Apothekenhonorar

5,33 statt 8,35 Euro – die Zahlen der Gutachter

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Berlin -

Das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) in Auftrag gegebene Honorargutachten zur Apothekenvergütung hat die Apotheker aufgeschreckt: Sie sollen jahrelang deutlich zu viel Honorar kassiert haben. APOTHEKE ADHOC liegen weitere Zahlen vor. Beim Fixhonorar wurden demnach jährlich 1,89 Milliarden Euro zu viel gezahlt. Folgt man den Berechnungen, müsste es um 36 Prozent auf 5,33 Euro sinken. An anderen Stellen müssten die Apotheker dagegen mehr verdienen.

Seit Freitag liegt die vom Statistischen Bundesamt geprüfte Fassung des 2hm-Gutachtens im BMWi vor. Gestern haben sich die Spitzen von Kanzleramt, Bundesfinanzministerium, BMWi und dem Bundesgesundheitsministerium über die Zahlen gebeugt. Unklar ist weiterhin, ob und wann das Gutachten vorgestellt wird.

APOTHEKE ADHOC liegen Details aus der Fassung von Mitte November vor. In der Leistungstabelle finden sich fünf Positionen zur Apothekerhonorierung: Fixhonorar, variables Honorar, Nacht- und Notdienst, BtM-Vergütung und Rezeptur. Für jede Position haben die Gutachter einen „kostendeckenden“ Wert errechnet und ins Verhältnis zu den aktuellen Zahlen gesetzt. Unter dem Strich kommen die Gutachter zu dem Schluss, dass knapp 1 Milliarde Euro pro Jahr zu viel von den Kassen an die Apotheker geflossen sind.

Beim Fixhonorar von derzeit 8,35 Euro kommen die Gutachter zu folgendem Bild: Kostendeckend wäre ein Gesamtbetrag von 3,44 Milliarden Euro. Derzeit erhalten die Apotheker von den Kassen aber 5,241 Milliarden Euro. Der Kassenabschlag in Höhe von 1,77 Euro pro Packung ist dabei noch nicht berücksichtigt. Daraus ergibt sich eine „Überzahlung“ von 1,89 Milliarden Euro. Rechnet man diesen Wert auf das Packungsfixhonorar um, müsste dieser Betrag von derzeit 8,35 Euro auf 5,33 Euro sinken. Das wäre ein Minus von 36 Prozent.

Beim 3-prozentigen variablen Honoraranteil kommt 2hm zu einem kostendeckenden Betrag von 1,44 Milliarden Euro. Die Apotheker erhalten aber nur 884 Millionen Euro von der GKV. Hier müssten die Kassen 560 Millionen Euro drauflegen.

Auch beim Nacht- und Notdienst sehen die Gutachten ein Honorardefizit zulasten der Apotheken. Kostendeckend wäre ein Betrag von 200 Millionen Euro jährlich statt der zuletzt ausgeschütteten 117 Millionen Euro. Hier müssten die Kassen entsprechend 83 Millionen Euro mehr zahlen. Der derzeitige Zuschlag von 16 Cent pro Packung müsste entsprechend auf etwa 27 Cent erhöht werden.

Bei Betäubungsmitteln (BtM) verhält es sich ähnlich: Kostendeckend wäre ein Honorar von 191 Millionen Euro. Die Apotheker erhalten aber nur 39 Millionen Euro. Das Honorar müssten also um 152 Millionen Euro steigen. Bei der Rezepturherstellung ermitteln die Gutachter ebenfalls eine Unterdeckung. Statt kostendeckender 259 Millionen Euro erhalten die Apotheker laut Leistungstabelle aber nur 50 Millionen Euro, es fehlen also 209 Millionen Euro. Bei beiden Posten wurde die Anfang Mai mit dem Arzneimittel-Versorgungsstärkungsgesetz (AM-VSG) erfolgte Honorarerhöhung offenbar noch nicht einbezogen.

Unter dem Strich ergibt die Tabelle folgendes Bild: 1,89 Milliarden Euro zu viel gezahltes Fixhonorar. Auf der Gegenseite bilanzieren die Gutachter eine Unterdeckung von 1,004 Milliarden Euro. Im Saldo haben die Kassen laut 2hm-Gutachten den Apotheker also zu viel gezahlt: Zieht man bei den Packungen den Kassenabschlag von rund 1,1 Milliarden Euro ab, würden den Pharmazeuten knapp 4,4 statt 5,2 Milliarden Euro zustehen. Pro Apotheke ergibt das rechnerisch ein Minus von 45.120 Euro.

Auf welcher Grundlage die Einzelposten berechnet wurden, ist noch nicht bekannt. Das Gutachten stützt sich unter anderem auf die 2hm-Befragung von Apotheken sowie offziell verfügbare Zahlen. Gefragt wurde etwa zum Dokumentationsaufwand bei BtM-Rezepten oder dem Arbeitsaufwand bei Rezepturen. Auch für allgemeine Kennzahlen der Apotheken interessierte sich 2hm. Andere Fragen bezogen sich auf den Personaleinsatz und die Warenwirtschaft. Auch der Beratungsaufwand wurde abgefragt.

In den Mittelpunkt der Diskussion wird jetzt sicherlich die von den 2hm-Gutachtern erstelle Tabelle der „kostendeckenden“ Honorare treten. Die dieser Rechnung zu Grunde liegenden Annahmen und Honorarwerte werden eine hitzige Debatte auslösen.

Die ABDA hat bereits mit Empörung auf das Bekanntwerden von Details aus dem Gutachten reagiert. „Jetzt sind zum wiederholten Male scheinbare, angebliche Ergebnisse aus diesem Gutachten an die Öffentlichkeit durchgestochen worden. Das ist ein skandalöser Vorgang“, kritisiert ABDA-Präsident Friedemann Schmidt in einer Videobotschaft. Das BMWi müsse sich fragen lassen, wie es dazu kommen könne, dass immer wieder die Vertraulichkeit gebrochen werde. Er frage sich, „wie unter diesen Umständen überhaupt noch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“ möglich sein könne.

Zum Inhalt könne die ABDA noch nichts sagen, „weil wir die Zahlen nicht nachprüfen, nicht nachrechnen können“, so der ABDA-Präsident weiter. „Aber eins steht heute schon fest: Jemand, der zu so einem Ergebnis kommt, dass die Arbeit der Apothekerinnen und Apotheker in einer solch eklatanten Weise angeblich überbezahlt würde, ist entweder ein totaler Ignorant oder er hat überhaupt keine Ahnung von der wirklichen Versorgungsrealität in unseren Betrieben.“ Der verhöhne die Arbeit von 160.000 Apothekenmitarbeitern, die jeden Tag bemüht seien, dass Beste für ihre Patienten zu tun. „Und er muss mit unserem maximalen Widerstand rechnen“, kündigte der ABDA-Präsident an.

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