Frage nicht was deine Kammer für dich tut, sondern was du für deine Kammer tun kannst. Ein Apotheker aus Sachsen muss 15.000 Euro als Kammerbeitrag zahlen – obwohl seine Apotheke noch nicht einmal den Durchschnittsumsatz erzielt. Doch laut einem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen (OVG) ist es nicht zu beanstanden, dass auch Einnahmen aus Nebengeschäften zur Bemessung herangezogen werden. Die Idee, einen Sondertarif für Versand-, Klinik- und Großhandelsapotheken einzuführen, verwarfen die Richter.
Falk Hentzschel betreibt die City-Apotheke in Hohenstein-Ernstthal bei Chemnitz. Mit einem Umsatz von 750.000 Euro im Jahr 2012 gehört die Apotheke zu den kleineren Betrieben im Freistaat; der Durchschnittsumsatz lag laut Sächsischer Landesapothekerkammer (SLAK) im selben Jahr bei 2,25 Millionen Euro.
Doch Hentzschel betreibt nebenbei noch einen Großhandel, den die Industrie im Rahmen von Aktionen oder bei Überbeständen nutzt. Rund 200 Kunden in ganz Deutschland beliefert der Apotheker, 80 Prozent des Geschäfts entfallen auf OTC-Produkte. Und in diesem Bereich werden deutlich höhere Umsätze als in seiner Offizin erzielt. 2012 waren es mehr als 14 Millionen Euro.
Weil er in der Summe also auf Erlöse von rund 15 Millionen Euro kommt, sollte Hentzschel für 2013 gemäß Beitragssatz in Höhe von 0,085 Prozent vom Umsatz einen Kammerbeitrag von knapp 15.000 Euro zahlen: 600 Euro für den Bereich Apotheke, mehr als 14.300 Euro für sein Großhandelsgeschäft. Sein Widerspruch wurde abgewiesen, Hentzschel klagte daher vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz (VG).
Aus seiner Sicht dürfte der Großhandel bei der Berechnung des Kammerbeitrags nicht herangezogen werden, da er weder in der Beitragsordnung genannt noch apothekenüblich sei. Zwar habe er den Bereich nicht als eigenes Gewerbe angemeldet, er sei aber räumlich und organisatorisch vom Apothekenbetrieb komplett getrennt. Insofern habe er auch seitens der Kammer hier keine Unterstützung zu erwarten, da diese zuvorderst dem Berufsauftrag der Apotheker verpflichtet sei. Leistung und Gegenleistung stünden daher in einem groben Missverhältnis, was eine Verletzung des Äquivalenzprinzips darstelle.
Schließlich verwies Hentzschel noch darauf, dass im Großhandel deutlich geringere Roherträge anfielen, sodass die Heranziehung für den Kammerbeitrag auch gegen den Gleichheitssatz verstoße: Kollegen, die ohne Großhandel beispielsweise einen fünffach höheren Umsatz erzielten, müssten – bei deutlich höherem Rohertrag – nur ein Viertel des Kammerbeitrags zahlen, rechnete er vor.
Doch nach dem VG wies nun auch das OVG die Klage des Apothekers ab: Grundsätzlich habe die Kammer im Rahmen ihrer Satzungsautonomie auch bei der Beitragsordnung eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. So sei die Orientierung am Umsatz im Grundsatz nicht zu beanstanden: „Ein Apotheker profitiert von der Kammertätigkeit nach der zulässigen pauschalen Annahme des Satzungsgebers typischerweise in Abhängigkeit von der Höhe seines Umsatzes, auch wenn einzuräumen ist, das jedenfalls der unmittelbare Vorteil einer mit dem Beitrag abgegoltenen Mitgliedschaft nicht im gleichen Maße linear steigen dürfte, wie der anhand des Umsatzes ermittelte Beitrag.“
Doch um den Nutzen für den einzelnen Beitragszahler geht es laut OVG auch gar nicht: „Der Vorteil, den das Mitglied aus der Kammertätigkeit zieht, besteht insbesondere darin, dass die Kammer die ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben erfüllt und damit das Gesamtinteresse ihrer Mitglieder wahrnimmt.“ Insofern sei die Situation auch nicht mit den ewigen Streitigkeiten um das Thema Abwassergebühren zu vergleichen, wo die durch den Beitrag abgegoltenen Vorteile „in sehr hohem Maße messbar und damit individualisierbar“ seien.
Eine Notwendigkeit für Differenzierung, etwa zwischen OTC- und Rx-Umsätzen oder Einzelhandels- und Großhandelsgeschäft, sehen die Richter nicht: Vielmehr dürfe die Kammer „in sachlich vertretbarem Rahmen aus Praktikabilitätserwägungen, insbesondere im Interesse einer möglichst einfach zu handhabenden Beitragsordnung, bei der Beitragsbemessung Typisierungen und Pauschalisierungen vornehmen und von einer Differenzierung nach bestimmten Modalitäten der Berufsausübung absehen“. Jedenfalls bestehe aus höherrangigem Recht keine Verpflichtung, für Umsätze aus besonderen Geschäften einen „privilegierenden Beitragsmaßstab“ zu schaffen oder diese Betriebstätigkeit beitragsfrei zu stellen.
Selbst Mischbetriebe müssten mit pauschal erhobenen Kammerbeiträgen leben. Die Richter verwiesen auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG), nach dem ein eigentlich von der Gewerbesteuer befreiter Krankenhausträger zur Zahlung der kompletten IHK-Beiträge verpflichtet wurde, weil er nebenher auch eine Cafeteria und einen ambulanten Pflegedienst betrieb. Im Fall des Apothekers sei der Fall noch eindeutiger, „weil er sowohl aus dem Einzel- als auch aus dem Großhandel […] Umsätze aus dem Betrieb der Apotheke erzielt und deshalb der Mitgliedschaft und damit der Beitragspflicht unterliegt“.
Dass Hentzschel für seine Geschäfte eine Großhandelserlaubnis benötige, ändere daran nichts: „Nach der Beitragssatzung kommt es ausschließlich auf die Zugehörigkeit des Großhandels zum Apothekenbetrieb an. Da der Kläger den Großhandel rechtlich nicht aus seinem Apothekenbetrieb ausgegliedert hat, ist er auch mit dem dadurch erzeugten Umsatz [...] beitragspflichtig.“
Das Argument, dass der Rohertrag im Großhandel statt bei 25 nur bei 5 Prozent liegt, ließen die Richter ebenfalls nicht gelten: Zu einem „nicht unerheblichen Teil“ werde die Marge im Einzelhandel „durch eine personalintensive und daher eher kostspielige Beratungstätigkeit aufgezehrt, soweit es sich nicht um nicht apothekenpflichtige Arzneimittel und Produkte des Randsortiments, wie Babynahrung und -pflegemittel sowie Kosmetikbedarf und um Umsätze aus der Belieferung ärztlicher Praxen mit einer niedrigeren Handelsspanne handelt“, heißt es dazu im Urteil. So führten Kosten von 20 versus 3 Prozent bei Hentzschel unter dem Strich dazu, dass der Großhandel 2 und der Einzelhandel 5 Prozent zum Gewinn beisteuere.
Daher sei es „nicht gleichheitswidrig und von den betroffenen Apothekern grundsätzlich hinzunehmen, dass sie aufgrund erhöhter Umsätze aus dem Großhandel im Ergebnis einen höheren Kammerbeitrag zu leisten haben als Apotheker, die bei niedrigeren Umsätzen in einer reinen Einzelhandelsapotheke gleich hohe oder sogar höhere Gewinne erzielen“.
Im Verfahren hatten Hentzschels Anwälte noch die Idee ins Spiel gebracht, dass alle Großhandels-, Versand- und Klinikapotheken in Sachen Kammerbeitrag gesondert behandelt werden müssten, da sie zusammen immerhin mehr als 10 Prozent aller Mitglieder stellten.
Die Richter ließen sich zwar von Kammer und Landesdirektion die Zahlen kommen, konnten aber am Ende keine einheitliche Gruppe erkennen, die eine unterschiedliche Behandlung bei der Beitragsbemessung erfordere. Schon beim Versandhandel gebe es Unterschiede, da der Rx-Bereich der Preisbindung unterliege und daher eine höhere Gewinnmarge erzielt werde. „Dies rechtfertigt es nicht, die in Versandhandelsapotheken erzielten Umsätze solchen aus dem Arzneimittelgroßhandel und dem Betrieb einer Krankenhausapotheke gleichzustellen. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit ist daher nicht verletzt, wenn Umsätze aus dem Arzneimittelgroßhandel bei der Beitragsbemessung in gleicher Weise behandelt werden wie diejenigen aus dem Einzelhandel.“
Schließlich erlaubte sich das Gericht noch den Hinweis, dass Hentzschel auch nicht überproportional in Sachen Kammerbeitrag beansprucht werde. Denn um eine Doppelbelastung zu vermeiden, würden Apotheker bei den IHK-Beiträgen nur mit einem Viertel ihres Gewerbeertrages zum Grundbeitrag und zur Umlage veranlagt. Und was die strittigen Zahlungen an die Apothekerkammer angehe, zahle Hentzschel „nur“ circa 0,78 Prozent des Gesamtbeitragsaufkommens in Höhe von 1,83 Millionen Euro beziehungsweise circa 0,85 Prozent des Beitragsaufkommens aller Apothekeninhaber. „Dies reicht für die Annahme einer überproportionalen und das Äquivalenzprinzip verletzenden Inanspruchnahme des Klägers nicht aus.“
Hentzschel überlegt, ob er Nichtzulassungsbeschwerde einlegt, um vor das BVerwG zu kommen. Aus seiner Sicht hat sich die Problematik noch verschärft, da die Umsätze sich zwischenzeitlich noch wesentlich gesteigert haben. Vorerst bleibt jedoch in Sachsen eine kleine Apotheke aus der Provinz einer der größten Beitragszahler.
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