Kritik an pharmazeutischen Dienstleistungen

90 vs. 4,39 Euro: Ärzte wollen Apothekenhonorar

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Berlin -

Und weiter geht der Aufstand der Ärzteverbände gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen. Als Vorsitzender des Virchowbunds der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa) kritisiert er „aufs Schärfste“ das Vorhaben, Arzneimittelberatungen und weitere ärztliche Aufgaben von Apothekerinnen und Apothekern und pharmazeutischem Fachpersonal durchführen zu lassen.

„Wenn man davon ausgeht, dass die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen von der Schiedsstelle adäquat bewertet wurden, lässt das nur einen Schluss zu: Die ärztlichen Leistungen sind deutlich unterfinanziert“, so Heinrich für beide Verbände. Vom Schiedsspruch gehe eine Signalwirkung für die nächsten Honorarverhandlungen zwischen Vertragsärzteschaft und Kassen aus: „Die Kassen sind offensichtlich in der Lage, deutlich mehr Geld für die Versorgung ihrer Versicherten auszugeben. Dieses Geld ist am sinnvollsten dort eingesetzt, wo die Hauptlast der Versorgung abgefedert wird: in den Arztpraxen.“

Apotheken dürfen nach einer Vereinbarung mit den Krankenkassen in Zukunft fünf neue Dienstleistungen erbringen, darunter eine „standardisierte Risikoerfassung“ bei Menschen mit Hypertonie. Für das dreimalige Blutdruckmessen erhalten die Apotheker 11,20 Euro netto. Das ist laut Heinrich beinahe doppelt so viel, wie ein niedergelassener Arzt für eine Langzeit-Blutdruckmessung über mindestens 20 Stunden hinweg inklusive Auswertung und Beurteilung des Befundes erhält: Die kassenärztliche Leistung sei derzeit mit 6,42 Euro bewertet.

Blutdruckmessung durch Ärzte ebenfalls günstiger

Auch die Blutdruckmessung als Teil des Belastungs-EKGs oder der gynäkologischen Krebsvorsorge sei deutlich günstiger. Das EKG mit mindestens zwölf Ableitungen und wiederholter Blutdruckmessung werde mit 22,31 Euro vergütet. Die einfache Krebsvorsorgeuntersuchung in der gynäkologischen Praxis, die zusätzlich zu einer Reihe von anderen Leistungen ebenfalls die Kontrolle des Blutdrucks enthält, werde mit 17,91 Euro bewertet. Ähnliche Diskrepanzen ergeben sich laut Heinrich bei den übrigen Dienstleistungen, etwa der „erweiterten Medikationsberatung bei Polymedikation“ mit 90 Euro in der Apotheke und 4,39 Euro in der Arztpraxis.

„Es ist bemerkenswert, dass ein Schiedsgericht den Betrag für eine Medikations-Erstberatung auf 90 Euro veranschlagt. Damit bekommen Apothekerinnen und Apotheker nun einen Betrag für eine Beratungsleistung, für welche Ärztinnen und Ärzte in der medizinischen Grundversorgung sonst vierteljährlich mit einem Bruchteil davon pauschal pro Patientin oder Patient entlohnt werden“, so Heinrich für den SpiFa. „Die Fachärzteschaft betrachtet dies definitiv als Signal und Marschrichtung für die kommenden Honorarverhandlungen.“

Dr. Norbert Smetak, Mitglied des SpiFa-Vorstandes ergänzt: „Das ist ein Schlag ins Gesicht. Deutlicher kann man seine Geringschätzung der Qualifikation und Leistungen von Ärztinnen und Ärzten nicht ausdrücken. Dabei sind gerade sie das Rückgrat unseres Gesundheitssystems, immer bereit und auch über das gewohnte Maß hinaus, wie die Pandemie deutlich gezeigt hat. Zu behaupten, diese Entscheidung geschehe zum Patientenwohl, ist Irrsinn. Mit dieser Regelung wird weder eine Versorgungslücke geschlossen, noch Versorgung nachhaltig verbessert. Stattdessen wird Patientinnen und Patienten signalisiert, dass man für eine persönliche, vollumfängliche Medikationsberatung weder Medizin studiert, noch jahrelange fachliche Erfahrung gesammelt haben muss.“

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