Migräne-Prophylaxe

Zusatznutzen für Ajovy Cynthia Möthrath, 08.11.2019 15:09 Uhr

Quartals- oder Monatsgabe: Fremanezumab ist der einzige Vertreter der Wirkstoffklasse mit zwei unterschiedlichen Dosierungsintervallen. Foto: Pixabay
Berlin - 

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat Teva für Ajovy (Fremanezumab) einen Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen ausgesprochen. Der Antikörper wurde speziell für die Migräne-Prophylaxe bei Erwachsenen entwickelt.

Neben der Akutmedikation stellt die Prophylaxe der Migräne für viele Patienten eine Therapieoption dar: Bisherige Wirkstoffe wurden jedoch nicht speziell für die Migräneprophylaxe entwickelt, daher kam es häufig zu erheblichen Nebenwirkungen oder verschiedenen Kontraindikationen. Seit etwa einem Jahr steht mit den CGRP-Antikörpern eine neue Wirkstoffklasse zur Verfügung. Die Wirkung basiert auf die Bindung an den Liganden des CGRP, welches bei Migräneanfällen vermehrt im synaptischen Spalt ausgeschüttet wird.

Fremanezumab ist der einzige Vertreter der Wirkstoffklasse mit zwei unterschiedlichen Dosierungsintervallen: Durch die Wahl zwischen einer Quartalsgabe und einer Monatsgabe von Ajovy kann die Migräne-Prophylaxe auf die persönliche Lebenssituation des Patienten abgestimmt werden.

Ajovy ist für die prophylaktische Behandlung der Migräne bei Erwachsenen zugelassen, welche mehr als vier Migränetagen pro Monat aufweisen. Die positive Entscheidung des G-BA basiert vor allem auf den Daten der „Focus-Studie“: Focus war die erste und größte Phase-IIIb-Studie zur Vorbeugung von Migräne bei einer schwer zu behandelnden Population von Erwachsenen mit episodischer oder chronischer Migräne, die zuvor nur unzureichend auf die Behandlung mit zwei bis vier anderen Migräneklassen wie Betablockern, Antikonvulsiva, Trizyklika, Kalziumkanalblockern, Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten, Onabotulinumtoxin-A oder Valproinsäure angesprochen hatten.

Es handelt sich um eine multizentrische, randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Parallelgruppenstudie, in der die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit einer vierteljährlichen und monatlichen Behandlung mit Fremanezumab im Vergleich zu Placebo bewertet wurde. Die Patienten wurden blind in eine von drei Behandlungsgruppen eingeteilt: Ein vierteljährliches Dosierungsschema, ein monatliches Dosierungsschema oder Placebo.

Unter Fremanezumab konnte unter anderem eine Verbesserung der Einschränkungen und der Lebensqualität bei Erwachsenen mit Migräne belegt werden. Die Daten zeigen unter anderem eine Verringerung der monatlichen Migränetage. Außerdem zeigte sich eine anhaltende Ansprechrate von mehr als 50 Prozent über drei Monate. Migräne-Symptome wurden ebenfalls signifikant reduziert: Sowohl die monatliche als auch die vierteljährliche Gabe von Fremanezumab reduzierten Übelkeit, Erbrechen, Photophobie und Phonophobie.

Der Anhaltspunkt für einen beträchtlichen Zusatznutzen wurde für die so genannte „Patientenpopulation C“ attestiert – das sind erwachsene Patienten, die auf keine der bisherigen Wirkstoffklassen ansprechen, für diese aufgrund einer Kontraindikation nicht geeignet sind oder diese nicht vertragen. Es folgen nun die Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband hinsichtlich des Erstattungsbetrags. Laut Teva wurden bereits kurz nach der Einführung von Ajovy die ersten Rabattverträge abgeschlossen und mit einigen Krankenkassen Verträge vereinbart werden.

Bereits im vergangenen Jahr bekamen die ersten Antikörper zur Migräne-Prophylaxe ihre Zulassung. Anders als Fremanezumab greift Aimovig (Erenumab, Novartis) am CGRP-Rezeptor an. Im Juli 2018 hatte das Präparat als erster Antikörper zur Migräne-Prophylaxe die EU-Zulassung erhalten, im November vergangenen Jahres kam das Arzneimittel schließlich auf den Markt. Novartis hat für Aimovig ebenfalls bereits erste Rabattverträge schließen können. Seit Juni ist der Fertigpen nicht nur in der 70mg-Dosierung, sondern auch in einer 140 mg-Stärke verfügbar.

Im September vergangenen Jahres erhielt Lilly für Emgality (Galcanezumab) grünes Licht: Anders als die Mitbewerber ist das Präparat als Initialdosis zugelassen. Zum Therapiebeginn wird eine Standarddosis von zweimal 120 mg am selben Tag gegeben. Im ersten Monat fallen dadurch die doppelten Kosten an. Der vierte monoklonale Antikörper ist Eptinezumab und wurde von Alder Biopharmaceuticals entwickelt. Die vier monoklonalen Antikörper sind die ersten Arzneimittel, die speziell für die Migräne-Prophylaxe entwickelt und zugelassen wurden.

Migräne gehört mit über acht Millionen Betroffenen zu den häufigsten Kopfschmerzformen. Man unterscheidet zwischen der episodischen und der chronischen Form. Bei Letzterer kommt es zu mehr als 15 Kopfschmerz- und mindestens acht Migränetagen pro Monat. 75 Prozent der Patienten mit dieser Form leiden an zahlreichen Komorbiditäten, vor allem an psychischen Erkrankungen wie Depression und Angststörungen.