Die SPD-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft will die Vor-Ort-Versorgung in der Hansestadt mit einem eigenen Programm verbessern: Wichtige Einrichtungen wie Apotheken und Arztpraxen sollen in allen Quartieren innerhalb von zehn Minuten erreichbar sein. Dazu soll der Senat investieren und mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) zusammenarbeiten.
Die Bremer SPD hat sich ein großes Vorbild gesucht: In Paris werde das gleiche Konzept bereits als „15-Minuten-Stadt“ umgesetzt, erklärte SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör vergangenen Donnerstag bei der Vorstellung des Programms nach einer Klausursitzung. Bremen ist mit seinen 566.000 Einwohnern eine Nummer kleiner als Paris und entsprechend sind die Wege kürzer: Hinter dem Modell der „10-Minuten-Stadt“ steht vor allem das Ziel, dass in den jeweiligen Nachbarschaften Einrichtungen der Grundversorgung wie Apotheken, Arztpraxen, Schulen, Kitas, Bahn- und Bushaltestellen von jeder Wohnung aus in rund 10 Minuten fußläufig erreichbar sein sollen.
„Egal ob es der Weg zum Einkaufen, zur Apotheke oder zum Hausarzt ist, wir wollen kurze Wege für die Menschen in den Quartieren. Denn dort ist ihr Lebensmittelpunkt“, so Güngör. „Mit diesem Konzept wollen wir uns in Bremen an die Spitze der Stadtplanung in Deutschland setzen.“ Dazu hat die SPD-Fraktion, die gemeinsam mit den Grünen und der Linken die Hansestadt regiert, 13 Anträge beschlossen, die sich mit Bereichen von Gesundheits- und Nahversorgung, Pflege, Kultur, Bildung, Nahverkehr, Digitalisierung bis hin zu Grün-, Erholungs- und Spielflächen befassen.
Apotheken werden dabei nicht zur Gesundheits-, sondern zur Nahversorgung gezählt und im entsprechenden Antrag behandelt: „Ist vor Ort kein entsprechendes Angebot eines Lebensmittelhandels, einer Apotheke oder einer Post vorhanden, so ist die Politik in der Verantwortung und sollte einen Prozess initiieren, um Anbieter für eine gute Nachversorgung mit Gütern des täglichen Lebens im Quartier zu gewinnen.“ Das steigere die Wohnqualität und Attraktivität der Bremer und Bremerhavener Stadtteile und Quartiere und dient dem Wohlbefinden im Quartier. Für künftige Inhaber:innen solle der Senat deshalb Unterstützung bei der Ansiedlung leisten. Ihm sei klar, dass das Geld kosten werde, erklärte Güngör. „Aber ich bin sicher, das wird jetzt kein milliardenschweres Programm.“ Die ersten Weichen für das Programm sollen noch in den laufenden Etatplanungen gestellt werden.
In einem ersten Schritt sollen Gebiete mit mangelnder Nahversorgung identifiziert werden, denen ein Landesförderprogramm zugutekommt: Bei Ansiedlung sollen finanzielle Anreize und steuerliche Begünstigungen für die Inhaber:innen zugesichert werden. Der Senat solle nun prüfen, wie genau die ausgestaltet werden können. Mit dem „Bremischen Gesetz zur Stärkung von Einzelhandels- und Dienstleistungsquartieren“ bestehe bereits seit 2006 zudem die Möglichkeit, sogenannte Business Improvement Districts – in Bremen Innovationsbereiche genannt – einzurichten. Auf Initiative und in Eigenregie der Grundeigentümer:innen können demnach in einem festgelegten Gebiet und Zeitraum gemeinsam Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, um Quartiere aufzuwerten und so auch neue Anreize zur Ansiedlung des Einzelhandels im Quartier zu schaffen. „Diese Möglichkeit sollte zugunsten einer besseren Versorgung der Bevölkerung im Quartier weiter intensiv öffentlich beworben werden“, so der Antrag.
Konkreter werden die Pläne bei dem Ziel, mehr Ärzt:innen in den Quartieren anzusiedeln. Der Senat solle im Rahmen des Landesgremiums mit der KV und den Kassen zusammenarbeiten, um „die ambulanten vertragsärztlichen Versorgungsstrukturen, insbesondere bei den Haus- und Kinderärzt:innen, kleinräumiger zu analysieren und zu erörtern“, so die Forderung. „Auf Grundlage dieser Analyse und bei einer Feststellung einer nicht ausreichenden Grundversorgung in kleinräumigeren Gebieten soll durch gezielte Fördermaßnahmen sowie sonstigen geeigneten Maßnahmen eine verbesserte wohnortnahe ärztliche Versorgung erzielt werden.“
Ziel sei, dass die KV ihre Möglichkeit nutzt, von der Bedarfsplanungsrichtlinie abzuweichen, indem sie die Planungsbereiche verkleinert. So könnten sie weiter aufgeteilt werden, zum Beispiel auf Bezirksebene. Durch eine kleinräumigere Bedarfsplanung könne teilweise gesteuert werden, in welchen Stadtteilen oder Stadtbezirken sich neue Ärzt:innen ansiedeln können. Dadurch könne eine eventuell vorhandene Ungleichverteilung abgebaut werden. „Klar ist dabei, dass weitere Wege zu spezialisierten Fachärzt:innen eher zumutbar sind als für einen Besuch bei Haus- oder Kinderärzt:innen“, so der Antrag. „Haus- und Kinderärzt:innen müssen in allen Quartieren schnell und unkompliziert erreichbar sein.“
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