1,2 Millionen Dosen: Bund bunkert Biontech APOTHEKE ADHOC, 07.06.2021 14:11 Uhr
Apotheken und Arztpraxen haben in diesen Tagen wieder mit Kürzungen beim Corona-Impfstoff von Biontech zu kämpfen. Vielerorts wurden die Erstimpfungen komplett gestrichen, regional gab es gar Probleme bei der Auslieferung der Vials für die Zweitimpfungen. Gleichzeitig hält der Bund laut eines Berichts des Nachrichtenmagazins „Spiegel“ 1,2 Millionen Dosen zurück – nach eigenen Angaben, um Zweitimpfungen im Juni sicherzustellen. Der Deutsche Hausärzteverband hat dafür kein Verständnis.
5,13 Millionen Dosen hat Biontech für die vergangene Woche an den Bund geliefert – das Bundesgesundheitsministerium (BMG) stellte für Impfzentren und Arztpraxen aber nur 3,92 Millionen Dosen zur Verfügung. Noch größer war das Missverhältnis, wenn man sich nur die Praxen anschaut – denn die Kürzung ging größtenteils zu ihren Lasten: Ursprünglich hatte das BMG 3,3 Millionen Dosen angekündigt, letztlich waren es nur 2,2 Millionen. Den Impfzentren waren demgegenüber 75.000 Dosen gekürzt worden.
Das Timing für massive Kürzungen könnte schlechter kaum sein: Am Montag ist die Priorisierung gefallen, die Praxen befürchten einen Ansturm. Zeitgleich wurde der Biontech-Impfstoff auch für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen – eine weitere Gruppe mit bis zu 5 Millionen potenziell Impfwilligen kommt allzu hinzu. Außerdem läuft die Belieferung der Betriebsärzt:innen an, auch hier wird großer Bedarf erwartet. Gleichzeitig stehen Millionen Zweitimpfungen mit Comirnaty an.
Genau für die hat das BMG nun über eine Million Dosen beiseitegelegt. „Aufgabe des BMG ist es, die Mengen in den Arztpraxen so zu steuern, dass der Bedarf für Zweitimpfungen zu jedem Zeitpunkt gedeckt werden kann“, erklärt das Ministerium gegenüber dem Nachrichtenmagazin. Denn in den kommenden drei Wochen würden überproportional viele Zweitimpfungen anstehen, deren Durchführung so gewährleistet werde. Der Bedarf an Zweitimpfungen müsse laut BMG „zwingend deutlich niedriger sein als die Gesamtmenge, die durch das BMG in das Regelsystem überführt wird“.
In den Kalenderwochen 23 und 24 – also vom 7. bis zum 20. Juni – reiche die von Biontech gelieferte Menge nicht aus, um die Durchführung aller Zweitimpfungen sicherzustellen, „insbesondere, da die Betriebsärzte ebenfalls mit 700.000 Impfdosen von Biontech mitimpfen werden“, so das BMG. Der Deutsche Hausärzteverband hält es für die falsche Taktik, deshalb ausgerechnet beim Biontech-Impfstoff für die Praxen zu sparen. „In vielen Impfzentren wird Biontech an ältere Mitbürger verimpft, die auch AstraZeneca bekommen könnten. Im Gegenzug müssen in den Praxen junge Frauen auf Biontech verzichten, obwohl es für sie etwas höhere Risiken bei AstraZeneca gibt“, wird dessen Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt zitiert.
Für ihn ist das Resultat klar: „So verlieren wir Zeit“, klagt er. „Wieso muss jetzt etwas gebunkert werden, wenn vorher immer angekündigt wurde, dass im Juni mehr Biontech kommt?“ Allerdings sieht es auch bei den anderen Impfstoffen weiter unsicher aus. Daten des BMG zufolge wird AstraZeneca von Anfang April bis zur ersten Juniwoche nur 7,3 Millionen Dosen geliefert haben. Vorgesehen waren 12,4 Millionen Dosen. Johnson & Johnson wiederum soll eigentlich bis Monatsende 10,1 Millionen Dosen liefern – allerdings werden es bis zur zweiten Juniwoche auch hier gerade einem 2,5 Millionen Dosen. Grund ist laut BMG die Freigabe der in den USA produzierten Impfdosen durch die FDA. „Auf diesen Prozess hat weder die Bundesregierung noch die EU einen Einfluss“, so das BMG. „Sollte die Freigabe zeitnah erfolgen, können wir noch mit größeren Lieferungen rechnen.“
Zumindest in dieser Woche scheinen alle Zweitimpfungen gesichert – wenn das auch regional zeitweise am seidenen Faden hing. So erhielten Ende vergangener Woche Apotheken in Mecklenburg-Vorpommern die Nachricht, dass bei ihnen nicht nur die Lieferungen für Erstimpfungen gestrichen wurden, sondern zum Teil auch die für Zweitimpfungen. Betroffen waren nur AHD-Kunden. Dem Vernehmen nach war es erst der Einsatz des Apothekerverbands beim dortigen Wirtschaftsministerium, durch den Nachlieferungen erwirkt werden konnten.