50 Cent und nicht mehr sollen die Apotheken für die Bewältigung der Lieferengpässe bekommen. So sieht es der Kabinettsentwurf Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) vor. Die Großhändler sollen denselben Betrag erhalten.
Die Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) wird entsprechend ergänzt: „Im Fall eines Austauschs eines verordneten Arzneimittels nach § 129 Absatz 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch durch die Apotheke ist ein Zuschlag in Höhe von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer zu erheben.“
Im Absatz danach ist die Großhandelsvergütung geregelt. Diese soll ebenso angepasst werden: „Im Fall eines Austauschs eines verordneten Arzneimittels durch die Apotheke […] ist durch den Großhandel […] ein Zuschlag von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer zu erheben.“
Das BMG geht aufgrund der Lieferengpasszuschläge für Apotheken Großhändler von jährlichen Mehrausgaben in Höhe von rund 16 Millionen Euro aus. Die Höhe hänge von der Anzahl und vom Umfang der Lieferengpässe sowie von der Wahrnehmung des vereinfachten Austausches durch die Apotheken ab, heißt es im Entwurf.
In Absatz 5 ist aktuell geregelt, dass Apotheken, soweit mit den Kassen nichts anderes vereinbart ist, die kleinste im Verkehr befindliche Packung berechnen müssen, wenn die abzugebende Menge nicht in der Verschreibung vorgeschrieben oder gesetzlich bestimmt ist. Dieser Passus wird ergänzt: „Dies gilt auch in dem Fall, dass statt der verschriebenen Packungsgröße die verschriebene Menge des Arzneimittels als Teilmenge aus einer Packung abgegeben wird, die größer ist, als die verschriebene Packungsgröße.“
Bei „Nichtverfügbarkeit eines verordneten Arzneimittels“ dürfen die Apotheken dieses gegen ein verfügbares wirkstoffgleiches Arzneimittel austauschen. Im zuletzt bekannt gewordenen Entwurf hatte es noch eine Ungenauigkeit in der Formulierung gegeben – Apotheken befürchteten eine Retax-Falle, da lediglich von der „Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels“ die Rede war. Diese Unstimmigkeit wurde im finalen Gesetzentwurf behoben.
Die Nichtverfügbarkeit ist dabei nicht mehr an die Engpass-Liste des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gekoppelt, wie es ursprünglich in den Eckpunkten vorgesehen gewesen war. Eine Nichtverfügbarkeit liegt stattdessen vor, „wenn das Arzneimittel innerhalb einer angemessenen Zeit durch zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen im Sinne des § 52b Absatz 2 Satz 2 erster Halbsatz des Arzneimittelgesetzes nicht beschafft werden kann.“ Eine Konkretisierung der „angemessenen Zeit“ erfolgt allerdings auch im finalen Entwurf noch immer nicht.
Apotheken dürfen also weiterhin bezüglich folgender Parameter ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung abweichen, sofern die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird:
Kinderarzneimittel sollen bei den Festbeträgen dauerhaft ausgeklammert werden und von Rabattverträgen ausgenommen bleiben. Das BMG rechnet mit Mehrausgaben von 135 Millionen Euro. Bei Ausschreibungen zu Antibiotika sollen die Krankenkassen Hersteller mit Wirkstoffproduktion in der EU stärker berücksichtigen. Dies soll bei der Vergabe von Rabattverträgen neben dem günstigsten Preis ein Faktor sein. Dazu wird Lauterbach zufolge ein verbindliches System mit zwei Losen eingeführt: Den ersten Zuschalg erhält wie gewohnt der billigste Anbieter, beim zweiten Los muss der Hersteller mindestens 50 Prozent der Produktion in Europa nachweisen. Dieses lernende System könne später auf onkologische Arzneimittel ausgeweitet werden, so Lauterbach bei der Vorstellung seines Gesetzes.
Um Lieferengpässe künftig früher zu erkennen, soll beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ein Frühwarnsystem eingerichtet werden. Außerdem sollen neue Informationspflichten geschaffen werden, um die Versorgungslage im Blick zu behalten.
Der Entwurf sieht zudem vor, dass Hersteller im Falle der Aufhebung einer Festbetragsgruppe den Abgabepreis um bis zu 50 Prozent über dem zuletzt geltenden Festbetrag anheben kann. Die Zuzahlungsfreistellungsgrenze für festbetragsgeregelte Arzneimittel wird gesenkt. Statt heute 30 Prozent liegt die Grenze künftig bei 20 Prozent. Liegt der Preis mindestens 20 Prozent unter Festbetrag, kann der GKV-Spitzenverband Arzneimittel von der Zuzahlung freistellen.
Um kurzfristige Störungen in der Lieferkette oder gestiegene Mehrbedarfe bei Rabattarzneimitteln zu kompensieren, wird im Sozialgesetzbuch V eine Pflicht zur mehrmonatigen Lagerhaltung eingeführt. Für anerkannte Reserveantibiotika mit neuen Wirkstoffen wird den Herstellern ermöglicht, den bei Markteinführung gewählten Abgabepreis auch über den Zeitraum von sechs Monaten hinaus beizubehalten. Die Verhandlung zur Höhe des Erstattungsbetrags entfällt. Bei Mengenausweitungen zum Beispiel durch Indikationserweiterungen sind Preis-Mengen-Vereinbarungen vorgesehen
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