Was wurde eigentlich aus...? APOTHEKE ADHOC, 19.05.2014 15:02 Uhr
Heute vor fünf Jahren hielt der Apothekenmarkt in ganz Europa den Atem an: Am 19. Mai 2009 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die Mitgliedstaaten selbst über ihre Gesundheitsversorgung bestimmen dürfen. Deutschland und andere Länder konnten weder von der EU-Kommission noch von Konzernen wie Celesio gezwungen werden, Apothekenketten zuzulassen. Was wurde aus den Protagonisten von damals?
...Ralf Däinghaus?
DocMorris-Gründer Ralf Däinghaus hatte sich nach seinem Ausstieg bei Celesio erst einmal eine einjährige Weltreise gegönnt. Danach versuchte er es wieder mit einer Neugründung: Kunesto sollte eine Art „Seniorenclub“ werden. Nach schwierigem Start wurde das Konzept überarbeitet und bietet jetzt Veranstaltungen, Kurztrips und Seminare für ältere Menschen. Däinghaus kokettiert aber noch mit seinem alten Ruf: Auf der Kunesto-Seite stellt er sich als „Apothekerschreck“ vor, der den Arzneimittelmarkt revolutioniert habe.
Auslöser des EuGH-Verfahrens war streng genommen nicht DocMorris, sondern der damalige Justiz- und Gesundheitsminister des Saarlandes, Josef Hecken. Weil er der niederländischen Kapitalgesellschaft entgegen geltendem Recht den Betrieb einer Apotheke erlaubte, kam es überhaupt erst zum Verfahren.
Die spätere Korrektur seiner Entscheidung erlebte Hecken nicht mehr als Minister: Im Mai 2008 war der CDU-Politiker Chef des Bundesversicherungsamtes geworden. Denkwürdig in dieser Funktion war seine Aufforderung an DAK-Chef Professor Dr. Herbert Rebscher, sich an geltendes Recht zu halten. Nach der Bundestagswahl 2009 sollte Hecken Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium werden. Doch Franz Josef Jung trat zurück und seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen brachte ihre eigene Mannschaft mit. Hecken musste mit dem Posten des Staatssekretärs im Bundesfamilienministerium Vorlieb nehmen. Seit Juli 2012 haben die Apotheker wieder mehr mit Hecken zu tun: Er wurde als Nachfolger von Dr. Rainer Hess zum Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) berufen.
...Peter Müller?
Heckens damaliger Chef war Ministerpräsident Peter Müller (CDU). Er hatte den Kurs seines Justizministers in Sachen DocMorris unterstützt. Im August 2011 trat Müller von seinem Amt zurück, auf ihn folgte Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Hintergrund für den bereits im Januar angekündigten Rückzug aus der Landespolitik war Müllers Wechsel nach Karlsruhe: Seit Dezember 2011 ist er Richter am Bundesverfassungsgericht.
...Fritz Oesterle?
Der damalige Celesio-Chef Dr. Fritz Oesterle hatte den Großhändler Ende Juni 2011 verlassen müssen und dafür eine Abfindung von rund 9 Millionen Euro erhalten. Heute ist der Jurist als Berater unter anderem für die Schwarz Unternehmenstreuhand tätig– der zentralen Schaltstelle des Handelskonzerns mit seinen Vertriebsmarken Kaufland und Lidl.
...der DocMorris-Apotheke in Saabrücken?
Die DocMorris-Apotheke in Saarbrücken wurde nach der EuGH-Niederlage an die vorherige Inhaberin Jutta Müller „zurückgegeben“. Die Apothekerin firmiert derzeit noch als Markenpartner von DocMorris. Ob sie irgendwann auf das neue Konzept Lloyds-Apotheke wechseln will, weiß sie noch nicht.
...Heinz Günter Wolf?
Heinz Günter Wolf hat den Angriff auf den deutschen Apothekenmarkt als ABDA-Präsident erlebt und mit abgewehrt. Ende 2012 gab Wolf seinen Posten an Friedemann Schmidt ab, im März 2014 zog er sich auch aus dem Landesapothekerverband Niedersachsen zurück. Heute bezeichnet er sich selbst als „berufspolitischer Rentner“ und führt seine Wolf-Apotheke in Hemmoor.
...Helga Neumann-Seiwert?
Helga Neumann-Seiwert führt die Stadt-Apotheke in Saarbrücken. Die Apothekerin hatte damals gegen die Betriebserlaubnis für DocMorris geklagt. Auch wenn sich die Situation in Saarbrücken in den vergangenen Jahren beruhigt hat, macht sich Neumann Sorgen: Dass die Troika in Griechenland Apothekenketten erzwingt, sieht sie als warnendes Signal, dass die EU-Kommission das Thema weiter verfolgt. „Wir werden in den kommenden fünf Jahren eine neue Debatte erleben“, so die Apothekerin.
...Charlie McCreevy?
Als EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen war Charlie McCreevy für die Vertragsverletzungsverfahren gegen mehrere EU-Staaten verantwortlich. Der Ire setze sich energisch für eine Liberalisierung des Apothekenmarktes ein. War von 2004 bis 2010 in der EU-Kommission und genießt jetzt seine Rente.
...Dr. Andreas Schwab?
Neben dem EuGH-Verfahren um die Saarbrücker DocMorris-Apotheke gab es wegen des Fremdbesitzverbots für Apotheken auch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Dies geht möglicherweise auch auf die Anfrage des baden-württembergischen CDU-Europaabgeordneten Dr. Andreas Schwab zurück. Der hatte zweimal bei der Europäischen Kommission angefragt, ob das deutsche Apothekenrecht mit dem EU-Gemeinschaftsrecht vereinbar sei. Aktuell kämpft er bei den am Sonntag anstehenden Europawahlen um seinen Wiedereinzug in das EU-Parlament.
...Dr. Angelika Niebler?
Dasselbe gilt für seine Parteifreundin Dr. Angelika Niebler (CSU). Die Münchnerin setzt sitzt im EU-Parlament derzeit in den Ausschüssen Industrie, Forschung und Energie und Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter. Niebler hatte im Juni 2008 zusammen mit Abgeordneten aus Spanien, Italien und Frankreich eine Initiative zum Erhalt des Fremdbesitzverbots gestartet.
Mehr als 200 Parlamentarier unterschrieben eine Erklärung, mit der Kommission aufgefordert wurde, keine Gerichtsverfahren gegen Mitgliedstaaten einzuleiten, um eine Liberalisierung zu erzwingen. Es hätten aber mindestens die Hälfte der damals 785 Parlamentarier unterschreiben müssen, damit die Erklärung der EU-Kommission vorgelegt worden wäre.