BPhD-Umfrage

94 Prozent der Pharmaziestudenten sind gestresst

, Uhr
Berlin -

Das Thema „Mental Health“ ist auch in Zeiten von Corona wieder mehr in den Fokus gerückt. Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) hat sich mit der mentalen Gesundheit von Pharmazeuten im Studium sowie im praktischen Jahr (PJ) beschäftigt und zwei Umfragen durchgeführt. Die Ergebnisse geben Anlass zur Sorge.

An der Umfrage zum Pharmaziestudium haben mehr als 3800 Studierende und 190 Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) teilgenommen, bei der Umfrage zum PJ waren es 355 PhiP. Die Ergebnisse sollen die aktuelle Lage unter den Studierenden und PhiP bewerten und Stressfaktoren ermitteln. Dadurch sollen Möglichkeiten entwickelt werden, die mentale Gesundheit zu fördern und Stress zu reduzieren, erklärt der BPhD. Denn die mentale Gesundheit sei ein wesentlicher Faktor für effektives und nachhaltiges Lernen.

Studieninhalte als Stressfaktor

Bei der Umfrage zeigte sich, dass 94 Prozent der Studierenden das Pharmaziestudium als stressig empfinden. Als wesentliche Stressfaktoren wurden unter anderem der große Stoffumfang, das Anforderungsniveau der Veranstaltungen, unvollständige und unzreichende Materialien sowie eine unausgeglichene Verteilung der Anforderung an die Studierenden über das Semester angegeben. „Zusätzlich stellen diese Faktoren die Hauptgründe für das Wiederholen von Semestern dar“, erklärt der BPhD. Die zeitliche Vereinbarkeit von Studium und Privatleben stelle die Studierenden – gerade zum Studienbeginn – vor eine große Herausforderung.

Keinen Einfluss auf den Stresslevel haben der Umfrage zufolge hingegen eine abgeschlossene Berufsausbildung, Nebenjob, Wohnsituation oder die Entfernung zur Universität. Außerdem wurden die allgemeinen Zukunftsperspektiven, das Zusammenarbeiten mit den Kommilitonen sowie der Kontakt zu den Dozierenden nicht als Stressfaktoren bewertet.

 

Viele empfehlen Pharmaziestudium nicht weiter

Die weiteren Auswertungen geben jedoch Anlass zur Sorge: „Etwa ein Achtel der Befragten leidet – nach eigener Aussage – unter einer studienbedingten psychischen Erkrankung. Dieser Anteil steigt mit dem Studienfortschritt an. Es zeigt sich, dass die Anforderungen des Studiums viele der Befragten vor große Herausforderungen stellen.“ Durch den eng getakteten Stundenplan fehle den Studierenden im Semester die Zeit für Ausgleich und Erholung. Lediglich 8 Prozent der Studierenden empfehlen daher das Studium weiter. Mehr als 66 Prozent empfehlen es nur solchen mit großem Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern. Ganze 20 Prozent sprechen sich gegen das Pharmaziestudium aus und empfehlen es nicht weiter.

„Diese Entwicklungen und Ergebnisse erachten wir als sehr bedenklich“, schreibt der BPhD. Er fordert bereits seit einigen Jahren eine Verlängerung und Entzerrung des Studiums. „Die aktuellen Umfrageergebnisse verleihen dieser Forderung noch einmal Nachdruck.“ Das Pharmaziestudium müsse Raum für eine adäquate Vor- und Nachbereitung der Inhalte bieten. Nur so könnten ein tiefgreifendes Verständnis sowie Fertigkeiten auf einem entsprechenden Niveau erworben werden.

Geringe Vergütung stresst im praktischen Jahr

Auch im PJ gibt es einige Stressfaktoren. Vor allem die finanzielle Lage bereitet vielen Sorge: So würden einige Pharmazeuten im Praktikum weniger als 800 Euro brutto erhalten. Diese Vergütung sei jedoch vor allem in Ballungsräumen zum Bestreiten der Lebenshaltungskosten nicht ausreichend. „Zusätzlich empfinden die PhiP die Vergütung vor dem Hintergrund des Wissensstandes ihrer bisherigen Ausbildung als nicht angemessen“, erklärt der BPhD.

Krankheit als Stressfaktor

Ein weiterer Faktor, der zu Stress führt ist die Regelung der Krankheitstage: In einigen Fällen müssen die entsprechenden Stunden nachgearbeitet werden, in manchen Betrieben werden stattdessen die Urlaubstage gekürzt. Denn gemäß der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) werden Unterbrechungen bis zu den Urlaubstagen im Bundesrahmentarifvertrag der Adexa auf die Ausbildung angerechnet. Wie mit darüberhinausgehenden Unterbrechungen verfahren wird, obliegt jedoch dem jeweiligen Arbeitgeber. „Entsprechend zeigt sich ein Flickenteppich an Lösungen für diese Situation“, erklärt der BPhD. Einige Vorgesetzte seien glücklicherweise kulant und würden Krankheitstage zulassen – ohne ein Nacharbeiten zu fordern.

 

Die derzeitige Lage mache die Starrheit der Regelung erneut deutlich: „Wird ein PhiP unter eine behördlich angeordnete Quarantäne gestellt oder wechselt die Apotheke zur Sicherstellung der Versorgung in den Schichtbetrieb, kann dies dazu führen, dass kaum Tage für einen Erholungsurlaub bereitstehen.“ Zudem müsse in dieser Zeit auch die Vorbereitung auf den dritten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung erfolgen. Weitere Stressfaktoren im PJ sind unter anderem das neue Arbeitsumfeld, der Kontakt zu Patienten, die Vereinbarkeit von Arbeit und Freizeit sowie das Anforderungsniveau der Tätigkeiten.

Forderungen des BPhD

Der BPhD zieht daher ein klares Fazit: „Die Arbeit an optimalen Lehr- und Lernbedingungen in der Pharmazie muss stetig fortgesetzt werden.“ Der Beruf des Apothekers sei in seiner Vielfältigkeit weiterhin attraktiv für Abiturienten. Durch eine zukunftsgerichtete Anpassung der AAppO lasse sich das Pharmaziestudium modern und flexibel aufstellen.

Die bereits im November geforderte Novellierung der AAppO rücke wieder in den Fokus: Eine Entzerrung des Studiums habe in den „Thesen zur Ausbildung des Apothekers“ der Bundesapothekerkammer (BAK) keine Erwähnung gefunden, sei aber aus Sicht der Studierenden zwingend notwendig. Denn die Stoffdichte nehme aufgrund der ständig neuen Erkenntnisse und Therapiemöglichkeiten weiter zu. Dies führe dazu, dass sich viele Studierende mit der Stoffmenge überfordert fühlten. Auch die Zeit für eine tiefergreifende selbstständige Auseinandersetzung mit den Lehrinhalten fehle. „Durch die zeitliche Entlastung würden hierfür Freiräume geschaffen, die sich sowohl positiv auf den Wissensstand und die Fähigkeiten als auch auf die mentale Gesundheit der Absolvierenden auswirken können“, erklärt der BPhD. Im Bereich des PJ sei zudem eine Anpassung und Flexibilisierung der Ausbildungssituation notwendig, die im Zuge der Novellierung der Approbationsordnung Einzug halten müsse.

Stressbewältigung als Teil des Studiums

Der BPhD plädiert zudem, Methoden zur Stressbewältigung als Teil der Einführungsveranstaltungen an allen Pharmaziestandorten einzuführen. Viele der Befragten würden solche Strategien bereits nutzen, wobei es hauptsächlich um Zeitmanagement und Optimierung des Lernsystems gehe. Der BPhD hat hierzu eine Ideensammlung erarbeitet, die Studierenden Methoden zum Lernen an die Hand gibt und so zu einer Entlastung beitragen soll.

 

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Lesen Sie auch
Neuere Artikel zum Thema
Mehr zum Thema
Ausbildungsfonds gerichtlich bestätigt
Bremen: Wer nicht ausbildet, zahlt
„Die Apotheke ist nicht die einzige Option!“
PTA: Verantwortung und Lohn passen nicht zusammen

APOTHEKE ADHOC Debatte