Verordnung läuft aus

Ab Januar: Kein Geld mehr für Corona-Impfungen

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Berlin -

Der Bund will die Corona-Impfungen nicht länger finanzieren, schon ab Januar sollen die Kassen übernehmen. Doch das gibt die Rechtslage überhaupt nicht her – in Windeseile müssten in den kommenden Wochen entsprechende Gesetzesänderungen aufgesetzt und verabschiedet werden. Dazu ist die Sache aber viel zu komplex. Die Ärzteverbände warnen bereits, dass es im neuen Jahr zunächst gar keine Impfungen mehr geben könnte.

Wie andere Corona-Regelungen läuft auch die Impfverordnung (ImpfVO) jetzt aus und müsste verlängert werden. Ein entsprechender Entwurf wurde dem Vernehmen nach im Bundesgesundheitsministerium (BMG) erarbeitet und lag auch bei Ressortchef Karl Lauterbach (SPD) schon zur Freigabe auf dem Tisch. Bis 1. April hätten die Regelungen verlängert werden sollen – genügend Zeit also, um den Wechsel in die Regelversorgung vorzubereiten.

Widerstand im Haushaltsausschuss

Doch im Haushaltsausschuss gab es am Mittwoch plötzlich Widerstand. Was genau passierte, darüber gehen die Meinungen auseinander. Fakt ist jedoch, dass es ab dem Jahreswechsel kein Geld mehr vom Bund geben soll – und dass die ImpfVO mangels Finanzierung in ihrer jetzigen Form faktisch nicht verlängert werden kann.

Damit aber lösen sich wichtige Regelungen in Luft auf, für die es dann überhaupt keine Grundlage mehr gibt. So regelt die ImpfVO nicht nur den Anspruch auf die Impfung, sondern auch Dinge wie

  • Anforderungen an die Leistungserbringer
  • Vergütung und Abrechnung der Impfung
  • Vergütung und Abrechnung für die Auslieferung durch Großhandel und Apotheken
  • Finanzierung der Impfzentren und Impfteams
  • Impfsurveillance

Weitere Details zum Umgang mit den Impfstoffen regelt eine Allgemeinverfügung des BMG, die immer wieder auf die ImpfVO Bezug nimmt – und gerade erst bis Ende 2023 verlängert wurde.

Keine Grundlage für Auslieferungen

Für die Apotheken ist das Thema damit von höchster Brisanz. Denn nach Auslaufen der ImpfVO fehlt die rechtliche Grundlage nicht nur für die Durchführung von Impfungen, sondern auch für die Auslieferung des Impfstoffs nach den derzeitigen Prinzipien. Auch der Großhandel ist betroffen, denn das Auftauen und Auseinzeln des Impfstoffs ist in keinen anderen Vorschriften vorgesehen. Von der Vergütung ganz abgesehen, die beispielsweise im Fall der Apotheken auch im Rahmenvertrag erst einmal aufgenommen werden müsste.

Doch es stellen sich auch ganz grundsätzliche Fragen, für die es nach Auskunft von Experten derzeit keinerlei Lösung gibt. So werden die Impfstoffe bekanntlich von der EU eingekauft und vom Bund bezahlt und zur Verfügung gestellt. Es gibt aber keinerlei rechtliche Grundlage für eine wie auch immer geartete Überlassung an die Krankenkassen. Im Gegenteil: Im Zusammenhang mit dem ebenfalls zentral beschafften Impfstoff gegen Affenpocken haben Bund und Länder einen solchen Transfer aus grundsätzlichen Erwägungen gerade erst abgelehnt. Und dort ist die Dimension viel kleiner als bei den Corona-Impfungen.

Details dazu, wie es jetzt weitergeht, verrät das BMG auf Nachfragen nicht, auch Fragen nach den Folgen für Einkauf und Beschaffung beantwortet man nicht: „Die Anschlussregelung zur aktuellen ImpfVO befindet sich regierungsintern noch in Abstimmung. Zu Details können wir deshalb momentan noch keine Stellung beziehen.“

Schlussspurt im Bundestag

Eine Möglichkeit, entsprechende Grundlagen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) zu beschließen, gäbe es für den Bundestag mit dem Krankenhauspflegeentlastungsgesetz (KHPfEG), das ohnehin schon für zahlreiche Themen zum Omnibus geworden ist. Die 2./3. Lesung ist aber bereits für Freitag angesetzt – die Frist für die Formulierung eines derart komplexen Änderungsantrags also viel zu kurz, zumal dem Vernehmen auch im BMG derzeit noch völlig unklar ist, wie es weitergehen kann. Ganz abgesehen davon, dass der Berliner Dienstsitz in dieser Woche mit dem Umzug beschäftigt ist.

Die Zeit drängt: Die letzte Sitzungswoche ist KW 50, am 16. Dezember findet auch die letzte Sitzung des Bundesrats in diesem Jahr statt. Kommt es bis dahin zu keiner Verständigung, droht ab Januar das totale Chaos: Während die 33 Millionen Euro teure Kampagne des BMG die Menschen zur Impfung auffordert, könnte es im neuen Jahr ohne eine einzige Spritze starten.

Die Ärzteverbände sind jedenfalls entsetzt. Das funktionierende System derart kurzfristig abzuschaffen – und das mitten in der größten Erkältungswelle seit zwei Jahren – das grenze schon an „Sabotage“, sagt ein Ärztevertreter. Den Praxen könne jedenfalls nicht zugemutet werden, unter diesen unklaren Umständen weiter gegen Corona zu impfen. „Wer tut sich das an?“

Angst vor Regressen

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gab ihren Protest bereits zu Protokoll, die Kassenärztliche Vereinigung in Bayern wies am Wochenende auf zahlreiche offene Fragen hin: Das fängt bei Verwürfen an, die bei den Mehrdosenbehältnissen in großem Umfang immer wieder vorkommen und die in der Regelversorgung zu Regressen führen können. Aber auch der Einsatz bei Menschen, für die es derzeit keine Impfempfehlung gibt, ist ungeklärt. Und schließlich geht es um die Vergütung. Statt der üblichen 8 Euro können die Ärzt:innen für jede Corona-Impfung 28 Euro abrechnen.

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