375 Millionen Euro oder nichts: Fahrplan zum Plan B Lothar Klein, 02.01.2019 15:10 Uhr
In gut zwei Wochen ist es so weit: Am 17. Januar sollen Kammern und Verbände über den 375 Millionen Euro schweren Plan B von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zur Zukunft der Apotheken abstimmen. Ja oder Nein – das Ergebnis könnte knapp ausfallen und der Zeitplan ist eng. In den kommenden zwei Wochen befassen sich die Gremien der Apothekerschaft mit dem von vielen empfundenen Votum „zwischen Pest und Cholera“. Und auch die Politik ist noch am Zuge: Am 15. Januar sprechen die Gesundheitspolitiker der Koalition mit Spahn. Dort gibt es ebenfalls Bedenken.
In einer Abfrage hat die ABDA unmittelbar vor Weihnachten alle Verbände und Kammern gebeten, bis zum 9. Januar ein Stimmungsbild zum Plan B in die Berliner Zentrale zu funken: „Wir würden es daher sehr begrüßen, wenn die Mitgliedsorganisationen die Vorschläge [...] kommentieren, die [...] Gesamtbewertung der unterschiedlichen Lösungen vornehmen und uns diese vor der Mitgliederversammlung zur Kenntnis geben“, so die ABDA in ihrem Schreiben: „Eine Rückmeldung bis zum Mittwoch, 9. Januar 2019, würde uns bei der Vorbereitung der Mitgliederversammlung helfen.“
Ob das gelingen wird, ist fraglich. Denn nach einer APOTHEKE ADHOC-Abfrage werden sich einige Kammern und Verbände erst später auf ihr Votum für die ABDA-Mitgliederversammlung am 17. Januar festlegen: Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe beispielsweise hat für den 15. Januar zu einer Sonder-Vorstandssitzung alle Fraktionen der Kammerversammlung eingeladen. Auch die Kammer Berlin will sich am 15. Januar festlegen und die Kammer Bremen einen Tag früher. In Hessen wollen Kammer und Verband bereits am 8. Januar ein Urteil fällen.
Und über die Weihnachtstage hat sich der Unmut der Apotheker über Spahn 375 Millionen Euro-Angebot und das Taktieren von ABDA-Präsident Friedemann Schmidt offenbar nicht beruhigt: „Vor einigen Monaten kündigten Sie an, Sie würden aus allen Rohren schießen. Obwohl nach den Vorschlägen von Herrn Spahn das Kind schon fast in den Brunnen gefallen ist, kommt von Ihrer Seite nichts“, empört sich Apotheker Hubertus Nehring in einem Brief an Schmidt.: „Wo ist der von der ABDA organisierte und koordinierte Aufstand der Apotheken? Wo schießen Sie aus allen Rohren?“
Statt einen Aufstand der Apotheken zu organisieren, verschicke die ABDA Faxe zum Apotheken-Daten-Panel, „was niemanden in der Politik interessiert“, so Nehring. Stattdessen solle die ABDA den Apothekern „Argumente an die Hand“ geben. Nehring: „Lassen Sie uns für unsere Interessen kämpfen. Nicht ein paar einzelne von uns, sondern die große Mehrheit muß sich wehren. Ihre Hinterzimmerpolitik allein ist gescheitert, es braucht mehr, um erfolgreich zu sein. Wachen Sie endlich auf und starten durch.“
In der Süddeutschen Zeitung verschafft der Münchener Apotheker Alfred Böhm seinem Ärger in einem Leserbrief auf den Kommentar „Ein großes Trostpflaster“ Gehör: „In letzter Zeit irritiert uns als Apotheker sehr, wie fortschrittsgläubig und vermeintlich modern alle Probleme unserer Zeit mit dem digitalen Zauberstab zu lösen sind.“ Natürlich sei „uns Apothekern auch klar, dass der stetige Wandel auch unser Berufsbild verändern wird, aber uns stört gewaltig die einseitige und herablassende Berichterstattung“. Warum erst alles kaputtmachen, was als Struktur jahrhundertelang gut funktioniert hat, um hinterher, wie so oft, festzustellen, dass man etwas Wichtiges verloren habe, fragt Böhm: „Ansprache, persönliche Atmosphäre, Glaubwürdigkeit und Orientierung? Das wird eine Internetapotheke nie leisten können, und auch keine App.“
Offen ist, wie sich die Gesundheitspolitiker der Union zu Spahns Plänen verhalten. Die SPD hat bereits Zustimmung signalisiert. In der Union stößt wie in der Apothekerschaft vor allem der geplante Rx-Boni von 2,50 Euro für ausländische Versandapotheken auf Bedenken. In der ersten Sitzungswoche des Bundestages wollen sie darüber mit Spahn beim turnusmäßigen Treffen sprechen. Sollte sich die ABDA-Mitgliederversammlung mehrheitlich für Spahns Angebot aussprechen, werden sich die Gesundheitspolitiker von CDU und CSU nicht querstellen – soviel scheint sicher.
Anderenfalls könnte sich allerdings eine günstige Gelegenheit bieten, Spahn die Grenzen seiner Ministermacht aufzuzeigen. Denn Spahn will seinen Plan B nicht als eigenes Gesetz einbringen, sondern an ein laufendes Gesetzgebungsverfahren anhängen – vermutlich an das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Dafür benötig Spahn allerdings die Mithilfe der Fraktionen. Diese müssten seine Pläne als Änderungsanträge übernehmen.
Insbesondere die Gesundheitspolitiker der Union fühlen sich von Spahns Plan B zum wiederholten Mal „überfahren“. Am 7. November berichtete APOTHEKE ADHOC erstmals über Details aus Spahns Plan B. Der Bericht löste nicht nur im Apothekenlager empörte Reaktionen aus: Im Nachgang zu der Sondersitzung des ABDA-Gesamtvorstandes in der Vorwoche seien Berichte in der Fachpresse erschienen, ließ die ABDA wissen: „Festzuhalten ist, dass in der Berichterstattung zum angeblichen Inhalt und Stand der Gespräche gemachte Aussagen in erheblichen Punkten nicht zutreffend sind.“ Auch verschiedene Kammerpräsidenten wiesen den Bericht als unzutreffend zurück. Der Rest ist bekannt: Aus dem damals mit 350 Millionen Euro bezifferten Alternativ-Paket wurde tatsächlich Spahns 375 Millionen Euro Plan B.
Mehr noch: Karin Maag, Gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, dementierte sogar gegenüber der Deutschen Apothekerzeitung: „Ich weiß nichts von einem 350-Millionen-Euro-Paket, das die Apotheker angeblich erhalten sollen. Ich arbeite sehr eng und gut mit Jens Spahn zusammen und weiß, dass er mich informieren würde, wenn er ein solches Paket auf den Weg bringen wollen würde.“ Sollte die führende Gesundheitspolitikerin der Unionsfraktion tatsächlich nicht eingeweiht gewesen und nicht einverstanden sein, böte sich jetzt die Chance Spahn in die Parade zu fahren. Aller tatsächlicher oder vorgeschobener Unwissenheit zum Trotz liegt Spahns Plan B jetzt zur Abstimmung vor. Die Zeit des Taktierens nähert sich dem Ende.