Ab dem 2. Mai müssen Hersteller zusätzliche Abschläge für neue Arzneimittel zahlen, das war im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz beschlossen worden. Die Höhe des Kombinationsabschlags von 20 Prozent beruht dabei allerdings auf Schätzungen, wie eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion ergab.
Mit dem im November in Kraft getretenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) wurde ein Kombinationsabschlag beschlossen. Die Krankenkassen erhalten ab dem 2. Mai vom jeweiligen Hersteller dann einen Zwangsrabatt in Höhe von 20 Prozent des Herstellerabgabepreises (ApU) ohne Mehrwertsteuer, wenn Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen in einer vom Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) benannten Kombination eingesetzt werden. Der G-BA muss dafür eine entsprechende Liste erstellen und beschließen, die Krankenkassen oder ihre Verbände regeln die Abwicklung der Rabatte.
Eine kleine Anfrage der CDU/CSU zielte auf mögliche negative Auswirkungen auf den Forschungs- und Produktionsstandort und die Versorgungsqualität und die Zugangschancen zu Innovationen für Patientinnen und Patienten ab.
Die Bundesregierung teilt die Befürchtungen nicht: „Der Standort Deutschland bietet der Pharmabranche hinsichtlich des Marktzugangs, der vollumfänglichen Erstattung und dem auch international anerkannten Prozess der Nutzenbewertung und anschließenden Preisbildung von neuen Arzneimitteln auch im internationalen Vergleich gute Rahmenbedingungen“, heißt es in der Antwort die kleine Anfrage. Deutschland belege hinsichtlich des Zugangs zu neuen Arzneimitteln im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz.
Kombinationstherapien würden zu einer Aufsummierung der Kosten der Einzelwirkstoffe führen, „hinreichende Evidenz zum Gesamtnutzen dieser Arzneimittelkombination für den Patienten und zum Anteil eines Kombinationspartners am Therapierfolg“ sei jedoch regelhaft nicht vorhanden, so die Bundesregierung weiter. Zur Gewährleistung der finanziellen Stabilität der GKV sei es daher sachlich gerechtfertigt, die Gesamtkosten im Vergleich zur Monotherapie zu senken.
„Die Entwicklung neuer, hochinnovativer Wirkstoffe und Kombinationstherapien zu gefährden, nur um das GKV-Defizit für 2023 irgendwie zu beheben, ist völlig undurchdacht“, kommentiert der CSU-Abgeordnete Stephan Pilsinger. „Die Beispiele Bayer und Biontech, die mit ihrer Pharma-Sparte nun teilweise ins Ausland abwandern wollen, machen deutlich, dass wir unsere forschende Pharmaindustrie fördern müssen und nicht noch weiter gängeln dürfen“, warnt er.
Die Bundesregierung betont, dass es betroffenen Unternehmen in einem beschleunigten Antragsverfahren möglich sei, „die Erwartbarkeit eines mindestens beträchtlichen Zusatznutzens durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) feststellen zu lassen und so von der Abschlagszahlung befreit zu werden“.
Sie erwarte zudem keine Auswirkungen auf das europäische Preisgefüge, auf die Frage nach einer erhöhten Gefahr für Parallelexporte und daraus folgende Lieferengpässe hieß es: „Es handelt sich hierbei um eine retrospektive Zahlung vom pharmazeutischen Unternehmer an die jeweilige Krankenkasse ohne unmittelbaren Einfluss auf den öffentlich gelisteten Erstattungsbetrag in Deutschland.“ Zu eventuellen Klagen von Herstellern gegen den Abschlag liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor.
Die Identifizierung und Unterscheidung von Kombinations- und Ersatztherapien stellt ebenfalls eine Hürde dar, die Bundesregierung sieht sich dabei aber nicht in der Verantwortung, denn „das Nähere zur Umsetzung des Kombinationsabschlags regeln die beteiligten Akteure“.
„Mit den beschlossenen Regelungen zur Kombinationstherapie schafft Minister Lauterbach ein Bürokratiemonster ohne praktische Klarheit des Begriffs ,Kombinationstherapie‘ und der damit verbundenen Reichweite der Abschläge“, sagt der CDU-Abgeordnete Dr. Georg Kippels.
Die Abschlagshöhe von 20 Prozent war ebenfalls Gegenstand der kleinen Anfrage, im Gesetzentwurf aus dem September waren ursprünglich 15 Prozent vorgesehen gewesen. Zu der Festsetzung äußerte sich die Bundesregierung wie folgt: „Die Höhe des Kombinationsabschlags bedarf keiner exakten empirischen Herleitung, sondern richtet sich nach den mit diesem Instrument verfolgten Einsparzielen zur nachhaltigen Stabilisierung der Arzneimittelausgaben in der GKV unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.“
Die fehlende empirische Herleitung kritisiert Kippels: „Minister Lauterbach setzt eine bestmögliche Therapie für Patienten leichtfertig aufs Spiel“, sagt der Abgeordnete, „die möglichen Einsparungen basieren auf einer ,Schätzung‘ ohne empirische Rechenbasis“.
Das Instrument des Kombinationsabschlags habe nach Einschätzung der Bundesregierung keine negativen Auswirkungen auf Investitions- und Innovationsanreize, Einführungen von Add-on-Wirkstoffen oder Herstellerexistenzen. „Die auch im internationalen Vergleich ausgezeichneten Rahmenbedingungen des Standorts Deutschland für die Pharmabranche bleiben erhalten“, heißt es, da „Kombinationen mit einem beträchtlichen oder erheblichen Zusatznutzen vom Kombinationsabschlag nicht betroffen sind“.
„Die Antwort der Bundesregierung zeigt, dass sie kurzfristige Einsparziele über das Ziel der Sicherung des Innovations- und Wirtschaftsstandorts Deutschland setzt“, so Pilsinger dazu.
Die Bundesregierung werde aber bis Jahresende eine Evaluation der Reformen durchführen, um zu überprüfen, „ob die Reformen ihre Ziele erreicht“ wurden und „welche Effekte mit Blick auf Versorgungssicherheit und Produktionsstandort entstehen“ werden, heißt es.
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