28 Millionen Euro: Zava greift Arztpraxen an APOTHEKE ADHOC, 13.06.2019 09:43 Uhr
Zava, früher DrEd, hat sich millionenschweres Kapital besorgt, um in Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit Telesprechstunden die etablierten Arztpraxen anzugreifen. Der niederländische Wachstumsfonds HPE Growth stellt das Geld bereit: „Das Investment in Höhe von 28 Millionen Euro ist ein Meilenstein für das Unternehmen aus London, das vor dem zeitnahen Eintritt in die gesetzlichen Gesundheitssysteme in Deutschland, Großbritannien und Frankreich steht“, heißt es in einer Erklärung. Noch im Sommer 2019 wird Zava wie bereits angekündigt einen Standort in Hamburg eröffnen.
Zava sieht sich selbst als Pionier auf dem Gebiet der Telemedizin. Jeden Monat wendeten sich fast 100.000 Patienten aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, Großbritannien und Irland für die telemedizinische Beratung und Behandlung an die Ärzte der Online-Arztpraxis. Seit 2011 hat Zava nach eigenen Angaben über drei Millionen bezahlte Arzt-Konsultationen durchgeführt, davon allein eine Million in 2018.
David Meinertz, Gründer und CEO von Zava, sagt: „Der demografische Wandel und steigende Gesundheitsausgaben stellen nicht nur Gesundheitssysteme weltweit vor große Herausforderungen. Auch Patienten erhalten immer seltener die nötige medizinische Versorgung genau dann, wenn sie diese brauchen. Zava stellt sich diesen Herausforderungen. Unsere Mission ist es, eine Gesundheitsversorgung zu schaffen, die einfach zugänglich, zuverlässig und dazu kostengünstig ist. Damit Menschen wieder mehr Zeit für die Dinge haben, die ihnen besonders wichtig sind. Wir freuen uns, dass HPE Growth diese Ambitionen teilt.“
Dank der von Ärzten entwickelten, strukturierten Arzt-Patienten-Interaktion sei das Behandlungsmodell sicher und effizient, beschreibt das Unternehmen seinen Erfolg. Der überwiegend schriftliche Austausch dauere meist nur wenige Minuten, werde transparent dokumentiert und sei für den Patienten jederzeit einsehbar.
Mit dem frischen Kapital will Zava technische und personelle Ressourcen stärken und das medizinische Portfolio erweitern. Außerdem werde die Online-Arztpraxis ihre Präsenz in bestehenden Märkten weiter ausbauen und in neue Länder expandieren – sowohl unter der eigenen Marke als auch im Zuge strategischer Partnerschaften. Ziel sei es, das globale Wachstum fortzusetzen, um sich weltweit als Spitzenreiter im Bereich der Telemedizin zu etablieren.
Harry Dolman, Partner bei HPE Growth, begründet das Investment wie folgt: „Das innovative Behandlungsmodell von Zava ist einzigartig, einfach und bequem für Patienten, außerordentlich effizienzsteigernd für Ärzte und kostengünstig für Gesundheitssysteme. Wir freuen uns mit David Meinertz und seinem Team in die Regelversorgung einzusteigen und Zava in neue Märkte zu bringen.“
Die Ärzte von Zava behandeln ihre Patienten ausschließlich über das Internet. Das Behandlungsmodell von Zava funktioniert zeitversetzt über einen medizinischen Online-Fragebogen und eine Nachrichtenfunktion. Der Patient legt ein persönliches Patientenkonto an, wählt die gewünschte Beratung aus und beantwortet online einen medizinischen Fragebogen. Der behandelnde Arzt analysiert die Informationen und stellt, falls medizinisch erforderlich, ein Rezept aus. Das Rezept wird auf Wunsch des Patienten direkt an eine Versandapotheke geschickt. Patienten, die aufgrund ihres Krankheitsbildes nicht online behandelt werden können, werden an einen Arzt vor Ort verwiesen. Nach eigenen Angaben behandelt Zava aktuell in Deutschland über 30 Indikationen aus den Bereichen Männer- und Frauengesundheit, Innere Medizin sowie der Allgemein- und Reisemedizin. Die Online-Arztpraxis wurde 2010 von David Meinertz (CEO) und Amit Khutti in London (UK) unter dem Namen DrEd gegründet, 2011 eröffnet und 2019 in Zava umbenannt. Derzeitig beschäftigt der Telemedizin-Anbieter rund 190 Mitarbeiter.
Vom deutschen Apothekenmarkt war Zava längere Zeit ausgeschlossen. Ex-Gesundheitsmimnister Hermann Gröhe (CDU) hatte im November 2016 per Gesetz Apotheken in Deutschland untersagt, Rezepte zu bedienen, die offenkundig ausschließlich im Zuge einer telemedizinischen Beratung ausgestellt wurden. Inzwischen haben sich die Dinge allerdings verändert: Bundesgesundheitsminister Jems Spahn (CDU) hat die Telemedizin als Regelversorgung zugelassen und will das sogenannte DrEd-Verbot im Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) wieder aufheben. Die meisten Ärztekammern haben zudem die Telemedizin in ihre Berufsordnungen aufgenommen. In Baden-Württemberg laufen bereits seit längerem telemedizinische Modellprojekte. In diesem Rahmen soll ab Herbst auch das E-Rezept „Gerda“ erprobt werden.