20 Cent je Packung: Der unsichtbare Kredit Patrick Hollstein, 24.01.2022 10:39 Uhr
Die Apotheken bekommen derzeit Geld, das ihnen nicht gehört. In der Abrechnungssumme enthalten ist nämlich seit Mitte Dezember ein Betrag von 20 Cent je Packung, der eigentlich zur Finanzierung der pharmazeutischen Dienstleistungen (PharmDL) gedacht ist und abgeführt werden muss. Weil die Verhandlungen dazu aber gescheitert sind, „parkt“ das Geld derzeit in den Apotheken. Der Betrag muss aber später an den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) überwiesen werden.
Seit 15. Dezember werden 20 Cent mehr je Packung abgerechnet; der Betrag ist zur Finanzierung der pharmazeutischen Dienstleistungen gedacht. Der NNF hat den Apotheken jedoch mitgeteilt, dass es mangels Einigung zwischen Deutschem Apothekerverband (DAV) und GKV-Spitzenverband noch keine Lösung dafür gibt und dass vorerst nur der reguläre Betrag für den Nacht- und Notdienst abgezogen wird. Der Betrag für die pharmazeutischen Dienstleistungen bleibt also zunächst in den Apotheken.
„Bitte berücksichtigen Sie bei Ihrem Jahresabschluss für das Jahr 2021 und bei der Liquiditätsplanung für das kommende Jahr, dass Sie den Festzuschlag für die pharmazeutischen Dienstleistungen aus der zweiten Dezemberhälfte 2021, der Ihnen zunächst mit der Dezemberabrechnung 2021 von Ihrer Rezeptabrechnungsstelle gutgeschrieben wird, zu einem späteren Zeitpunkt an den Nacht- und Notdienstfonds abführen müssen“, heißt es von Verbandsseite. „Informieren Sie bitte auch Ihr Steuerbüro über diesen Sachverhalt.“
Bereits Ende November wollten die Rechenzentren von DAV/Abda wissen, wie sie mit dem Geld umgehen sollen: „Es stellt sich nun für alle Apothekenrechenzentren die Frage, was sie im Rahmen der Rezeptabrechnung für Dezember 2021 mit den 0,20 EUR/RX-Arzneimittel machen sollen“, heißt es in einem Schreiben des Branchenverbands VDARZ. „Auszahlung an die Apotheken? Auszahlung an den Nacht- und Notdienstfonds? ‚Parken‘ auf einem Sonderkonto des ARZ? Wer zahlt die Verwahrgebühren? Die Zeit drängt und wir benötigen dringend eine Antwort auf diese Frage“, so der Verband mit Verweis auf den erheblichen Anpassungsaufwand in den Abrechnungsprogrammen.
Die Abda verwies in ihrer Antwort darauf, dass sich erst mit der Beleihung des NNF durch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) die rechtliche Grundlage ergebe, den entsprechenden Zuschlagsbetrag an den NNF abzuführen. „Wir sind optimistisch, diese bis Mitte Dezember 2021 zu erhalten. Der NNF wird hierzu – in Abstimmung mit dem DAV – unverzüglich informieren.“
Bis zur Klärung sollten die Rechenzentren den Betrag zunächst an die Apotheken weiterleiten. „Der NNF wird mit dem Auszahlungsbescheid für die Notdienste im Dezember 2021 die Apotheken dafür sensibilisieren, dass der Betrag nachträglich an den NNF abzuführen sein wird.“
Lösung noch im Januar?
Noch ist das Problem nicht gelöst: Sobald es „spruchreife Neuigkeiten“ gebe, werde man diese „natürlich auch an Sie und alle anderen interessierten Medien kommunizieren“, schreibt der DAV auf Anfrage.
Laut NNF-Geschäftsführer Ferdinand Ostrop ist eine Überweisung an den NNF derzeit aus technischen Gründen noch nicht möglich. Der Plan sei aber, dass es noch im Januar eine Lösung dafür geben soll. Er gehe davon aus, dass das auch klappt.
Bei rund 730 Millionen Euro ergibt sich rein rechnerisch ein Betrag von rund 640 Euro pro Apotheke und Monat. Je nach Größe des Betriebs kann die Summe natürlich unterschiedlich hoch ausfallen. Spannend ist aber auch, wie lange sich die Hängepartie hinzieht – und wie lange der Gesetzgeber zuschaut. Denn laut Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) soll für die Dienstleistungen ein Gesamtbetrag von rund 150 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Solange aber keine Leistungen erbracht werden, kann das Geld eigentlich auch nicht für später angespart werden. Denn dann müsste die Vergütung temporär angehoben werden oder das Geld für einmalige Aufwendungen genutzt werden.