sind die Beobachtung des gesundheitspolitischen Umfelds des Verbandes und Mitwirkung in Einzelgesprächen bei Veranstaltungen sowie bei der strategischen Ausrichtung der Kommunikation der Interessen der Apothekerschaft. Die regelmäßige Pflege der politischen Kontakte wird ein wesentlicher Teil der Aufgabenstellung sein, damit die Abda rechtzeitig und adäquat auf politische Positionen und Absichten reagieren und politische Vertreter mit Experten- und Hintergrundwissen unterstützen kann.“

Ursprünglich sollte die Vollzeitstelle ab dem 1. Juli 2023 besetzt werden, doch offenbar gibt es noch immer niemanden, der den Job übernommen hätte. Auf Nachfrage teilt Kommunikationschef Benjamin Rohrer mit: „In der jetzigen, hochkritischen Phase der Apothekenreform nehmen die Abda-Vertreterinnen und -Vertreter sowie die Kammern und Verbände Tag für Tag zahlreiche politische Termine wahr. Die Abda-Geschäftsstelle bereitet diese Gespräche vor und gibt den Vertreterinnen und Vertretern unter anderem Informationsmaterialien an die Hand. Zu möglichen Umstellungen in der Personalstruktur der Abda möchten wir uns nicht äußern.“

Womit auch zur Aufstellung der Abda in Sachen Kommunikation schon alles gesagt wäre.

Allein auf weiter Flur

Doch auch im Ehrenamt sieht es nicht besser aus. Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening ist alleine auf weiter Flur; wie ihr Vorgänger Friedemann Schmidt hat sie sich wohl selbst zu viele Sachen auf die eigenen Schultern gelegt. Der Rest des Ehrenamts ist mehr oder weniger abgetaucht und für die politische Arbeit zumindest in Berlin nicht zu gebrauchen.

Und so ist auch eine wechselnde Klaviatur im Außenauftritt derzeit unmöglich. Dabei gehört es zum politischen Geschäft, dass man sich nach außen entschlossen positioniert und parallel Gesprächskanäle offen hält. Die Ärzte machen vor, wie es geht: Während BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt das Team „Diplomatie“ anführt, schreckt KBV-Chef Dr. Andreas Gassen nicht davor zurück, auch derbe Töne gegen Lauterbach anzuschlagen.

Im Interesse der Apotheken wäre eine breitere Aufstellung auch schon deswegen wünschenswert, weil so manche Kontakte ziemlich strapaziert sind. So ist es längst kein Geheimnis mehr, dass nicht nur das Verhältnis zu Lauterbach, sondern zum BMG ingesamt schwierig ist. Auch auf Fachebene dringen die Vertreter der Apothekerschaft derzeit nicht mehr durch. Dort machte man sich zuletzt vielmehr darüber lustig, dass sich die Abda erneut darüber echauffierte, dass der Entwurf über die FAZ lanciert wurde: „Ich verstehe ja den Schmerz, dass das Papier nicht per Kurier zuerst zur Abda gebracht wurde. Aber da muss man doch im politischen Geschäft einfach drüberstehen.“

Kein Gespür für den Moment

Aber nicht nur in der Außenkommunikation will es der Abda derzeit einfach nicht gelingen, im richtigen Moment den jeweils richtigen Ton anzuschlagen. Auch an anderer Stelle wird teilweise viel zu hart zugegriffen, wie etwa Overwienings Einlassungen zum Großhandel als „Gegenlobbyist“ in offener Runde zeigten. Inhaltlich mag die Position richtig gewesen sein; Unterstützung im Kampf gegen Light-Filialen & Co. hat man damit wohl nicht gewonnen.

Noch frappierender sind die persönlichen Angriffe auf Hessens Verbandschef Holger Seyfarth. Der hatte als einziger Standesvertreter zum Protest aufgerufen – und lag damit, was das politische und mediale Echo anging, genau richtig. Doch statt die Aktion zu unterstützen, wurden im Standesblatt PZ und auf dem Facebook-Kanal der Abda ein persönlicher Angriff gefahren, weil Seyfarth seine Apotheke im Frankfurter Hauptbahnhof nicht schließen konnte. Stunden später entfernte die Abda den unpassenden Kommentar, nachdem es massive Kritik gegeben hatte.

Interne Irrlichtereien

Mittlerweile muss sich die Abda intern fragen lassen, wie der eigentliche Plan aussieht und welche Vorschläge man erarbeitet und unterbreitet habe. Zunehmend wird offensichtlich, dass die Abda zwar eine eigene Geschäftigkeit inszeniert hat, hinter der wohl aber nur wenig Substanz steckt. Die angeblich im BMG unterbreiteten Vorschläge jenseits von Honorarforderungen lassen sich wohl mit den Schlagworten „Armin“ und „Perspektivpapier 2030“ zusammenfassen.

„Die Abda ist wie ein Geisterfahrer, der über alle schimpft, die ihm entgegenkommen“, sagt ein Verbändevertreter. Heißt: Ehrlich machen, wenn und schnellstens in die richtige Richtung steuern. Bevor es für die Apotheken zu spät ist. Brandenburgs Kammerpräsident Jens Dobbert fordert eine außerordentliche Sitzung dazu und warnt davor, dass ausgerechnet die Abda selbst am Ende die Zukunft des Berufsstands ohne Gegenreaktion aufs Spiel gesetzt haben könnte.

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