Im Protest gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung üben Apotheken und Hausärzte den Schulterschluss: Sie sehen die Versorgung ihrer Patienten in Gefahr – und haben deshalb heute dicht gemacht. Stattdessen gingen sie in Dortmund demonstrieren.
Weil Apotheker- und Hausärzteschaft die ambulante Gesundheitsversorgung bedroht sehen, sind aus Protest in Nordrhein-Westfalen die meisten der 4000 Apotheken sowie zahlreiche Hausarztpraxen geschlossen geblieben, genauso wie in den Nachbarländern Hessen, Saarland und Rheinland-Pfalz.
Zu einer zentralen gemeinsamen Kundgebung in Dortmund kamen nach Polizeiangaben knapp 5000 Apotheker:innen, Mediziner:innen und deren Mitarbeitende, um ihrem Ärger über die Gesundheitspolitik der Bundesregierung Luft zu machen. Mit Trillerpfeifen und Transparenten zogen sie durch die Innenstadt und riefen unter anderem: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns Gesundheit klaut!“
Gemeinsam beklagen die Berufsgruppen eine jahrelange Unterfinanzierung bei massiv gestiegenen Kosten, eine überbordende Bürokratie, massive Lieferengpässe bei Arzneimitteln und fehlende Konzepte der Politik, um auf den Fachkräftemangel und andere Probleme zu reagieren. Sie befürchten, dass unter den geltenden Bedingungen weitere Apotheken und Hausarztpraxen schließen müssen.
„Dass sich beide Berufsgruppen zusammentun und sich so viele Apotheken und Praxen an diesem Protest beteiligen, hat es noch nie gegeben“, sagte Abda-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening. Es werde immer schwieriger die Patienten und Patientinnen vor Ort vernünftig zu versorgen. „Wir können unseren gesetzlichen Auftrag nicht mehr erfüllen“, so Overwiening.
Adressat der Kritik der Protestierenden ist die Bundesregierung, allen voran Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Es fehle ein echter Austausch auf Augenhöhe, kritisierte Overwiening. „Anstatt dass der Minister mit uns diskutiert, gibt er seine als Reform getarnten zerstörerischen Vorschläge an die Presse weiter“, so die Verbandspräsidentin. So sei der „Sinkflug der Apotheken“ nicht zu stoppen.
Viel Applaus bekam die Patientenbeauftragte der NRW-Landesregierung Claudia Middendorf (CDU) von den Demonstrierenden für ihren Vorschlag, Lauterbach müsse „mal ein Praktikum vor Ort“ machen, um sich von den schwierigen Bedingungen für die Patienten zu überzeugen. Viele Entscheidungen der Berliner Gesundheitspolitik sorgten für ein „Schwanken im Gesundheitssystem“, so Middendorf. Im Sinne der Patientenversorgung unterstütze sie die Apotheker in ihrer Forderung nach höheren Vergütungen.
„Wir haben immer mehr zu tun und immer höhere Kosten, ohne dass die Vergütung in den letzten zehn Jahren angepasst wurde“, sagte Thomas Rochell, Chef des Apothekerverbandes Westfalen-Lippe. Das kritisiert auch die Gewerkschaft der Apothekenangestellten: Es fehle der Spielraum, angemessene Tarifgehälter für die angestellten Mitarbeiter auszuhandeln, so Bundesvorstand Andreas May.
Zur Kundgebung kamen auch Apothekenteams aus Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Die Abda hat den gesamten November als Protestmonat ausgerufen – mit tageweisen Schließungen in jeweils mehren Bundesländern.
Auch bei den Hausärzten sei die Bereitschaft groß gewesen, sich an der Protestschließung zu beteiligen, sagte Lars Rettstadt, Vorsitzender des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe. Vor allem in den ländlichen Gebieten, wo der Druck auf die hausärztliche Versorgung schon jetzt enorm sei, hätten sich viele Kollegen angeschlossen. „Wir haben Regionen, da steht heute nur die notärztliche Versorgung zur Verfügung“, so Rettstadt.
Dies sei ein Vorgeschmack auf das, was drohe, wenn sich nichts ändere, betonte Volker Schrage, Vize-Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe. Er fürchte einen „Praxenkollaps“ bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, wenn die aktuelle Politik der Unterfinanzierung anhalte. Das medizinische Personal sei nicht mehr zu finden, weil sie von Kliniken abgeworben würden, berichtete Hausärztevertreter Rettstadt. Viele Praxen müssten außerdem dauerhaft schließen, wenn sich kein Nachfolger finde.
„Wir wollen Respekt für das, was wir tun – und das Geld dafür“, brachte Rettstadt das Kernanliegen seiner Kollegen auf den Punkt. „Das wird nicht das letzte Mal sein, dass wir gemeinsam unseren Protest zeigen werden“, kündigte er an.
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