Insbesondere beim Impfen mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca kommt Deutschland kaum voran. Es gibt diverse Ideen, was dagegen zu tun wäre – ein Vorschlag ist jedoch vorerst vom Tisch.
Mit der erwarteten Lieferung von mehr als einer Million Dosen des Astrazeneca-Impfstoffs könnte sich der Impfstau in den Bundesländern bis Ende der Woche nochmals vergrößern. Bis Donnerstag sollen knapp 1,1 Millionen Dosen des Vakzins geliefert werden, insgesamt erhöht sich die Liefermenge damit auf fast 3,2 Millionen, wie aus Zahlen des Gesundheitsministeriums hervorgeht. Bis einschließlich Sonntag haben nach Zahlen des Robert Koch-Instituts aber nur rund 455.000 Menschen eine Impfung mit dem Präparat des britisch-schwedischen Herstellers erhalten.
Da die Nachfrage bisher eher gering ist, tritt jetzt der erste Landkreis die Flucht nach vorne an: In Ludwigslust-Parchim in Mecklenburg-Vorpommern, wo Kitas als ein neuer Schwerpunkt von Infektionen gelten, sollen ab Freitag die ersten Kita-Erzieher und Grundschullehrer von mobilen Teams eine Impfung bekommen können, wie ein Kreissprecher sagte. In den Kühlschränken wuchs am Montag der Berg nicht gegebener Astrazeneca-Impfdosen: Im Landkreis Nordwestmecklenburg waren von 150 möglichen Impfterminen nur 26 gebucht, wie ein Kreissprecher mitteilte. Die Freigabe des Präparats für weitere Berufs- und Personengruppen erscheine wünschenswert. Ähnlich sieht es in den Großstädten aus: In Schwerin wurden von 70 Terminen laut Pressestelle am Montag nur 40 genutzt. Im Landkreis Rostock waren bis zum Nachmittag von den 150 möglichen Impfterminen für Dienstag erst 50 über das Call-Center des Landes vergeben, wie eine Kreissprecherin berichtete. Im Krankenhaus Ludwigslust waren 70 Impfungen möglich, nur 29 konnten aber tatsächlich erfolgen, wie ein Kreissprecher sagte.
Die Bundesregierung wies am Montag dennoch den Eindruck zurück, dass Impfstoff einfach ungenutzt liegenbleibe. Es könne unterschiedliche Gründe geben, warum AstraZeneca-Impfstoff noch nicht verabreicht sei, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. So könne Impfstoff erst relativ frisch geliefert sein, für eine zweite Impfung zurückgehalten werden oder noch nicht verimpft, aber für bestimmte Impfungen vorgesehen sein. Über das vergangene Wochenende sind rund 91.000 Menschen in Deutschland mit dem Mittel von Astrazeneca geimpft worden. Bleibt es bei diesem Tempo, könnten bis Ende der Woche knapp zwei Millionen Dosen zunächst ungenutzt bleiben. Insgesamt sind bis einschließlich Sonntag über 6,1 Millionen Impfungen gegen Covid-19 verabreicht worden. Der Großteil entfällt dabei auf den Impfstoff von Biontech/Pfizer.
Eine grundsätzliche Freigabe des Astrazeneca-Impfstoffs für Menschen abseits der Vorranggruppen lehnt die Bundesregierung derzeit ab. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte zuletzt eine weniger starre Priorisierung für Astrazeneca ins Gespräch gebracht, um den Rückstand möglichst schnell abzubauen. Außerdem regte er am Montag an, Hausärzte, Betriebsärzte oder Schulärzte Astrazeneca auch abseits der Impfzentren impfen zu lassen. „Der Impfstau von Astrazeneca kann sofort aufgelöst werden“, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Es gebe etwa sechs Millionen pflegende Angehörige, die auf ihr Impfangebot warten. „Doch bisher passiert hier nichts.“
Das Präparat von Astrazeneca weist Studien zufolge eine etwas geringere Wirksamkeit auf als die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna. Außerdem wird es von der ständigen Impfkommission (Stiko) in Deutschland – anders als von der EU-Arzneimittelbehörde EMA – bisher nur für Menschen zwischen 18 und 64 Jahren empfohlen, weil Daten zur Wirkung bei Älteren fehlen. Die Stiko kündigte jedoch an, ihr Empfehlung zeitnah zu überdenken. Dann könnte Astrazeneca auch für ältere Menschen genutzt werden.
In der Frage nach der öffentlichen Impfung von Politikerinnen und Politikern, um das Image des Astrazeneca-Impfstoffs aufzupolieren, zeigte sich die Bundesregierung zurückhaltend. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich derzeit nicht im Fernsehen mit Astrazeneca-Impfstoff impfen lassen, wie Seibert deutlich machte. Das hatte der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, vorgeschlagen. Seibert erläuterte, Merkel habe immer wieder gesagt, sie lasse sich dann impfen, wenn sie an der Reihe sei. Merkel sei zudem 66 Jahre alt, und derzeit sei der Impfstoff nur für Unter-65-Jährige empfohlen, so Seibert. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hingegen würde sich „sofort mit Astrazeneca impfen lassen“, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Sowohl Seibert als auch Müller wiesen auf die Sicherheit des Impfstoffs hin.
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