Zuschlag bei Lieferengpässen

50 Cent für Großhändler – Apotheken droht Chaos

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Berlin -

Für die Bewältigung der Lieferengpässe sollen nicht nur die Apotheken eine Entschädigung erhalten, sondern auch die Großhändler. Im gestern beschlossenen Kabinettsentwurf des ALBVVG ist ein Aufschlag von 50 Cent für beide vorgesehen. Allerdings ist noch vollkommen unklar, wie das in der Praxis umgesetzt werden soll. Den Apotheken droht ein bürokratisches Monster – und schlimmstenfalls der Anfang vom Ende der Arzneimittelpreisbindung.

Zur Ausgangssituation: Minister Lauterbach hatte den Apothekern eine extra Vergütung des Aufwands versprochen, den diese mit dem Management der massiven Lieferengpässe täglich haben. Als im ersten Entwurf dann von 50 Cent für jedes beschaffte Arzneimittel die Rede war, war die Empörung in der Abda groß: „Wirklich eine Frechheit“, schimpfte Abda-Präsidentin Gabriele Overwiening und forderte 21 Euro. Dass der Gesetzgeber das nicht 1:1 übernehmen würde, war ebenso klar wie die Enttäuschung bei der Abda groß, dass die 50 Cent überhaupt nicht angefasst wurden.

Dafür kamen im überarbeiteten Entwurf die Großhändler ins Spielt. Erst war von 20 oder 50 Cent die Rede, seit gestern ist klar, dass sie mit demselben Betrag entschädigt werden wie die Apotheken. Welchen erheblichen Aufwand die Großhändler mit den Engpässen haben, hat Phagro-Chef André Blümel in einem Statement zum Gesetz zusammengefasst.

Nur: Was muss konkret vorliegen, damit der Großhandel die 50 Cent aufschlagen kann? Wie kann sich die Apotheke das Geld für den Großhandel zurückholen? In der Branche herrscht Ratlosigkeit. Zwar könnte die Abrechnung der Covid-19-Impfstoffe als Blaupause dienen, mit dem gravierenden Unterschied, dass die hier gelieferte Ware unterschiedslos abgerechnet wurde.

Klar ist seit gestern nur, dass mit dem ALBVVG die Großhandelsvergütung in der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) ergänzt werden soll: „Im Fall eines Austauschs eines verordneten Arzneimittels durch die Apotheke nach § 129 Absatz 2a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist durch den Großhandel ergänzend zu den Zuschlägen nach Absatz 1 ein Zuschlag von 50 Cent zuzüglich Umsatzsteuer zu erheben.“

Dokumentation der Abfrage offen

Das Gesetz definiert auch die „Nichtverfügbarkeit“. Diese liegt vor, „wenn das Arzneimittel innerhalb einer an gemessenen Zeit durch zwei unterschiedliche Verfügbarkeitsanfragen bei vollversorgenden Arzneimittelgroßhandlungen […] nicht beschafft werden kann.“ Die Apotheke muss also für das verordnete Arzneimittel und die vier preisgünstigsten Präparate bei zwei Großhändlern eine MSV3-Abfrage starten. Das bindet immense Kapazitäten.

Womöglich verständigen sich Deutscher Apothekerverband (DAV) und Phagro hier auf eine spezielle Art der Abfrage, mit der der Engpass quasi im System dokumentiert wird. Aber das ist nur eine diskutierte Idee in der Branche, für die konkrete Umsetzung gibt es bislang keine Vorgaben des Gesetzgebers. Allerdings vorsichtshalber den Zusatz, dass der Großhandelszuschlag „nicht rabattfähig“ ist und vom Großhändler nicht an die Apotheke weitergegeben werden darf.

Neben dem enormen Aufwand bei der Abfrage könnte der Zuschlag für weitere Probleme in der Praxis sorgen: Was passiert, wenn der oder die Versicherte das mit viel Mühe beschaffte Arzneimittel nicht abholt? Die Apotheke hat dann ein – bei nächster Gelegenheit verfügbares – Arzneimittel an Lager, für das sie wegen des früheren Engpasses 50 Cent Aufschlag an den Großhändler gezahlt hat. Das macht die Abrechnung mit den Krankenkassen nicht unbedingt leichter und auch die Steuerberater:innen der Apotheken dürften nicht begeistert sein von so einem Flickenteppich an Warenlager.

Auswirkung auf die Zuzahlung

Da Hersteller ihre Arzneimittel regelmäßig zum Festbetragspreis listen, könnte dieser durch den neuen Großhandelszuschlag überschritten werden. Das wiederum hätte Auswirkungen auf die gesetzliche Zuzahlung – mit der neuen Besonderheit, dass zwei Kund:innen unterschiedlich behandelt werden, je nach Verfügbarkeit des Arzneimittels bei der Bestellung. Es ist eine theoretische Überlegung, aber in letzter Konsequenz würde damit der einheitliche Abgabepreis untergraben.

Die weiteren Regelungen bleiben abzuwarten, aber Stand heute ist zu befürchten, dass die zusätzliche Vergütung der Apotheken vom Mehraufwand mehrfach aufgefressen wird und sie sich im schlimmsten Fall in eine vollkommen chaotische Lage bei der Bestellung begeben. Eine schlichte Erhöhung des Großhandelshonorars als Kompensation für den Mehraufwand wäre sicherlich die effektivere Lösung gewesen.

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