Notlagentarif

10-Tages-Frist: PKV zahlt Krebsmedikament nicht

, Uhr
Berlin -

Wer mit seinen Beiträgen im Rückstand ist, verliert irgendwann seinen Versicherungsschutz. Damit Menschen mit privater Krankenversicherung (PKV) keine unbilligen Härten erleiden, wurde 2013 gesetzlich der sogenannte Notlagentarif eingeführt, der zumindest in akuten Fällen eine Kostenübernahme vorsieht. Allerdings gelten hier besondere Spielregeln: So muss das Rezept innerhalb von zehn Tagen eingelöst werden, sonst verlieren die betroffenen Patientinnen und Patienten auch diesen Anspruch, wie das Landgericht Augsburg in einem aktuellen Fall bestätigt hat.

Im Streit ging es um einen Patienten, der seit 1985 privat krankenversichert war. Als er 2013 mit seinen Beiträgen in Rückstand geriet, wurde sein Vertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2014 im Notlagentarif fortgeführt. Noch bevor er allerdings im Juli 2019 wieder in den regulären Tarif wechseln konnte, wurde im Januar desselben Jahres bei ihm eine chronisch lymphatische Leukämie diagnostiziert. Der behandelnde Arzt verordnete ihm am 11. Februar das Krebsmedikament Imbruvica (Ibrutinib), das Rezept wurde am 25. März eingelöst.

Gesetzliche Grundlage für den Notlagentarif bilden § 153 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und § 193 Versicherungsvertragsgesetz (VVG). Demnach sind Leistungen bei solchen „ruhenden Verträgen“ brancheneinheitlich stark eingeschränkt. Neben Leistungsspektrum und -umfang ist in den brancheneinheitlichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) unter anderem geregelt, dass Verordnungen innerhalb von zehn Tagen eingelöst werden müssen.

Frist überschritten

Die Versicherung weigerte sich, die angefallenen Kosten in Höhe von rund 8500 Euro zu erstatten. Erst wurde argumentiert, dass die Kosten für dieses Medikament aufgrund der im Notlagentarif vorhandenen Beschränkung auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen nicht erstattet werden könnten und zudem Behandlungskosten bei chronischen Erkrankungen nicht erstattet werden würden. Später machte die PKV geltend, dass das Arzneimittel innerhalb von zehn Tagen nach Ausstellung der ärztlichen Verordnung hätte bezogen werden müssten.

Dieser Argumentation folgte auch das Gericht: Wegen des Ablaufs der Zehn-Tages-Frist sei das Medikament nicht erstattungsfähig und die PKV damit nicht zur Leistung verpflichtet gewesen.

Die Frist regelt laut Urteil den „Umfang“ der Leistungspflicht, also unter welchen Umständen sie begründet wird: „Sie stellt sicher, dass nur solche verschreibungspflichtige Arzneimittel erstattet werden müssen, die auch zur akuten Behandlung erforderlich waren und deshalb auch innerhalb der Frist bezogen wurden. Wird das Medikament nicht innerhalb der zehntägigen Frist bezogen, wird der Erkrankungs- beziehungsweise Schmerzustand nicht so schwerwiegend gewesen sein, dass die Einnahme des Medikaments unerlässlich war.“ Damit trage die Frist dem Willen des Gesetzgebers Rechnung, die Leistungen im Notlagentarif auf ein unerlässliches Mindestmaß zu beschränken.

Gerade wegen der Besonderheiten des Notlagentarifs hätte der Versicherte mit der Geltung dieser Bedingungen rechnen müssen. „Mit der Einführung des Notlagentarif bezweckte der Gesetzgeber eine weitere Überschuldung Betroffener zu verhindern, eine Notfallversorgung zu gewährleisten und die Versichertengemeinschaft zu entlasten.“

Damit könne auch dahinstehen, ob die Erkrankung überhaupt als ein die Leistungspflicht begründender Versicherungsfall einzustufen war. Ein medizinisches Sachverständigengutachten musste daher aus Sicht des Gerichts nicht erhoben werden.

Einschränkungen im Notlagentarif

Laut den AVB beschränkt sich der Notlagentarif auf Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Bei Kindern und Jugendlichen ist auch die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen abgedeckt. Bei Chronikern wird die medizinisch notwendige Heilbehandlung erstattet, sofern die Nichtbehandlung nach medizinischem Befund in einem absehbaren Zeitraum zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustands und damit zu einer akuten Erkrankung führen würde.

Die Erstattungspflicht beschränkt sich dabei nach Grund und Höhe auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen. Art, Höhe, Umfang und Dauer der Versicherungsleistungen ergeben sich aus dem Tarif. Arzneimittel sind erstattungsfähig, wenn sie von einem Vertragsarzt verordnet und innerhalb von zehn Tagen nach Ausstellung der Verordnung aus der Apotheke bezogen wurden. „Stehen für das verordnete, verschreibungspflichtige Arzneimittel mehrere wirkstoffgleiche Arzneimittel zur Verfügung, sind nur Aufwendungen für eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel erstattungsfähig, es sei denn, die Verordnung eines bestimmten Arzneimittels ist medizinisch notwendig oder keines der drei preisgünstigsten Arzneimittel ist rechtzeitig lieferbar.“

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Verfassungsbeschwerde abgewiesen
BVerfG: Kein Cytotect für Schwangere
Verzögerungen wegen „KOB light“?
ePA: Die Angst vor Abmahnungen
Mehr aus Ressort
Apotheken als schnelle und leistungsstarke Akteure
Katastrophenschutz: SPD-Landrat für Apotheke vor Ort
Kliniksterben in westdeutschen Großstädten
Klinikreform: Was ändert sich jetzt?

APOTHEKE ADHOC Debatte