In einem offenen Brief haben 265 brandenburgische Apothekerinnen und Apotheker Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dazu aufgefordert, auf die Erhöhung des Kassenabschlages im Rahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) zu verzichten.
Obwohl die Apothekerinnen und Apotheker im Rahmen der Pandemie immer wieder die ihnen von der Politik vielfältig zugewiesenen zusätzlichen Aufgaben trotz der bestehenden Personalknappheit zuverlässig erfüllt hätten, um den Patientinnen und Patienten zu helfen, würden sie durch dieses geplante Gesetzesvorhaben existenziell bedroht. „Die aktuellen Planungen befremden uns umso mehr, weil bei den Apotheken definitiv keine Effizienzreserven mehr vorhanden sind“, betont Verbandschef Olaf Behrendt.
Das erkläre sich insbesondere daraus, dass die Arzneimittelpreisverordnung als Grundlage der Apothekenvergütung bis auf eine geringfügige Ausnahme seit nunmehr 18 Jahren nicht angepasst wurde. Alle Preissteigerungen bei Mieten, Mitarbeitergehältern, Energiekosten, durch die Inflation et cetera mussten und müssten demnach aus gleichbleibenden Vergütungen finanziert werden. „Dadurch ist der Anteil der Apothekenhonorierung an den Gesamtausgaben der GKV inzwischen auf nur noch 1,9 Prozent gesunken. Der Anteil des Staates durch die Erhebung des vollen Mehrwertsteuersatzes auf Arzneimittel und der Anteil der Verwaltungsausgaben der Krankenkassen liegen dagegen ungleich höher“, so Behrendt.
„Nichts belegt die Bedrohung der flächendeckenden Arzneimittelversorgung eindrucksvoller als die seit Jahren sinkende Zahl der Vor-Ort-Apotheken – auch und besonders in der Coronazeit“, ergänzt Kammerpräsident Jens Dobbert. „Während schon zum Ende des Jahres 2021 bundesweit netto 291 Betriebsstätten weniger zu verzeichnen waren, sank deren Zahl im ersten Halbjahr erneut um 205 Apotheken gegenüber dem Vorjahreszeitraum ab. Kumuliert sind so in nur eineinhalb Jahren netto fast 500 Apotheken aus der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung verschwunden.“
Das den Apotheken vorgerechnete Umsatzplus in den Pandemiejahren sei in der Praxis also nicht als Gewinnplus angekommen. Denn Apotheken würden immer nur dann geschlossen, wenn sie nicht verkauft werden könnten. Jede Schließung bedeute damit eine Pleite, für die letztlich die von der Politik gesetzten Rahmenbedingungen verantwortlich seien.
Daran könnten auch die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen nichts ändern. Hierfür wurden zwar 150 Millionen Euro zusätzlich an Honorar zur Verfügung gestellt – mit der Anhebung des Kassenabschlages solle den Apotheken gleichzeitig jedoch ein vergleichbarer Betrag entzogen werden. Unter dem Strich bliebe ihnen damit mehr Arbeit für das gleiche Honorar.
In diesem Zusammenhang verwiesen Behrendt und Dobbert ausdrücklich auf die mehrheitlich unterstützte Initiative des Landes Brandenburg im Gesundheitsausschuss des Bundesrates, die darauf abzielt, auf die Anhebung des Apothekenabschlages zu verzichten. Die Apothekerinnen und Apotheker appellierten an den Bundesgesundheitsminister, dieser Empfehlung zu folgen.
Vor allem in ländlichen Regionen wie in großen Teilen Brandenburgs bedeuteten geschlossene Apotheken nicht nur den Verlust von flexiblen und wohnortnahen Arbeitsplätzen vor allem für qualifizierte Frauen. Besonders für ältere und immobile Mitbürgerinnen und Mitbürger folge daraus eine deutliche Verschlechterung ihrer Regelversorgung, wenn sie plötzlich erheblich größere Entfernungen bis zur nächsten Apotheke zurücklegen müssten. Gerade diese letzten Kilometer lege kein Versandhandel zurück, so wie sich Lieferdienste oder Carsharing-Angebote auch nur in dicht bewohnten Städten ansiedeln, weil sie sich sonst einfach nicht rentierten.
Schließlich forderten die Apothekerinnen und Apotheker Lauterbach dazu auf, seinen Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass es in Brandenburg endlich auch ein Pharmaziestudium gibt. Denn das sei die einzig wirksame Möglichkeit, dem Personalmangel in den Apotheken ihres Bundeslandes entgegenzuwirken und die Versorgungslage dauerhaft zu stabilisieren. Dass Brandenburg weiterhin unsolidarisch auf die Studienabgänger anderer Bundesländer zurückgreife, müsse ein Ende haben.
Die Absender der Briefe luden Karl Lauterbach oder auch Mitglieder der Leitungsebene seines Hauses zu einem Besuch in ihre Apotheke ein. Am konkreten Beispiel vor Ort lasse sich wohl am besten erklären, wie bedroht die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch die Apotheken inzwischen sei. Das könnten die Besucher am fehlenden Personal, an nicht lieferbaren Arzneimitteln, an fehlentschiedenen Rabattverträgen zwischen Industrie und Krankenkassen, an unsinnigen bürokratischen Hürden oder nicht zuletzt an der Dankbarkeit und Wertschätzung der Patienten sehen.
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